Mannheim. Energiekrise? Welche Energiekrise? Olivia Bonesteel lächelt. „Wir machen uns darum keine Sorgen“, sagt sie. „Bis jetzt haben wir noch nichts davon bemerkt.“ Das liegt zum einen daran, dass die dreiköpfige Familie kein Auto mehr hat. Viel wichtiger ist jedoch etwas anderes: Die 27-Jährige wohnt mit Töchterchen Thea und Mann Finian in einem ganz besonderen Haus.
Es heißt „Square next“, steht in Mannheims jüngstem Stadtteil Franklin und ist ein Vorzeigeprojekt beim Thema Energie sparen. So kommt es, dass die Bonesteels für ihre 78 Quadratmeter große Drei-Zimmer-Wohnung gerade mal 40 Euro Heizkosten pro Monat bezahlen. Die Voraussetzungen dafür hat ihre Vermieterin geschaffen, die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG. Sie hat die speziellen Bedingungen auf dem früheren US-Army-Gelände genutzt, um ein Experiment zu wagen.
Geld kam von der EU
Zwei bestehende, nahezu baugleiche Häuser mit je 24 Wohnungen hat sie auf unterschiedliche Arten sanieren lassen: einmal nach den gängigen Standards; und einmal, vereinfacht gesagt, mit allem energieeffizienten Drum und Dran, so dass „Square next“ nahezu einem Passivhaus entspricht. Darum gibt es dort beispielsweise dreifach verglaste Fenster, eine dicke Dämmschicht, großflächige, spezielle Photovoltaikmodule und zum Heizen ein Wärmepumpensystem samt Eisspeicher.
Ziel des rund 20 Millionen Euro teuren Modellprojekts, das von der EU mit drei Millionen Euro unterstützt wird: herauszufinden, wie Bestandsimmobilien energieeffizient und nachhaltig umgebaut werden können, wie viel klimaschädliches CO2 sich dadurch sparen lässt und wie sich das Ganze auf die Betriebskosten auswirkt. Drei Jahre lang, also bis Ende 2023, werden dazu die Daten gesammelt und ausgewertet. „Sehr interessant“ fanden Olivia Bonesteel und ihr Mann das Vorhaben, als sie sich vor zwei Jahren entschlossen haben, aus ihrer Wohnung in Ilvesheim auszuziehen. Das entscheidende Kriterium für die neue Wohnung auf Franklin sei das jedoch nicht gewesen, sagt sie. Inzwischen weiß sie die Vorteile aber zu schätzen – und ist damit nicht allein: „Vor allem meine Mutter ist voll begeistert von dem Ganzen.“
Auch Gregor Kiefer, Bereichsleiter Baumanagement bei der GBG, gibt zu, dass er das Pilotprojekt zwar schon immer „ganz interessant“ fand. Im Zuge der jüngsten Entwicklungen habe dessen Bedeutung aber nochmals erheblich zugenommen. Zumal erste Untersuchungen darauf hindeuteten, dass die erhofften Effekte tatsächlich eintreten. Zwar sind die vorläufigen Zahlen noch mit Vorsicht zu genießen, weil nicht von Anfang an alle Wohnungen in „Square next“ vermietet waren. Ein erster Zwischenbericht hat jedoch ergeben, dass das aufwendiger sanierte Haus im Vergleich zu seinem Zwillingsbruder mehr als 60 Prozent weniger Energie verbraucht und die CO2-Emissionen ebenfalls um mehr als 60 Prozent niedriger sind.
Auch die Strombilanz kann sich Kiefer zufolge sehen lassen: Zwar brauche das Vorzeigeobjekt an manchen Tagen noch Strom aus dem Netz. Dafür erzeuge es an anderen mehr als es selbst nutze – so dass die Bilanz aufs ganze Jahr gerechnet fast ausgeglichen sei.
Betriebswirtschaftlich ist man davon jedoch noch ein ganzes Stück entfernt, berichtet der GBG-Bereichsleiter – selbst bei den aktuell sehr hohen Energiepreisen: Die ganze Technik samt der notwendigen Wartungen seien noch zu teuer, um die Kosten alleine über die Mieten finanzieren zu können.
Auf Franklin ist vieles neu
Auch ansonsten läuft noch nicht alles rund, erzählt Olivia Bonesteel. Im vergangenen Sommer sei die Kombination aus Dämmung und Lüftungsanlage eher ein Fluch als ein Segen gewesen: „Wir hatten bis zu 27 Grad in der Wohnung. Das war teilweise ganz schlimm.“ Manche ihrer Nachbarn, berichtet sie, seien von den Tücken des Gebäudes sogar so genervt gewesen, dass sie auszogen. Bonesteel selbst fühlt sich dagegen wohl und versteht, dass es sich eben um ein Modellprojekt handelt: „Es funktioniert nicht immer alles so, wie es soll. Da muss dann halt dran gefeilt werden.“
Dieses Motto könnte man vermutlich auf den gesamten Stadtteil übertragen. Denn auf Franklin ist vieles neu und manches anders. Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und eine andere Form der Mobilität haben bei der Entwicklung des Quartiers eine große Rolle gespielt, berichtet Anne Pieper, die Leiterin des Planungs- und Baubereichs bei der städtischen Entwicklungsgesellschaft MWSP.
Das Ergebnis: ein Fernwärmenetz mit relativ niedrigen Temperaturen, Solaranlagen auf zwei Dritteln aller Dächer, wenig Parkplätze, dafür viel Platz für Fußgänger und Radfahrer sowie Leihfahrzeuge. Und neben „Square next“ noch etliche andere energieeffizienten Gebäude, beispielsweise von Evohaus. Olivia Bonesteel ist also nicht die Einzige, die sich auf Franklin relativ wenig Sorgen wegen der Energiekrise machen muss.
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