Mannheim. Mannheim will bis 2030 klimaneutral sein. Wie das gehen soll? Das steht im Klimaschutzaktionsplan, kurz KSAP. Der wurde in einem anderthalbjährigen Prozess erarbeitet, den das Wuppertal-Institut, eine Denkfabrik in Fragen der Nachhaltigkeit, begleitet hat und bei dem unter anderem Bürger, Unternehmerinnen, Gewerkschafter, Umweltschützerinnen, Gemeinderäte durch einen Lenkungskreis und Bürgerrat eingebunden waren. Der Katalog listet auf mehr als 120 Seiten zig Maßnahmen und Aktivitäten auf, mit denen das Ziel, nämlich die Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes auf nahezu null, erreicht werden soll.
Es gibt acht Handlungsfelder wie Energieproduktion, Flächennutzung, Mobilität, Industrie, private Haushalte, kommunale Verwaltung, wobei jedes Handlungsfeld aus mehreren Bausteinen mit thematischen Schwerpunkten besteht. Das Handlungsfeld Mobilität beispielsweise hat drei Themenschwerpunkte: motorisierte Verkehre vermeiden, motorisierte Verkehre verlagern, motorisierte Verkehre effizienter machen. Für jeden Baustein gibt es mehrere Maßnahmen, die sich wiederum aus mehreren Aktivitäten zusammensetzen. Eine der Top-Maßnahmen, um motorisierte Verkehre zu vermeiden, ist der Abbau von Privilegien für den motorisierten Individualverkehr. Aktivitäten, die das erreichen können, sind beispielsweise die Erhöhung der Parkgebühren in der Innenstadt oder finanzielle Anreize für den Verzicht auf ein Auto.
Wir haben zentrale Elemente des KSAP aufgelistet und durch Akteure in der Stadt, die teils an der Erarbeitung beteiligt waren, bewertet.
Diese acht Handlungsfelder stehen im Klimaschutzaktionsplan
HANDLUNGSFELD: Energieproduktion
- BAUSTEIN 1: STROMERZEUGUNG
- Maßnahme 1: Photovoltaik-Offensive (ungenutzte Dachflächen und andere Flächen auf Parkhäusern oder Garagen nutzen)
- Maßnahme 2: Windkraft (mögliche Standorte im Mannheimer Norden und auf der Friesenheimer Insel)
- BAUSTEIN 2: DEKARBONISIERUNG DER WÄRMEVERSORGUNG
- Maßnahme: Fern- und Nahwärme (19 200 Gebäude in Mannheim werden mit Fernwärme versorgt, großer Hebel für emissionsarme Wärmeversorgung auf Basis thermischer Abfallbehandlung, Biomasse, Flusswärmepumpe, Tiefengeothermie, industrielle Abwärme)
HANDLUNGSFELD: Private Haushalte
- BAUSTEIN 1: WOHNGEBÄUDE
- Maßnahme 1: Optimierte Nutzung von Wohnraum und Flächen, indem z. B. ein Leerstands- und Brachflächenkataster eingerichtet wird
- Maßnahme 2: Sanierungsoffensive, bei der Eigentümer unterstützt werden (One-Stop-Shop: Beratung und Begleitung aus einer Hand durch die Klimaschutzagentur Mannheim), aber auch ordnungsrechtliche Anforderungen an Bestandsgebäude gestellt werden
- Maßnahme 3: Klimaneutraler Neubau z. B. durch Festlegung eines „Mannheimer Standards“ für energie- und ressourceneffizienten Neubau
- BAUSTEIN 2: KLIMASCHONENDE ERNÄHRUNG UND KONSUM
- Maßnahme 1: Abfall vermeiden, Wiederverwertung verbessern, z. B. durch Entwicklung einer Zero Waste Strategie (Null Abfall Strategie)
- Maßnahme 2: Angebot regionaler und ökologischer Produkte fördern
HANDLUNGSFELD: Industrie
- BAUSTEIN 1: ENERGETISCHE MASSNAHMEN IM BETRIEB
- Maßnahme 1: Energieeffizienzpotenziale im Rahmen der Produktionsprozesse identifizieren und heben
