Mannheim. Enger Zeitplan, hehre Ziele, mangelnder Einblick, fehlende Umsetzungsstrategien, Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit – am Vorgehen der Stadt in Sachen Klimaschutzaktionsplan regt sich Kritik. Nachdem lokale Klimagruppen in der vergangenen Woche ihrem Ärger über die Erarbeitung eines des Plans Luft gemacht haben, äußern sich nun auch andere am Prozess Beteiligte.
Der Klimaschutzaktionsplan 2030, kurz KSAP genannt, gilt als wichtigstes strategisches Vorhaben der Stadt Mannheim, um ihr erklärtes Ziel zu erreichen, bis 2030 klimaneutral zu werden. Ursprünglich sollte dies erst im Jahr 2050 der Fall sein, in einer Gemeinderatssitzung im Sommer wurde aber der Beschluss gefasst, das Ziel auf 2030 vorzuziehen. Die Maßnahmen, die dafür notwendig sind, sollen im Klimaschutzaktionsplan formuliert werden. Nur: Ob das so klappt, daran gibt es Zweifel. IHK-Präsident Manfred Schnabel kritisiert in einer schriftlichen Stellungnahme: „Es liegt derzeit nicht mehr als eine Ideensammlung auf dem Tisch.“ Schnabel sitzt als Vertreter der Wirtschaft im sogenannten Lenkungskreis, der neben anderen Projektgruppen – mehreren Strategiegruppen sowie einem Bürgerrat aus zufällig ausgewählten Mannheimerinnen und Mannheimern – den Aktionsplan ausarbeiten soll. Auch Gemeinderäte, Vertreter der Stadtverwaltung, Gewerkschafter, Klimagruppen, der Mieterverein sind an dem Prozess beteiligt.
Fragezeichen gibt es auch bei der Finanzierung. „Wenn ich Heizungen stilllegen oder klimaneutral umgestalten will, brauche ich dafür Geld, ich muss finanzielle Anreize für die Bürger schaffen“, erklärt der CDU-Fraktionsvorsitzende Claudius Kranz. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sei ebenfalls kostenintensiv. Der Mannheimer IG-Metall-Chef Thomas Hahl rückt die Mitarbeitenden, etwa des Großkraftwerks Mannheim, das in ein paar Jahren vor der Schließung steht, in den Mittelpunkt: „Was passiert mit den Beschäftigten?“
Konkrete Zahlen fehlen
Auf der anderen Seite sei fraglich, ob es überhaupt genug Handwerker gebe, um in wenigen Jahren die erforderlichen klimatechnischen Umbauten, etwa bei Dämmung und Solardächern, vorzunehmen. Die Fraktionsvorsitzende der FDP, Birgit Reinemund, bemängelt derweil das Vorliegen konkreter Zahlen zum Kohlendioxidausstoß der Stadt. „Um Erfolge messen zu können, fehlt nach wie vor eine vollständige aktuelle CO2-Bilanz für die gesamte Stadt weit über die Bereiche Verkehr und Energie hinaus.“
Es geht auch um eine EU-Mission
Kopfzerbrechen bereitet manchen Beteiligten zudem eine Verquickung von zwei Themen – so geht es bei dem ganzen Vorhaben nicht nur um den Klimaschutzaktionsplan, sondern auch um die EU-Mission „100 klimaneutrale und smarte Städte“. Mannheim will nämlich eine davon werden und sich für die Mission bewerben. Der Fragebogen muss bis zum 31. Januar der EU vorgelegt werden, die Entwicklung des Klimaschutzaktionsplans bildet eine wichtige Grundlage für die Bewerbung. „Jede Initiative für sich, vor allem aber die Kombination von beiden, wirft eine Reihe von sehr komplexen und schwerwiegenden Fragen auf“, meint IHK-Präsident Schnabel. Des Weiteren lägen derzeit keine ausreichenden Informationen vor, um bewerten zu können, welche Chancen und Risiken sich aus der Teilnahme am EU-Projekt ergeben. Selbst das Wuppertal-Institut, das die Stadt beim Klimaschutzaktionsplan berate, habe „erhebliche Zweifel“, ob eine weitgehende Klimaneutralität in einer Industriestadt wie Mannheim unter realistischen Annahmen bis 2030 zu erreichen sei. Das Wuppertal Institut, eine Denkfabrik im Bereich Nachhaltigkeitsforschung, wurde von der Stadt im Frühjahr dieses Jahres beauftragt, die Erstellung des Klimaschutzaktionsplans zu begleiten und zu moderieren.
Umwelt-Bürgermeisterin Diana Pretzell räumt im Gespräch mit dieser Redaktion ein, dass es noch viele offene Fragen gebe. „Ich verstehe die Ungeduld und bin selbst ebenso ungeduldig“, sagt die Grünen-Politikerin. Umso mehr lobt sie das große Engagement der am Prozess beteiligten Gruppen. „Was uns eint, ist, dass wir das Umsetzbare möglichst schnell und sicher auf dem Tisch haben wollen.“
Zugleich betont sie, dass sowohl der Klimaschutzaktionsplan als auch die Bewerbung bei der EU-Mission eine große Chance für die Stadt Mannheim darstellten. Das Ziel, die Klimaneutralität bis 2030 zu erreichen, bezeichnet sie als ambitioniert. Aber: „Wir müssen uns auf den Weg machen, das sind wir unserer Stadt und besonders der jungen Generation schuldig.“ Klar sei allerdings, dass die Kommunen die Herausforderungen des Klimawandels nicht allein stemmen könnten. „Wir benötigen Förderinstrumente der EU, des Bundes und der Länder, eine Ausbildungsoffensive im Handwerk und weitere technische Innovationen.“
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