Mannheim. Eigentlich war für diesen Freitag eine große Demo zu den multiplen Problemen bei der Betreuung von Kindern angekündigt. Aber wegen der problematischen Sicherheitslage nach der Marktplatz-Attacke hatten die Eltern sie kurzfristig abgesagt. Der Druck auf die Verantwortlichen bei der Stadt und den freien Trägern wächst dennoch: Auf ihrer gemeinsamen Plattform „aufunserenruecken“ regen die Eltern für diesen Sonntag einen „stillen Protest“ bei Veranstaltungen am Wochenende an. So wollen sie etwa bei den Hofflohmärkten in der Neckarstadt in persönlichen Statements auf Plakaten und T-Shirts auf die schwierige Situation aufmerksam machen.
Aktuell geht es nicht um fehlende Kita-Plätze oder zu hohe Gebühren, sondern um die von Stadt und Kirchen ab September geplante flächendeckende Kürzung der Ganztags-Betreuungszeiten um fünf oder sogar zehn Stunden pro Woche. Das, so die Eltern auf der Instagram-Plattform, werde man „nicht einfach so hinnehmen“. Und so verfolgte denn auch eine ganze Reihe von Betroffenen am Donnerstagnachmittag und -abend von der Galerie im großen Saal des Stadthauses aus auch die Sitzung des Jugendhilfeausschusses.
Gebührenerstattung, aber Nachteile bei Gehalt und Rente
Denn dort ging es genau darum – die für voraussichtlich drei Jahre vorgesehene Reduzierung des Ganztagsangebots in den 130 vorschulischen Betreuungseinrichtungen von Stadt, evangelischer und katholischer Kirche von 46,5 auf 41,5 oder gar 36,5 Stunden wöchentlich.
Wobei der Ausschuss darüber eigentlich gar nicht abstimmen kann. Denn die Änderung von Öffnungszeiten beschließen die Träger autonom. Aber zugleich sollen den Eltern für die geringere Betreuungszeit Gebühren erstattet werden. Das führt zu Mindereinnahmen im Haushalt. Und deshalb braucht es einen Beschluss des Gemeinderats – beziehungsweise zuvor ein Votum des Fachausschusses. Der stimmte der Gebührenerstattung denn auch bei einer Enthaltung zu.
Was aber nicht bedeutet, dass er die neueste Entwicklung billigen würde – ganz im Gegenteil. Die großflächige Reduzierung der Öffnungszeiten, so Kathrin Kölbl (FDP), „macht uns wirklich außerordentlich besorgt“. Die Rückerstattung der Elternbeiträge sei „zu begrüßen“, gleiche aber nicht annähernd die Mehrkosten aus. Und zwar nicht nur für zusätzlichen Betreuungsaufwand, sondern vor allem wegen des fehlenden Gehalts bei Arbeitszeitreduzierung – verbunden mit späteren Nachteilen bei der Rente.
Die Reduzierung der Öffnungszeiten, so Christiane Fuchs (Freie Wähler/ML), „sehen wir als superkritisch an“. Und Melanie Seidenglanz (SPD) meinte, das sei „nicht gut für die jungen Eltern und auch nicht für die Familienpolitik dieser Stadt“. Vor allem aber müsse man die Eltern in den Blick nehmen, „die ihre Interessen vielleicht nicht so stark äußern können“. Deshalb müssten Kitas in sozial benachteiligten Stadtteilen längere Öffnungszeiten haben als andere.
Bürgermeister Dirk Grunert betonte, das werde nicht funktionieren. Wenn Betreuungszeiten an einer Stelle verlängert würden, müssten sie an anderer Stelle umso stärker gekürzt werden. Abgesehen davon könne man das Personal nicht einfach umsetzen. Denn wer das nicht wolle, suche sich bei 300 bis 400 offenen Stellen allein in Mannheim einfach anderswo einen Job.
Steffen Jooß von der evangelischen Kirche mahnte, eines nicht aus dem Blick zu verlieren: „Durch die geänderten Öffnungszeiten können allein durch die Kirchen etwa 400 Plätze zusätzlich vergeben werden.“ So sieht es auch Andrea Gerth als Vertreterin der kleinen freien Träger. Mit der Kürzung der Betreuungszeiten „schaffen Sie 400 Plätze für Kinder, die momentan nicht versorgt sind“.
Man müsse „schon beide Seiten sehen“, sagte auch Regina Hertlein vom Caritasverband: „Die Eltern, die weniger an Betreuungszeit haben und die, die gar keine Betreuungszeit erhalten. Zwischen diesen zwei Übeln ist diese Entscheidung getroffen worden.“
Angebote in den Randzeiten sollen zügig aufgebaut werden
Umso mehr, so die Vertreter fast aller Parteien, müsse man in den Randzeiten eine Betreuungs-Alternative schaffen – auch wenn diese nicht durch Fachkräfte erfolge. Angedacht ist, vor und nach der Kita-Betreuungszeit ein Angebot zu schaffen, das zum Beispiel mit Hilfe von Vereinen oder Elternzusammenschlüsse aufgebaut werden könnte. Auch wenn das eine gewisse Zeit brauche, so Christiane Fuchs, sei klar: „Berufstätige Eltern haben keine Zeit. Es braucht Planungssicherheit für sie.“
Dominik Bonaszewski legte als Vertreter der Eltern evangelischer Einrichtungen Wert darauf, „dass jetzt schnell gehandelt wird, dass wir nicht noch Zeit bis nach den Sommerferien verlieren. Diese Zeit haben wir nicht mehr.“ Dem stimmte Hildwin Wonner vom Stadtelternbeirat, der Vertretung städtischer Einrichtungen, zu: Lösungen seien „schnellstmöglich zu etablieren“.
Bürgermeister Grunert sagte zu, gleich nach dem noch ausstehenden Gemeinderatsbeschluss zu den Betreuungszeiten und der Gebührenerstattung am 13. Juni die Bedarfe der Eltern abzufragen und auf dieser Grundlage bis September ergänzende Angebote in den Randzeiten schaffen zu wollen. Außerdem sei man dabei, einen „Springkräftepool“ aus Zusatzkräften aufzubauen. Dieses Personal solle dann „dort einspringen, wo es notwendig ist“.
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