- Maßnahme 2: Einsatz und Ausbau erneuerbarer Energien (z.B. Abwärme intern nutzen, Photovoltaik-Ausbau auf industriellen Dachflächen, regionales Wasserstoffnetzwerk unterstützen)
- BAUSTEIN 2: KREISLAUFWIRTSCHAFT IN DER INDUSTRIE AUF- UND AUSBAUEN
(z. B. Aufbau einer Plattform zum Tausch von „Restprodukten“ zwischen lokalen Unternehmen)
HANDLUNGSFELD: Kommunale Verwaltung
- BAUSTEIN 1: KLIMANEUTRALE LIEGENSCHAFTEN
- Maßnahme 1: Sanierung kommunaler Gebäude mit dem Ziel, die Rate auf zwei Prozent zu steigern und so 16 Prozent der Flächen bis 2030 energetisch zu sanieren
- Maßnahme 2: Klimaneutralität im Neubau
- BAUSTEIN 2: KLIMASCHONENDE BESCHAFFUNG, NUTZUNG UND ENTSORGUNG
- Maßnahme 1: Nachhaltiges Beschaffungswesen
- Maßnahme 2: Überwachung des Energieverbrauchs
- Maßnahme 3: Management von Geräten und Gütern wie z. B. Druckern und Kopierern
- Maßnahme 4: Entsorgung (Abfallvermeidung und Wiederverwertung)
- BAUSTEIN 3: KLIMASCHUTZ IM ÖFFENTLICHEN RAUM
- Maßnahme 1: Mobilitätsmanagement in der Verwaltung, Fahrten mit dem Pkw werden z. B. soweit möglich durch Fahren mit dem Rad oder ÖPNV ersetzt
- Maßnahme 2: Reduktion des Energieverbrauchs im öffentlichen Raum, indem z. B. die Dauerbeleuchtung an Gebäuden gemindert wird, nicht benötigte Beleuchtungsanlagen zurückgebaut werden und die LED-Umstellung in der Straßenbeleuchtung beschleunigt wird
- BAUSTEIN 4: VERWALTUNGSSTRUKTUREN UND -PROZESSE
- Maßnahme 1: Verankerung von Klimaschutz in sämtlichen Verwaltungseinheiten verstärken
- Maßnahme 2: Smart Administration, indem durch Digitalisierung die Prozesse und Umsetzung verschiedener Maßnahmen beschleunigt werden
- BAUSTEIN 5: ÜBERGREIFENDE MASSNAHMEN
- Maßnahme: Bildungs- und Sensibilisierungsarbeit
HANDLUNGSFELD: Gewerbe, Handel, Dienstleistung
- BAUSTEIN 1: ENERGIE- UND RESSOURCENEFFIZIENZ IM UNTERNEHMEN
- BAUSTEIN 2: KLIMANEUTRALE ENERGIE IM GEWERBE NUTZEN
- Maßnahme: „Whole District“ Ansatz: In den Quartieren werden Quartierslösungen zum Ausbau erneuerbarer Energie und zur Abwärmenutzung bzw. klimafreundlichen Wärmeversorgung ermittelt
- BAUSTEIN 3: KREISLAUFWIRTSCHAFT AUF- UND AUSBAUEN
- Maßnahme 1: „Second Life & Second Use“: Weiternutzung und Wiederverwertung von Stoffen und Materialien vor Ort
- Maßnahme 2: Kreislaufwirtschaft im Baugewerbe: Bauteile, Bauprodukte und -stoffe länger nutzen und wiederverwenden, Gebäudebestand dient als Rohstofflager
HANDLUNGSFELD: Flächennutzung
- BAUSTEIN 1: FLÄCHENVERBRAUCH REDUZIEREN
- Maßnahme 1: Freiraumsicherung und Freiraumentwicklung indem z. B. urbane Grün- und Erholungsflächen ausgebaut und erhalten werden und verbindlich festgelegt wird, welche Flächen zu welchem Zweck (Schrebergarten, Urban Gardening) entwickelt werden
- Maßnahme 2: Flächenschonende Stadtentwicklung, indem Wohn- und Gewerbegebiete flächenschonend entwickelt werden, Parkplätze nicht mehr auf Freiflächen entstehen, sondern auf Dächern oder in Untergeschossen, ein Brachflächen- und Baulückenkataster eingerichtet wird und Frei- und Verkehrsflächen mit Solaranlagen überbaut werden
- BAUSTEIN 2: GRÜN-, WALD- UND LANDWIRTSCHAFTLICHE FLÄCHEN ERHALTEN UND NEUE ANLEGEN
HANDLUNGSFELD: Grün-blaue Infrastrukturen
- BAUSTEIN 1: GRÜN AN UND AM GEBÄUDE
