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Wie Arbeitsrichterin Sima Faggin "Volkes Stimme" hörte

Welche Ferienjobs haben einst den Geldbeutel gefüllt? Die Mannheimer Arbeitsrichterin Sima Faggin arbeitete in den Schulferien in der Bäckerei und im Gemüseladen. Als Jurastudentin saß sie dann am Telefon - und lernte viel

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Für 15 Mark pro Stunde führte Sima Faggin als Studentin Telefonate für die Forschungsgruppe Wahlen. © Sebastian Koch

Mannheim. Der Wähler gilt als unbekanntes Wesen. Und dem hat sich Arbeitsrichterin Sima Faggin zwei Jahre lang genähert - am Telefon. Während ihres Studiums an der Mannheimer Universität arbeitet sie während der Semesterferien, und nicht nur dann, bei der Forschungsgruppe Wahlen. „Es war faszinierend, Volkes Stimme zu hören“, blickt die 52-Jährige zurück, die wiederum im Namen des Volkes Urteile verkündet.

Ihr allererster Ferienjob ist freilich weniger interessant: „Ich habe bei der Bäckerei Grimminger an den Planken die Tische abgeräumt und sauber gemacht.“ Damals heißt sie noch Maali - ein persischer Name. Ihr Vater stammt nämlich aus dem Iran. Nach dem Medizinstudium in Deutschland hatte der Gast-Student eigentlich zurückgewollt - blieb aber der Liebe wegen und arbeitete zunächst im Theresienkrankenhaus, später in Lorsch. Die Tochter bedauert, nur einige Worte Farsi zu kennen.

Sima Faggin ist Richterin am Arbeitsgericht Mannheim © Sebastian Koch

Interviews am Telefon: Sich nicht abwimmeln zu lassen, ist die größte Herausforderung

Bei ihrem zweiten Ferienjob in einem Gemüseladen lernt sie, dass sich ausländische Sorten wie Aubergine oder Zucchini auch kurpfälzisch aussprechen lassen. Und bis heute weiß sie, wie viele mittelgroße Tomaten in eine Papier-Spitztüte passen. Nach dem Abi am „Tulla“ - „dort habe ich in der Unterstufe noch Peter Kurz als Schülersprecher erlebt“ - beginnt Sima Maali im Wintersemester 1989/90 Jura zu studieren und hört, dass die von wissenschaftlichen Mitarbeitern der Mannheimer Fakultät für Sozialwissenschaften gegründete Forschungsgruppe Wahlen Freie für Interviews sucht: „15 Mark pro Stunde - damals eine sehr gute Bezahlung.“ Die Arbeitsrichterin erzählt, wie sie in einem Telefonstudio nahe Tattersall mit Kopfhörer und Mikrofon vor einem kleinen Monitor gesessen und die darauf erscheinenden Fragen zu Wahlen oder bestimmten Gesellschaftsthemen vorgelesen hat.

Sich nicht abwimmeln zu lassen, ist die größte Herausforderung. Auf die Standardausrede, gerade keine Zeit zu haben, reagiert sie mit dem Vorschlag: „Darf ich morgen wieder anrufen?“ Das habe erstaunlich häufig geklappt. Wie später in arbeitsgerichtlichen Konflikten hat sie es mit höchst unterschiedlichen Menschen zu tun. „Misstrauische ließen sich von der Seriosität der Befragung überzeugen, wenn ich auf das im ZDF ausgestrahlte Politbarometer verwies.“

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Zu ihren Lernerfahrungen gehört: Beim Zufall wird nichts dem Zufall überlassen - jedenfalls, wenn dieser repräsentative Ergebnisse gewähren soll. Deshalb werden die Haushalte über einen Zufallsgenerator aus Telefonbüchern „gefischt“. Außerdem gehört zur Methodik, dass immer nur diejenige Person befragt wird, die von den Wahlberechtigten im Haushalt als letzte Geburtstag hatte. „Die Frage, wer das ist, hat oft für Verwirrung gesorgt.“

Welchen Ferienjob haben Sie gemacht?

  • In unserer Serie erzählen bekannte Mannheimerinnen und Mannheimer, mit welchen Ferienjobs sie sich früher etwas dazuverdient haben. Wie sieht’s bei Ihnen aus?
  • Waren Sie Golfballtaucher im Golfclub, Rikschafahrer auf den Planken oder Security bei Heimspielen des SV Waldhof? Wenn auch Sie ungewöhnliche Ferienjobs oder dabei kuriose Erlebnisse hatten, schreiben Sie uns Ihre Anekdoten an lokal@mamo.de. Wir freuen uns auch über mitgeschickte Fotos.

 

Überhaupt muss die Jura-Studentin bei Interviews so manches anschaulich erklären - was ihr später hilft, sich auch bei Verhandlungen klar auszudrücken. Außerdem dämmert ihr, dass es mit der politischen Eigen-Einschätzung so eine Sache ist: „Manche gaben CDU-Politikern gute Noten, stuften sich aber als eher links ein. Das Ganze auch umgekehrt.“

Und was hat die Arzttochter motiviert, Recht zu studieren? „Ich wusste schon mit zwölf, dass ich Juristin werden wollte.“ Ein im Haus wohnender Anwalt habe sie tief beeindruckt - auch dessen Ehefrau, eine Pianistin. Und zur Arbeitsgerichtsbarkeit sei sie über ihre Begeisterung fürs Theater gekommen. Gezielt hat sie als Referendarin den Deutschen Bühnenverein, gewissermaßen auch Arbeitgeberverband, als Wahlstation gewählt.

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Spannender Prozess um Babybett

Jahre später wird ihr spannendster Prozess, der Babybettchen-Fall, für Schlagzeilen sorgen. Die von Sima Faggin am Mannheimer Arbeitsgericht geleitete Kammer erklärt 2009 die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters einer Entsorgungsfirma als unverhältnismäßig. Der Vater von zwei kleinen Kindern hatte ein zum Verschrotten vorgesehenes Reisebettchen für sich aussortiert - was das Unternehmen als Diebstahl wertete. Bleibt noch nachzutragen, dass die Arbeitsrichterin längst einen italienischen statt persischen Nachnamen trägt - schließlich ist ihr Ehemann und Vater der zwei gemeinsamen erwachsenen Kinder gebürtiger Südtiroler.

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