Mannheim. Das Thema sei sonst wirklich „furztrocken“, sagt Sänger Rolf Stahlhofen. Wenn er das sagt, hat es eine besondere Bedeutung. Der Mitbegründer der „Söhne Mannheims“ ist doch weltweit für die UN und seine Stiftung „Water is Right“ unterwegs, um dafür zu kämpfen, dass mehr Menschen leichter Zugang zu sauberem Trinkwasser bekommen. Auf der Bundesgartenschau fließt das Wasser an einer Stelle aus zwei riesigen, in der Luft schwebenden Wasserhähnen. An dieser Stelle, einem der 17 Nachhaltigkeitsgärten, sollen die Besucher kurz nachdenken, woher eigentlich unser Wasser kommt.
„Ich freue mich als Mannemer, dass die das hier machen“, sagt Stahlhofen, als er in diesem speziellen Garten steht und einen Wasserkanister hochhebt. Die stehen dort als Einladung, sie mal zu tragen. In einigen afrikanischen Ländern müssten Frauen solch eine Menge oft über Kilometer hinweg schleppen, oft auf dem Kopf. „Das wird hier alles ganz charmant erklärt, das ist schon toll“, findet Rolf Stahlhofen.
17 Nachhaltigkeitsziele der UN
Genau das ist das Ziel von Fabienne Willmann, die mit Inge Maisch diese 17 Anlagen konzipiert hat. Schließlich wolle die Mannheimer Bundesgartenschau „den Besuchern nicht nur Blumen, Veranstaltungen und einen schönen Tag bieten, sondern auch Denkanstöße, ja durchaus etwas provozieren“, sagt Buga-Geschäftsführer Michael Schnellbach. Dazu dient die teils gärtnerische, teils künstlerische Umsetzung der 17 „Sustainable Development Goals“ (SDGs), sprich der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.
„Mit dem Begriff wird ein Großteil der Besucher nichts anfangen können“, räumt Schnellbach ein. „Wir schaffen das nur über Bilder“, war Projektleiterin Fabienne Willmann daher schnell klar. Denn große Bedeutung hätten diese 17 Ziele. „Immerhin haben sich schon 2015 alle 193 Länder der Vereinten Nationen auf diese Ziele verständigt – keiner hat dagegen gestimmt“, ergänzt Inge Maisch, die Kuratorin des Projekts. Umgesetzt werden sollen sie bis 2023. „Das schafft man nur, wenn die Ziele bekannter werden und sich die Menschen mit den Themen auseinandersetzen“, ist Landschaftsarchitektin Willmann überzeugt.
Auf dem gesamten Experimentierfeld auf dem Spinelli-Gelände hat sie daher 17 jeweils 100 Quadratmeter umfassende, von Hainbuchenhecken eingerahmte Gärten angelegt. Die Gestaltung übernahmen Inge Maisch, vier Landschaftsarchitektur-Büros und Partner – wie etwa Rolf Stahlhofens Stiftung, aber auch Universitäten, Ministerien und Künstler. Einen wichtigen Beitrag leistete zudem die BASF als Sponsor.
"Ein Ort der Hoffnung"
So seien „kleine Diamanten“ entstanden, wie Willmann die oft kreative, manchmal ungewöhnliche, bildhaft zugespitzte Umsetzung der Zukunftsthemen nennt. Immer gibt es neben Informationstafeln zusätzliche Angebote für Kinder. Einmal sind sie eingeladen, sich hinzusetzen, einen Kopfhörer aufzusetzen und – von Schauspielern des Nationaltheaters vorgelesenen – Geschichten zu lauschen. „Wissen verleiht Flügel“ lautet dazu das Motto der Installation mit an Drahtseilen befestigten Wolken, die das Ziel „Bildung für alle“ symbolisieren.
Bei einem Garten müssen sich Besucher tief bücken – die meisten zumindest: Schwerlastregale begrenzen den Zugang auf einer Höhe von 1,70 Metern. „Hier müssen sich die Leute mal ducken – ein Denkanstoß“, sagt Willmann. Thematisiert werden in dem Garten Diskriminierung sowie Ausbeutung von Frauen und Mädchen und Gewalt gegen sie. „Total mutig“ findet es Nazan Kapan, die Leiterin des Mannheimer Frauenhauses, im Rahmen einer Bundesgartenschau so etwas zu thematisieren. „Aber es ist auch total richtig, denn es ist ein weltweites Problem“, mahnt sie. Und um ein Zeichen der Hoffnung zu setzen, wächst mitten in dem Gärtchen ein Baum. Damit sei die Stelle auch „ein Ort der Hoffnung“, so Kapan. Das gilt indes nicht für alle der Nachhaltigkeitsgärten.
In einem hängt eine einzige Jeans – umgeben von lauter Wasserkisten, und zwar genau 888 mit Platz für je neun Flaschen. Zur Produktion einer einzigen Jeans werden nämlich durchschnittlich 8000 Liter benötigt. „Da denkt vielleicht doch mancher nach, ob man jedem Modetrend folgen muss oder ob eine Jeans reicht, die länger hält“, hofft Schnellbach.
Eine Decke aus einem Netz eines Gärtchens, in dem lauter Plastikmüll hängt, weist mahnend auf die Verschmutzung der Meere hin. Ein Loch im Netz und blühende Pflanzen sollen aber auch da Hoffnung machen. Geradezu düster-bedrohlich wirkt auf den ersten Blick der Garten zum Thema „Bezahlbare und erneuerbare Energie“, dessen Besucher sich inmitten hoch gestapelter Autoreifen wiederfinden. Aber in der Mitte, auf gelben und daher viel freundlicheren Reifen, findet man Ideen zu sauberen, alternativen Energien.
Sehr beliebt bei Kindern ist der Garten zum Thema „Gesundheit und Wohlergehen“ – weil sich da bunte Trommeln finden. „Da sehe ich immer, wenn ich vorbeikomme, Kinder, die hineinrennen und trommeln“, berichtet Fabienne Willmann. Für die Eltern gibt es Tipps für eine gesunde Lebensweise und Vorbeugung von Krankheiten vom bekannten Mediziner und Kabarettisten Eckart von Hirschhausen, dazu zahlreiche Heilkräuter.
Einige Flächen erinnern stets daran, dass jeder selbst gefordert ist, die Ziele für ein besseres Leben umzusetzen. So verdeutlicht ein Garten mit begehbaren Gitterrosten, aus denen Pflanzen herauswachsen, den Einfluss des Menschen auf die Natur – und in Spiegelsäulen sieht sich jeder selbst. Armut wird symbolisiert durch eine Weltkugel aus Stahl. Wer aus einem Automaten goldene Kügelchen zieht und sie hineinlegt, tut symbolisch etwas gegen Armut – und direkt, weil es die Kügelchen nur gegen eine Spende für die Mannheimer Tafel gibt.
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