- BAUSTEIN 2: ENTSIEGELUNG VON FLÄCHEN IM ÖFFENTLICHEN RAUM
- Maßnahme: Nutzungsänderung von Flächen, z. B. Entsiegelung des Ehrenhofs des Schlosses, Entsiegelung von Pkw-Stellplätzen, Begrünung von Schulhöfen, Begrünung von Brachflächen, Förderung von Urban Gardening
- BAUSTEIN 3: WASSER IN DER STADT
- Maßnahme: Schwammstadt Mannheim; durch Entsiegelung und mehr Grünflächen werden Möglichkeiten geschaffen, damit Regenwasser ober- und unterirdisch zurückgehalten werden kann; beugt außerdem der Ausbreitung von Hitzeinseln vor und ermöglicht die Speicherung von Kohlenstoff in Böden
HANDLUNGSFELD: Mobilität
- BAUSTEIN 1: MOTORISIERTE VERKEHRE VERMEIDEN
- Maßnahme: Abbau der Privilegien des motorisierten Individualverkehrs, indem z. B. finanzielle Anreize für den Verzicht auf das Auto geschaffen werden, Pkw-Mobilität mit einer Citymaut bepreist wird, Parkgebühren erhöht werden, das Bewohnerparken in Anlehnung an Anzahl, Größe und Motorisierung der Fahrzeuge im Haushalt neu strukturiert wird sowie Tarife pro Fahrzeug mit steigendem Pkw-Besitz steigen
- BAUSTEIN 2: MOTORISIERTE VERKEHRE VERLAGERN
- Maßnahme 1: Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf den ÖPNV, indem Taktung und Reisegeschwindigkeit erhöht werden, die Anbindung der Stadtrandlagen und der Nachbargemeinden verbessert wird und attraktive ÖPNV-Tarife geschaffen werden
- Maßnahme 2: Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf Fahrrad und Zufußgehen durch verbesserte bestehende Wege, Neuanlage in Netzlücken, Grüne Welle für Radfahrer, Wartestangen an Ampeln für Radfahrer
- Maßnahme 3: Autoarme Innenstadt
- BAUSTEIN 3: WIRTSCHAFTSVERKEHRE REDUZIEREN UND EFFIZIENTER ERBRINGEN
- Maßnahme: Geschwindigkeitsreduzierung im Straßennetz (Tempo 30 auf allen Straßen im Stadtgebiet)
So bewerten beteiligte Akteure die Handlungsfelder
IHK Rhein-Neckar
Unsere Unternehmen und unsere Organisation sind wichtige Treiber der ökologischen Transformation, beispielsweise beraten wir Betriebe zur besseren Energieeffizienz. Als Selbstverwaltung der Wirtschaft ist uns als IHK zusammen mit unseren Mitgliedsunternehmen die Beteiligung am Klimaschutzaktionsplan sehr wichtig. Es ist daher nicht sachgerecht, dass die Handwerkskammer und wir mit je nur einer Stimme im Lenkungskreis vertreten sind, die Umweltgruppen indes mit fünf. Daher war es uns nicht möglich, uns am Votum des Lenkungskreises zu beteiligen. Im Übrigen wurden wir auch erst auf Nachfrage in den Lenkungskreis eingebunden.
Ein Schwerpunkt des Klimaschutzaktionsplans müsste auf einem möglichst schnellen Ausbau erneuerbarer Energien sowie der Schaffung ausreichender Leitungen für den Transport grüner Energie in die Region liegen. Unsere Stromstudie wird dazu im Oktober konkret angeben, welches Potenzial zur Erzeugung erneuerbarer Energien auf Stadt- und Landkreisebene vorhanden ist. Mannheim sollte sich auf realistische und ökonomisch sinnvolle Maßnahmen konzentrieren. Einsparungen, die im Rahmen des EU-Zertifikate-Handels nur zu Verlagerungen von Emissionen führen, sind nicht sinnvoll. Insgesamt wird sich zeigen, ob ein Industriestandort wie Mannheim in so wenigen Jahren ohne Wohlstandsverluste klimaneutral gestaltet werden kann.
