75 Ideen für ein besseres Manheim – Teil 24 - Die Stadt ist ein Zentrum der Klangkultur – von Klassik bis Techno, von Jazz bis Pop, aber das ist nicht adäquat dokumentiert

Wie wär's... mit einem Mannheimer Museum für Musik?

Von 
Georg Spindler
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Unvergessen: Joy Fleming (1944-2017). Ihr Vermächtnis wird in Mannheim bislang nicht auf angemessene Weise gewürdigt – wie das von vielen anderen Musikern aus der Quadratestadt. © Thomas Tröster

Mannheim. Mannheim brodelt nur so vor Musik. Das Nationaltheater steht vor der Spielzeiteröffnung, in der Alten Feuerwache geht bald das Planet-Ears-Festival über die Bühne, im Oktober startet Enjoy Jazz. Keine Frage: Die Unesco-City of Music lebt. Und das seit dem 18. Jahrhundert, als die Mannheimer Schule die Grundlagen der klassischen Orchestersprache legte. Bis heute ist die Quadratestadt ein Zentrum der Klangkultur.

Aber die Rolle Mannheims als Klassik-, Jazz-, Pop-, Soul-, Techno- und Weltmusik-Metropole ist nirgendwo adäquat dokumentiert. Es fehlt ein Museum der Mannheimer Musik, das dies alles in seiner Gesamtheit darstellen könnte: von der Hofkapelle bis zur Time Warp.

Was könnte in einer solchen Dokumentationsstätte nicht alles gezeigt, vorgeführt, dargestellt werden. Material gibt es in Hülle und Fülle: Fotos, Plattencover, Zeitungsartikel. Im Internet kursieren etwa Bilder und Videos von Mannheimer Rockbands aus den 1970ern; man muss sie sich mühsam zusammensuchen. Ein Museum könnte sie professionell aufbereiten und präsentieren.

Oder wie wäre es mit Klangbeispielen von Stilmitteln der Mannheimer Schule wie der Mannheimer Rakete und den Mannheimer Seufzer, die im 18. Jahrhundert das Publikum in Ekstase versetzten? Digital könnten sie ohne großen Aufwand präsentiert werden. Zugegeben, der neue Hofmusikraum im Schloss und die Theatersammlung in den rem decken das große klassische Musik-Erbe der Stadt ab. Mozart, Wagner, Brahms und Weber haben in Mannheim Spuren hinterlassen. Das Nationaltheater hält das Vermächtnis dieser Größen auf der Opernbühne und bei Konzerten am Leben. Und die Theatersammlung bildet dies ab.

Ganz anders sieht es mit den Popmusikströmungen aus, die Mannheim im 20. Jahrhundert bekannt gemacht haben. Die digitalen Bestände der Musikhochschule in diesem Bereich spotten aller Beschreibung. In einem Museum der Mannheimer Musik könnte man Musikbeispiele (als Podcast) zugänglich machen. Etwa zu dem, was schon mal als „Zweite Mannheimer Schule“ bezeichnet wurde: Jene Jazz-Generation, die in den 1950er Jahren bundesweit Beachtung fand und mit Namen wie Jochen Brauer, Fritz Münzer, Hans „Dottler“ Laib“ oder Inge Brück verbunden ist. Allen voran: Wolfgang Lauth, der 1955 und 1956 - als der Jazz ein Massenphänomen war - zum (west-)deutschen Jazzmusiker des Jahres gewählt wurde.

Rockstars aus Indonesien

Nicht zu vergessen: Caterina Valente. Ihre Weltkarriere - zunächst als Jazzvokalistin, die etwa mit US-Trompeter Chet Baker auftrat, dann als Schlagersängerin, schließlich als international erfolgreiche Entertainerin - hat 1953 in Mannheim begonnen. Bis 1957 war die Stadt ihr Zuhause. Warum wird sie dann hier nicht entsprechend gewürdigt? Wie so viele weitere musikalische Entwicklungen und Künstler, mit denen Mannheim von sich reden machte.

Mitte der 1960er hat es hier nach Angaben des Gitarristen Hans Reffert rund 500 Beatbands gegeben, Nichts von dieser Zeit ist in einer städtischen Sammlung aufbereitet. Oder von den indonesischstämmigen Rockbands, die damals in Mannheim residierten. Ensembles wie die Tielman Brothers fuhren seinerzeit im weißen Rolls-Royce oder in einem vergoldeten Cadillac durch die Quadrate. Wie Megastars.

In den 1970ern sorgten dann ambitionierete Krautrockbands für Aufsehen: Tritonus, Kin Ping Meh und Nine Days’ Wonder. Es war die Zeit, in der Joy Fleming (zunächst mit der Band Joy Unlimited, dann als Solistin) bekannt wurde, ehe Kritiker die Blues- und Soul-Röhre als „Welt-Star“ („Der Spiegel“) feierten. Hat sich die Stadt um ihren musikalischen Nachlass gekümmert? Gänzlich unterbelichtet sind die 1980er Jahre, als in Mannheim für kurze Zeit eine hochkarätige Independent-Szene um Norbert Schwefel erblühte, der damals auf der Schwelle zu einer nationalen Karriere stand. Auch hier könnten Plakate, Flyer oder Videos die Zeit erhellen.

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In den 90ern feierte dann die Mardi Gras.bb als Souljazz-Gruppe Überraschungserfolge - von London bis Montreux. Nichts davon würdigt die Stadt. Zur gleichen Zeit machte Mannheim als Techno-Hochburg von sich reden. Seit 1995 präsentiert hier das Time-Warp-Festival die internationalen Stars elektronischer Musik. Und das „Milk!“ war in den 90ern der erste Club, der in Deutschland Drum ’n’ Bass präsentierte - wieder eine Pionierleistung. Auch davon ist nichts archiviert.

1998 begann dann Xavier Naidoo als virtuoser deutscher Soul-Pop-Sänger seine kometenhafte Karriere, die erst 2014 krachend zerschellte. Mit Laith Al-Deen wurde 2000 ein zweiter Mannheimer mit deutschsprachigem Soul bekannt. Während 2003 die Popakademie ihren Betrieb aufnahm und eine ganze Reihe von Newcomern wie Joris oder Alice Merton ausbildete, etablierte sich in eine junge Jazz-Generation. Alexandra Lehmler, Anke Helfrich, Thomas Siffling, Daniel Prandl und Volker Engelberth haben Mannheim einen guten Klang in der Szene verliehen.

In jüngster Zeit spielt die Stadt erneut eine Pionierrolle: als multikultureller Schmelztiegel. Hier hat sich eine bundesweit einzigartige Szene formiert: Bands wie LebiDerya, Beyond Borders oder Neckarganga fusionieren Jazz mit arabischer, türkischer, indischer Musik. Seit 2015 bietet die Popakademie daher den Studiengang Weltmusik an.

Es gäbe also genug zu dokumentieren, wenn die Stadt ein Museum der Mannheimer Musik einrichten würde. Und sie täte gut daran, gleich einen Erweiterungsbau einzuplanen. Denn die Klangküche brodelt hier weiterhin auf großer Flamme.

Redaktion

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