Mannheim. "Hey, Herr Specht, wir warten schon den ganzen Tag auf dich.“ Der Jugendliche ist ganz aufgeregt, alle anderen sind verblüfft. Es ist genau eine Minute nach 19 Uhr, als Christian Specht am Samstag zu seinem eigenen Stadtteil-Open-Air im Neckarauer August-Bebel-Park kommt – und von dem jungen Mann in lilafarbenem Real-Madrid-Trikot überschwänglich begrüßt wird. Auch seine fünf Freunde umringen den Kandidaten von CDU, ML und FDP bei der Oberbürgermeisterwahl, einer legt den Arm um Spechts Schultern. Berührungsängste gibt’s auf beiden Seiten nicht.
„Das liegt an seinem Tiktok-Auftritt“, sucht CDU-Vorstandsmitglied Volker Proffen nach einer Erklärung, warum Specht die sechs Jugendlichen so begeistern könnte. Nach klassischer CDU-Wählerschaft sehen die Jungs jedenfalls nicht aus. Merkmale: breite Hosen, Gangster-Posen und Kappen. Einer aus der Gruppe ruft seine Mutter an und drückt dem OB-Kandidaten das Handy in die Hand. Nach dem Gespräch mit der Mama revanchiert sich Specht und verteilt Eis. Die Halbstarken stürzen sich auf Vanille- und Erdbeerwaffeln im Mini-Format.
Umarmungen, gemeinsame Bilder, Flyer verteilen an Haustüren, Besuche bei Festen, jede Menge Gespräche – fünf Stunden lang hat der „Mannheimer Morgen“ die beiden aussichtsreichsten OB-Kandidaten Christian Specht (CDU) und Thorsten Riehle (SPD) am Samstagnachmittag und -abend begleitet. Für die beiden ist dieses Wochenende der Auftakt zum Schlussspurt im Wahlkampf. Bei der zweiten Wahlrunde am 9. Juli, bei der neben Specht und Riehle auch noch der unabhängige Bewerber Ugur Çakir antritt, ist der endgültige Zieleinlauf.
Foto mit den Riehle-Unterstützern
Neckarstadt, kurz nach 16.30 Uhr. Es dauert eine Weile, bis auf der großen Treppe, die vom Alten Meßplatz runter ans Neckarufer führt, alle ihr Plätzchen gefunden haben. Der Fotograf, der unten auf einer Leiter steht, erteilt letzte Anweisungen. „Wer mich sieht, ist nachher auch gut auf dem Bild zu sehen“, gibt er den rund 70 Männern und Frauen als Tipp. Und dann liegt es an Kerstin Riehle, die Emotionalität aufs Foto zu bringen. Die Schwester des SPD-Kandidaten steht neben dem Fotografen und ruft: „So, und jetzt alle die Hände nach oben und jubeln. Huuuuuuhhhhhhh. Wer wird am 9. Juli Oberbürgermeister? Thorsten Riehle! Wer wird am 9. Juli Oberbürgermeister? Thorsten Riehle!“ Die Männer und Frauen auf der Treppe reißen die Arme nach oben und jubeln, was das Zeug hält. Der Fotograf drückt mehr als ein Dutzend Mal auf den Auslöser.
Das Gruppenfoto mit wichtigen Unterstützerinnen und Unterstützern, das an diesem Samstagnachmittag entsteht, soll für Riehle die letzte Wahlkampfphase einläuten. Die Ausgangslage ist nicht gerade einfach: Riehle kam in der ersten Runde auf 30,2 Prozent, Specht auf 45,6. Trotzdem hat der 53-jährige SPD-Fraktionschef im Gemeinderat auch an diesem Nachmittag fast immer das Lächeln im Gesicht, das man von seinen Wahlplakaten kennt. Riehle – hellbraune Hose, hellblaues Hemd, blaues Sakko, weiße Adidas-Turnschuhe – ist bester Laune.
Natürlich sind beim Unterstützer-Foto viele SPD-Mitglieder dabei, allen voran Kreisvorsitzender Stefan Fulst-Blei. Aber auch Amtsinhaber Peter Kurz, der aber nicht als Oberbürgermeister und Wahlleiter auftritt, sondern, wie er selbst sagt, als „Bürger Kurz“. Dass er es mit der als Amtsinhaber und Wahlleiter gebotenen Neutralität sehr genau genommen und dabei die Unterstützung für seinen Partei-Kollegen möglicherweise etwas vergessen hat, war zuletzt Diskussionsthema.