Es müssen alle Beteiligten und insbesondere die Unternehmer emotional mitgenommen werden, damit sie den Klimaschutzaktionsplan mittragen. Der bisherige Entwurf spricht beispielsweise pauschal von einer „Reduktion der Wirtschaftsverkehre“. Das erweckt den Anschein, dass Wirtschaft reduziert und nicht – wie eigentlich notwendig – Emissionen reduziert werden müssen. Angesichts der Tragweite des Klimaschutzaktionsplans geht in jedem Fall Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Eine Kosten-Nutzen-Bewertung und eine Priorisierung der Maßnahmen sind unabdingbar, bevor die Vorlage in den Gemeinderat geht.
Handwerkskammer
Die Handwerkskammer unterstützt die Planung der Stadt, mit dem Klimaschutzaktionsplan Mannheim zukunftsfähig aufzustellen. Zahlreiche Themenfelder haben einen direkten Bezug zum Handwerk oder sind ohne das Handwerk nicht umsetzbar. Manche vage formulierte Zielvorgabe muss allerdings mit Augenmaß angegangen werden, um die Mitwirkenden des Prozesses auf dem Marathon bis zum erfolgreichen Abschluss mitzunehmen.
Bei der Nutzung klimaneutral erzeugter Energie beispielsweise zeigt sich das Problem der Umsetzbarkeit, da zahlreiche Unternehmen in Gebäuden zur Miete sind und somit die Umsetzung am Eigentümer hängt. Die Verteuerung des geringer werdenden Parkraums zur Reduzierung des Individualverkehrs darf ferner nicht zu Lasten der Gewerbetreibenden gehen. Neben der Erreichbarkeit der Handwerksbetriebe für Kunden ist auch die Möglichkeit der problemlosen Anlieferung ein entscheidendes Merkmal für die Standortattraktivität. Die Nutzung der Sonnenenergie wird häufig nur auf die Photovoltaik begrenzt gesehen, dabei bietet sich über die Solarthermie ebenfalls ein großes Potenzial. Das online verfügbare Dachflächenkataster des Landesumweltamts Baden-Württemberg gibt einen ersten Eindruck auf den theoretischen Energieeintrag.
Gewerkschaftsbund DGB
Die Gewerkschaften unterstützen zahlreiche Maßnahmen des Klimaschutzaktionsplans, aber…
Sowohl das Fachkräftepotenzial als auch die Materialbeschaffung stellen derzeit eine Schwierigkeit dar. Ohne hier zielführende Lösungen zu haben, wird beispielsweise die geplante Photovoltaik-Offensive an externen Faktoren scheitern.
Es sollte alles versucht werden, das Grosskraftwerk Mannheim (GKM) auch künftig zu nutzen. Da eine Kohleverstromung ausgeschlossen ist, muss geprüft werden, welche Optionen es für einen Umbau geben kann.
Sowohl die Möglichkeiten als auch die Bereitschaft der Mannheimer Betriebe zur Steigerung von Energieeffizienz und der vermehrten Nutzung erneuerbarer Energien sind sehr unterschiedlich. Deshalb wäre die Schaffung einer Anreiz- und Sanktionierungskultur geboten – unter der Voraussetzung, immer auch die sozialen Auswirkungen für die Betriebe mit zu berücksichtigen.
Die Weiterentwicklung von Industrie und Gewerbe als zentrale Sektoren für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen dürfen durch die entstehenden Flächenkonkurrenzen nicht unmöglich gemacht werden. Bei der „Bevorzugung klimaschonender Verkehrsmittel bei der Zuweisung von Verkehrsflächen“ müssen zudem die Voraussetzungen geschaffen sein, dass Pendler ihre Arbeitsplätze ohne großen Mehraufwand erreichen können, sofern das Auto nicht mehr genutzt werden kann.
Es besteht die dringende Forderung, die Maßnahmen zur Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs durch den Aufbau belastbarer ÖPNV-Netze mit den Nachbarkommunen (auch der weiter entfernten) vorzubereiten.
