Mannheim. Der offizielle Startschuss ist gefallen: Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Christine Streichert-Clivot (SPD), brachten vor wenigen Tagen in Berlin mit ihren Unterschriften das Startchancen-Programm auf den Weg. Ab dem kommenden Schuljahr, also ab September, sollen damit bundesweit zunächst 2000 Schulen in sozial schwierigen Lagen eine spezielle Förderung bekommen. Fragen und Antworten dazu, was das für Mannheim bedeutet.
Worum geht es beim Startchancen-Programm?
Erklärtes Ziel ist es, Kinder und Jugendliche in sozial benachteiligten Gebieten zu fördern - oder, wie es das Kultusministerium in Baden-Württemberg ausdrückt: Es sollten „Mittel im großen Stil ziel- und bedarfsgenau dorthin fließen, wo Unterstützung am nötigsten ist, um Schulen zu stärken, Chancen zu eröffnen, Zukunft zu gestalten“.
Welche finanziellen Mittel stehen zur Verfügung?
Bund und Länder wollen dafür in den kommenden zehn Jahren 20 Milliarden Euro bereitstellen. Auf Baden-Württemberg entfallen davon gut 2,6 Milliarden Euro. Für Mannheimer Schulen stehen wiederum 145 Millionen Euro zur Verfügung. Rechnet man das auf die einzelnen geförderten Schulen um, sind das jährlich rein rechnerisch etwa 500 000 Euro.
Welche Schulen profitieren in Mannheim von dem Programm?
Gemessen an der Bevölkerung im Vergleich zu anderen Städten mit 29 überdurchschnittlich viele - wegen der besonderen sozialen Herausforderungen. Örtliche Schwerpunkte liegen in Stadtteilen wie Waldhof, Schönau, Neckarstadt, Vogelstang, Innenstadt oder Hochstätt. Was die Schularten angeht, profitieren die Grundschulen am meisten. Mittel gibt es für 18 von 34.
Es sind Dürer, Lindgren-, Hirsch-, Kästner-, Franklin-, Ebert-, Andersen-, Humboldt-, Kepler-, Jungbusch-, Kollwitz-, Mozart-, Neckar-, Rheinau-, Schönau-, Uhland-, Vogelstang- und Waldhof-Grundschule. Hinzu kommen die beiden Förderschulen Gutzmann und Busch sowie neun weiterführende: Kepler-Gemeinschaftsschule, Elisabeth-Gymnasium, Scholl-, Duden-, Curie-, Sandhofen- und Tulla-Realschule sowie Humboldt- und Uhland-Werkrealschule.
In welcher Form sollen die Schulen gefördert werden?
Das Startchancen-Programm basiert auf drei Säulen: erstens ein Investitionsprogramm für eine „zeitgemäße Lernumgebung“. Angesetzt werden dafür etwa 200 000 Euro pro Schule und Jahr. Erst vor kurzem habe sich herausgestellt, dass dazu auch die Kommunen Mittel beisteuern müssten, teilte Bürgermeister Dirk Grunert dem Bildungsausschuss mit. Pro Jahr rechnet die Stadt dafür mit einem Investitionsbedarf von 1,7 bis 2,5 Millionen Euro. Dafür entscheidet die Verwaltung allerdings gemeinsam mit der jeweiligen Schule aber auch bei der Mittelverwendung mit.
Welches sind die beiden anderen Säulen?
Die eine nennt sich „Chancenbudget für bedarfsgerechte Lösungen zur Schul- und Unterrichtsentwicklung“, die andere sieht Personal zur Stärkung und Weiterentwicklung multiprofessioneller Teams vor. Über die Mittelverwendung entscheidet in diesen Fällen nicht die Stadt, sondern das Land gemeinsam mit der jeweiligen Schule.
Jede Schule entscheidet für sich. Gibt es daran Kritik?
Durchaus, und das vor allem in der Neckarstadt-West. Dort nehmen mit der Humboldt-Werkrealschule, der Marie-Curie-Realschule sowie der Humboldt- und Neckar-Grundschule alle vier Bildungseinrichtungen im Stadtteil am Startchancen-Programm teil. Damit die „üppigen Mittel schnell und unmittelbar bei den Schülerinnen und Schülern ankommen“, müsste das gesamte Umfeld der vier Schulen „optimal organisiert“ werden, fordert Konrad Hummel, der stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins Campus Neckarstadt-West.
Wie soll das nach Ansicht des Fördervereins Campus aussehen?
Die Verwendung der Gelder solle nicht aus Sicht der einzelnen Schule gedacht werden, sondern „beim Kindeswohl im gesamten Quartier ansetzen“, betont Hummel - und begründet: „Wo Hausaufgaben nicht verstanden werden, wo Deutsch nicht gesprochen wird, wo Konflikte auf der Straße nicht friedlich ausgetragen werden, wo niemand sich für Wahlen interessiert, wo es keine Vereine gibt, wo Kindergesundheitsprophylaxe nicht vorkommt, soll Schule entgegensteuern. Sie kann das aber nicht allein.“
Deshalb mache es Sinn, das Startchancen-Programm „gemeinsam als Verbund anzugehen und auch die Mittelverwendung gemeinsam zum Wohle der Kinder so effizient wie möglich vorzunehmen“. Das Startchancen-Programm erlaube diesen „integrierten Ansatz“, den der Förderverein als „Mannheimer Modell“ mit umsetzen möchte.
Ist das Land offen für ein solches „Mannheimer Modell“?
Das Kultusministerium verneint. Natürlich wolle man „vorhandene Strukturen“ und Netzwerke „nutzen, um Synergieeffekte zu schaffen“. Aber das Startchancen-Programm schreibe „eine strenge Berichtslegungspflicht“ vor, „bei der wir auf Basis der einzelnen Schule die Mittelverwendung nachweisen müssen“, so ein Sprecher des Kultusministeriums.
Lässt sich an der Haltung des Landes noch etwas ändern?
Das hoffte im jüngsten Bildungsausschuss zum Beispiel Reinhold Götz (SPD), der den „Quartiersansatz vermisst“. Er appellierte an die Stadt, dem Land ein stadtteilbezogenes „Pilotprojekt im Rahmen des Startchancen-Programms“ vorzuschlagen. Grunert sagte dazu: „Wir werden gucken, was machbar ist.“ Aber Veränderungen zu erwirken, sei „sehr schwierig“, weil dem jetzigen Modell Bund und alle Bundesländern einzeln zugestimmt hätten.
Welche Besonderheiten gibt es im Programm noch?
Einen Punkt, der bis vor kurzem noch nicht so klar war, hob Bürgermeister Grunert im Fachausschuss hervor: Das Land wolle festlegen, „dass Startchancen-Grundschulen in den verbindlichen Ganztag müssen“. Darin sieht der Bildungsdezernent eine große Herausforderung. Denn von den 18 geförderten Grundschulen sind derzeit lediglich acht im verbindlichen Ganztag und eine weitere im Ganztag in Wahlform.
Die andere Hälfte der Grundschulen ist bisher im Halbtag. Zwar laufen für eine ganze Reihe von ihnen schon Planungen, die auf das verbindliche Ganztagsmodell abzielen. Aber die Umsetzung dauert wergen der regelmäßig vorhandenen baulichen Erfordernisse Jahre. Für die Humboldt-Grundschule zum Beispiel braucht es einen Neubau, der nicht vor 2027 fertig sein wird.
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