Mannheim. Geschafft: Mannheims Bewerbung als EU-Modellstadt in Sachen Klimaschutz war erfolgreich – ebenso wie die aus Heidelberg. Und was heißt das nun? Ein Überblick.
Was hat Mannheim davon, ausgewählt worden zu sein?
Das ist gar nicht so leicht zu sagen – und wird sich womöglich erst in den kommenden Jahren herausstellen: Denn die Stadt bekommt jetzt nicht einfach einen hohen Förderbetrag zur Umsetzung ihrer Klimaschutzziele. Stattdessen wird sie von der EU praktisch an die Hand genommen und unterstützt – durch Beratungen, einen leichteren Zugang zu Fördermitteln und indem sie das offizielle Siegel „Modellstadt“ tragen darf, das weitere Kooperationen mit lokalen Akteuren, aber auch mit Bund und Land erleichtern soll.
Diese 100 Modellstädte in der EU sollen bis 2030 klimaneutral werden
- Belgien: Antwerpen, Brüssel, La Louvière, Löwen
- Bulgarien: Gabrowo, Sofia
- Dänemark: Aarhus, Kopenhagen, Sonderburg
- Deutschland: Aachen, Dortmund, Dresden, Frankfurt/Main, Heidelberg, Leipzig, Mannheim, München, Münster
- Estland: Tartu
- Finnland: Espoo, Helsinki, Lahti, Lappeenranta, Tampere, Turku
- Frankreich: Angers Bordeaux Dijon Dunkerque Grenoble-Alpes Metropole Lyon Marseille Nantes Paris
- Griechenland: Athen, Ioannina, Kalamata, Kozani, Thessaloniki, Tricca
- Irland: Cork, Dublin
- Italien: Bergamo, Bologna, Florenz, Milan, Padua, Parma, Prato, Rom, Turin
- Kroatien: Zagreb
- Lettland: Liepaja, Riga
- Litauen: Tauroggen, Vilnius
- Luxemburg: Differdingen
- Malta: Gozo
- Niederlande: Amsterdam, Eindhoven/Helmond, Groningen, Rotterdam, Den Haag, Utrecht
- Österreich: Klagenfurt
- Polen: Krakau, Lódz, Rzeszow, Warschau, Breslau
- Portugal: Guimarães, Lissabon, Porto
- Rumänien: Bukarest, Cluj-Napoca, Suceava
- Schweden: Gävle, Göteborg, Helsingborg, Lund, Malmö, Stockholm, Umeå
- Slowakei: Bratislava, Koice
- Slowenien: Kranj, Ljubljana, Velenje
- Spanien: Barcelona, Madrid, Sevilla, Valencia, Valladolid, Vitoria-Gasteiz, Saragossa
- Tschechien: Liberec
- Ungarn: Budapest, Miskolc, Pécs
- Zypern: Limassol
Wie muss man sich das konkret vorstellen?
Die EU erarbeitet nun mit allen ausgewählten Städten einen individuellen, konkreten Fahrplan, wie der Weg zur Klimaneutralität aussehen soll. Dabei wird auf die jeweiligen Besonderheiten der Kommunen eingegangen und auch ein Finanzierungsplan aufgestellt. In diesen Prozess sollen der EU zufolge auch die Bürger sowie lokale Akteure, beispielsweise Unternehmen und Universitäten, eingebunden werden. Am Ende wird dann eine Absichtserklärung stehen, die die EU und die Stadt gemeinsam schließen.
Und zu was soll diese Absichtserklärung gut sein?
Sie ist zum einen die Grundlage für die Umsetzung innerhalb der Stadt – denn ohne die Beteiligung von Einwohnerinen und Einwohnern, Wirtschaft, Forschungseinrichtung – also der gesamten Stadtgesellschaft – wird sich das Ziel nicht realisieren lassen. Zum anderen bildet sie aber auch die Basis für die Abstimmungen zwischen den verschiedenen politischen Ebenen – bei der das Geld eine wesentliche Rolle spielen dürfte. Denn ohne Zuschüsse von EU, Bund und Land kann Mannheim die notwendigen Investitionen sicherlich nicht finanzieren. Immerhin handelt es sich dabei nach Einschätzung von Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) um einen zweistelligen Milliardenbetrag.
Warum ist ausgerechnet Mannheim ausgewählt worden?
Schwer zu sagen: Die EU-Kommission hat stets betont, dass sie nicht einfach die Städte unterstützt, deren Klimaschutzbemühungen schon besonders weit sind. Sondern große und kleinere Städte, solche, die bereits viel getan haben, und solche, die noch große Herausforderungen vor sich haben: also eine breite Vielfalt. Denn es geht nicht nur darum, dass 100 Städte bis 2030 klimaneutral werden: Sie sollen auch Modelle erproben und Innovationen einführen, von denen alle anderen Städte in der EU in den Jahrzehnten danach profitieren und lernen können. Schließlich will die komplette EU bis 2050 klimaneutral sein.
Und was passiert, wenn Mannheim es nicht schafft, bis 2030 klimaneutral zu sein?
Nichts. Denn die Absichtserklärung zwischen EU und der Stadt ist nicht rechtlich bindend.
Was heißt das eigentlich, klimaneutral?
Dass die Stadt als Ganzes nicht mehr klimaschädliches Treibhausgas ausstößt, als sie wieder binden kann, beispielsweise durch Bäume. Da sich jedoch nicht alle Emissionen komplett vermeiden lassen werden, gibt es einen gewissen Spielraum: Maximal 20 Prozent des CO2-Ausstoßes können durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden – indem etwa anderswo Wälder aufgeforstet werden.
Was bedeutet das alles für die Bürgerinnen und Bürger?
Kurzfristig zunächst einmal nicht besonders viel: Niemand müsse nun befürchten, dass seine Gasheizung 2030 zwangsweise abgestellt wird, erklärte Oberbürgermeister Kurz am Donnerstag. Klar sei aber auch, dass die Transformation nun in einem „ganz anderem Tempo stattfinden muss“. Und das werden die Mannheimerinnen und Mannheim in den nächsten Jahren sicherlich spüren. Die ersten Maßnahmen könnten schon ab Sommer beschlossen werden: Dann nämlich soll der Klimaschutzaktionsplan vorgestellt werden, der konkrete Schritte vorschlägt.
Wie hat die Stadt auf die Entscheidung reagiert?
Mit großer Freude, verständlicherweise: „Das ist ein bemerkenswerter Tag für unsere Stadt“, sagte der Oberbürgermeister und betonte „ein Element der Anerkennung“, aber auch „die selbstgewählte Herausforderung, hier besonderes leisten zu wollen und zu müssen“. Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) sprach von einem „wirklich großen Schritt“, der auf dem Weg zur Klimaneutralität wie „ein großer Beschleuniger“ wirken werde. Mit Blick auf den Klimaschutzaktionsplan sagte sie: „Wir werden dadurch sicherlich die Möglichkeit erhalten, die Umsetzung deutlich intensiver voranzubringen.“
Welche Reaktionen gab es aus Heidelberg?
„Ich freue mich sehr, dass die EU-Kommission Heidelberg zur Modellstadt für Klimaneutralität ernannt hat“, sagte Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) einer Mitteilung zufolge. „Wir bauen auf einer guten Grundlage auf: Heidelberg hat sich über Jahrzehnte hinweg mit vielen Netzwerk-Partnern einen Ruf als Umwelt-Hauptstadt erarbeitet und war vor 30 Jahren die erste deutsche Großstadt mit einem kommunalen Klimaschutzkonzept.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die Kür zur EU-Modellstadt ist für Mannheim eine gewaltige Anerkennung!