BUND
Das Ziel Null-Flächenwachstum bis 2030 geht nicht weit genug. Zum einen ist zu befürchten, dass im verbleibenden Zeitraum noch weiterhin Flächen versiegelt werden. Zum anderen sollte nicht nur ein Nullwachstum bei der Neuversiegelung von Flächen angestrebt, sondern es sollten Maßnahmen zur Renaturierung bereits versiegelter Flächen eingeleitet werden.
Grundsätzlich liegen hier zahlreiche Konfliktfelder, bedingt durch die große Vielfalt an Nutzungen und Leistungen einer Großstadt, den anhaltenden Zuzug in Städte und den damit einhergehenden Wohnraumbedarf. Die aktuellen Bevölkerungsprognosen der Stadt Mannheim deuten einen langfristigen Bedarf an weiterem Wohnraum an, für den auch Flächen jenseits der ehemaligen Militärbereiche benötigt werden könnten. Daher dürfen weitere Neubauvorhaben auf bisher unversiegelten Flächen nicht mehr genehmigt werden.
Der Klimaschutzaktionsplan fordert den Ausbau und Erhalt urbaner Grünflächen, außerdem die Nutzung von Brachflächen und Baulücken. Am jüngsten Beispiel der geplanten Bebauung des Friedrichsparks durch die Universität zeigt sich die typische Großstadtproblematik bei der konkreten Einhaltung dieser Zielsetzung. Wollte die Universität zunächst fünf Gebäude errichten, wurde in einem Dialogprozess mit vielen Akteuren ein Kompromiss ausgehandelt und die Zahl der Gebäude auf drei reduziert. Allerdings bedurfte es eines breiten bürgerschaftlichen Engagements, um Verhandlungen in diese Richtung auf den Weg zu bringen.
Klimagruppen
Der Mannheimer Klimaschutzaktionsplan sieht ein Einsparungspotenzial von 21,2 Millionen Tonnen CO2 vor – mehr als der Stadt im Rahmen des Pariser Klimaabkommens zustehen. Laut diesem verfügt Mannheim ab 2020 über ein lokales Restbudget von 16,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid, um einen gerechten Beitrag zur Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels, auf das die Erderwärmung begrenzt werden soll, zu leisten.
Darüber hinaus werden für alle Maßnahmen – wenn überhaupt – nur Einsparpotenziale zum Zeitpunkt 2030 beschrieben. Also wie viele Tonnen CO2 im Jahr 2030 im Vergleich zu 2018 eingespart werden können. Was fehlt, ist der Reduktionspfad. Denn das Ziel in 2030 zu erreichen, bedeutet nicht, innerhalb des noch verbleibenden Restbudgets an CO2 zu bleiben. Das Monitoring sieht keine Zwischenziele und Steuerungsmechanismen vor, die greifen, sobald ein Zwischenziel nicht erfüllt ist. Ohne diese konkreten, mit Zahlen beschriebenen Zwischenziele kann der gesamte Prozess nicht gesteuert werden. Es bleibt dann Glückssache, ob Maßnahmen erfolgreich sind oder eben auch nicht.
Die Maßnahmen selbst sind in ihrer Qualität nicht das Problem. Die zügige politische Umsetzung ist das Entscheidende! Ob es um die Sanierung des Baubestands, Windkraft auf der Friesenheimer Insel oder die autofreie Innenstadt geht – durch eine Verzögerung der Maßnahmenumsetzung verlieren wir jeden Tag Zehntelgrade und verschärfen die Klimakrise.
Bündnis Fahrradstadt
Die im Radverkehr geplanten Ziele und Maßnahmen sind unzureichend. Der Radverkehrsanteil im Modal Split vergleichbarer südwestdeutscher Städte (wie Karlsruhe, Freiburg, Konstanz oder Heidelberg) liegt bereits bei 33 bis 36 Prozent. Daher ist es vollkommen inakzeptabel, dass Mannheim von derzeit nur 20 auf 26 Prozent im Jahr 2030 kommen möchte. Eine Radverkehrsquote von einem Viertel statt einem Drittel würde bedeuten, dass die Stadt die Zielmarke, die sie eigentlich schon 2020 erreichen wollte, nun auf das Jahr 2030 verschiebt.
Im Entwurf des Klimaschutzaktionsplans wird zwar erkannt, dass in Mannheim auf kurzen Strecken unter drei Kilometer häufig das Auto genutzt wird. Viel entscheidender ist jedoch, dass in Mannheim das Fahrrad auf allen Wegestrecken zwischen ein und zehn Kilometer seltener genutzt wird als in Städten vergleichbarer Größe und Topographie. Der KSAP übersieht, was gutachterlich im Masterplan Mobilität wenigstens angedeutet wurde: „Offenbar sind Wege über die Grenzen des eigenen Stadtquartiers mit dem Rad schwierig“. Das heißt, in Mannheim fehlen zügig befahrbare Hauptrouten in einem intelligent gestalteten Radverkehrsnetz. Da diese analytische Perspektive fehlt, werden nur unspezifische Forderungen erhoben und die Fehler der letzten beiden Jahrzehnte wiederholt: Allgemeinplätze wie „Verbesserung bestehender Wege“ und nur „Neuanlage dort, wo Netzlücken bestehen“ meinen nichts anderes als „Weiter so!“
Auffällig ist insbesondere, dass es sich überwiegend um Maßnahmen handelt, die im Vergleich zu großen Infrastrukturveränderungen wie Netzausbau, Radschnellwege, Brücken, Unterführungen eher wenig kosten sollen. Eine klimagerechte Verkehrswende erfordert aber wirksame und damit häufig größere Investitionen; bis zum Ende des Jahrzehnts werden mindestens 250 Millionen Euro an Investitionen notwendig sein.
Stadt Mannheim
Vor dem Hintergrund der kommunalen Vorbildfunktion haben sich insbesondere städtische Einrichtungen das ambitionierte Ziel Klimaneutralität bis 2030 gesetzt.
Eine Top-Maßnahme ist die Sanierung der kommunalen Gebäude. Rund 60 Prozent des Gebäudebestands sind bisher nicht energetisch saniert, weshalb hier ein großes Potenzial liegt, den Energiebedarf zu senken. Für 145 von insgesamt 336 Gebäuden der Stadt Mannheim wird aktuell ein Sanierungsfahrplan erarbeitet, mit dem die Sanierungsrate von derzeit ein Prozent auf zwei Prozent gesteigert werden soll. Auf diese Weise wären im Jahr 2030 rund 16 Prozent der städtischen Liegenschaften saniert. Das Theoriemodell des Klimaschutzaktionsplans legt zur Zielerreichung Klimaneutralität eine Sanierungsrate von vier Prozent fest. Angesichts der Umstände durch begrenzte finanzielle Mittel, Fachkräftemangel sowie Rahmenbedingungen auf Landes, Bundes und europäischer Ebene ist eine Sanierungsrate von vier Prozent sehr ambitioniert.
Eine weitere Top-Maßnahme ist die Klimaneutralität im Neubau. Grundsätzlich sollte eine Sanierung von Bestandsgebäuden einem Neubau vorgezogen werden, da Bau, Rückbau und Entsorgung immer auch CO2-Emissionen freisetzen. Sollte ein Neubau notwendig sein, muss der Bau und Betrieb des Gebäudes energie- und ressourceneffizient sein. Hier sollen Standards für die Errichtung kommunaler Gebäude entwickelt werden, wie beispielsweise die Verwendung von recycelten Baustoffen, den Energiestandard oder die Kreislauffähigkeit der verwendeten Materialien. Auch das Beschaffungswesen (Ausstattung der Arbeitsplätze, Bürobedarf, Lebensmittel in Kantinen) soll nachhaltig gestaltet werden. Hier werden die Beschaffungskriterien überarbeitet und um soziale und ökologische Nachhaltigkeit sowie Klimaneutralität mit einer Gewichtung von 30 Prozent ergänzt. Dadurch werden künftig Waren und Dienstleistungen mit geringerem CO2-Abdruck eingekauft. Der gesamte Fuhrpark wird dekabonisiert. Das heißt: Umstellung auf E-Mobilität, generell reduzierter Einsatz von Dienstwagen, wo möglich, sollen Wege zu Fuß, per Fahrrad oder Pedelec zurückgelegt werden.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Klimaschutz geht nicht ohne Städte wie Mannheim