Ein viel größeres war die Frage, wie sich die Linken und vor allem die Grünen nach dem Rückzug ihrer Bewerber positionieren. Am Ende gab es lediglich vom Grünen-Kreisverband eine Wahlempfehlung für Riehle, hinter der aber längst nicht alle Grünen-Mandatsträger stehen. Trotzdem sind auch viele Grüne fürs Gruppenbild gekommen, etwa Fraktionschefin Nina Wellenreuther sowie die Stadträte Gerhard Fontagnier, Markus Sprengler und Angela Wendt und Landtagsabgeordnete Susanne Aschhoff. Von den Linken sind zum Beispiel der langjährige Fraktionschef Thomas Trüper sowie Bezirksbeirat Roland Schuster da. Wahlempfehlungen hin oder her, Riehle will jetzt nicht mehr über das „Hätte“ sprechen, wie er sagt, sondern nach vorne schauen. „Die, die mich unterstützen wollen, sind herzlich willkommen.“ Der Grüne Sprengler ist im Gespräch an der Neckarwiese optimistisch. Die Wählerinnen und Wähler, die sich im rot-rot-grünen Spektrum bewegten, könne man noch mobilisieren, sagt er. „Das ist noch nicht verloren.“
Specht „läuft jetzt erst zur Hochform auf“
Auch Spechts Unterstützer formieren sich. „Ich habe das Gefühl, er läuft jetzt erst zur Hochform auf“, sagt beispielsweise Holger Schmid. Der ML-Stadtrat ist wie Birgit Reinemund und Kathrin Kölbl (beide FDP) in den Bebel-Park gekommen, um den gemeinsamen Kandidaten zu unterstützen. Specht geht auf den letzten Metern im Wahlkampf voran, hört man von vielen.
Auch beim Haustürwahlkampf. Nach „Anlaufschwierigkeiten“ sei er da jetzt voll in seinem Element, sagt Proffen, als Specht früher am Nachmittag an einem Neckarauer Hoftor mit zwei älteren Frauen und einem älteren Herrn spricht. Die Stimmung über den Zaun hinweg ist gut. Unterwegs ist das CDU-Team in der Friedrichstraße. „Wir machen heute die harte Nummer“, hatte Specht kurz vorher noch auf dem Niederbrücklplatz angekündigt, wo er sich mit seinen Helfern getroffen hatte. „Harte Nummer“ bedeutet: Es werden nicht nur Flyer in die Briefkästen gesteckt, Specht sucht auch das direkte Gespräch. Auf einen Teil der Flugblätter hat er selbst per Hand die Nummer der Hotline geschrieben, falls jemand noch keine Wahlunterlagen erhalten hat. In einer Stunde klingelt Specht mit schwarzem Lederrucksack auf dem Rücken an gut einem Dutzend Haustüren. Die Gespräche hören sich nach 100 Prozent Wählerstimmen an, nicht nach „harter Nummer“. Christian Specht räumt ein: „Wir sind ja nicht in einem Problemviertel unterwegs.“ Aber das hat sich das Team mit der Neckarstadt-West auch noch vorgenommen.
Die Strategie des SPD-Mannes
Vor dem Gruppenbild am Neckar holt sich Thorsten Riehle in einem Dönerladen am Alten Meßplatz noch eine Flasche Wasser – „damit ich nicht dehydriere“. Eine kleine Pause, in der er seine Strategie für den verbleibenden Wahlkampf erläutert. „Wir müssen auf den letzten Metern diejenigen mobilisieren, die ein weltoffenes und fortschrittliches Mannheim wollen.“ „Fortschritt“ ist der Begriff, den Team Riehle den Schlagworten „Kompetenz“ und „Erfahrung“ entgegensetzt, mit denen Team Specht wirbt. Aber was bedeutet das überhaupt, Fortschritt? Riehle wird – etwa von Nutzern des Kandidat-O-Mat – vorgeworfen, bei politischen Inhalten vage zu bleiben. Was ja auch damit zusammenhängen könnte, dass er von Linken bis Bürgerlichen ein breites Spektrum ansprechen will und muss. Der SPD-Bewerber selbst sagt dazu, er habe beim Kandidat-O-Mat nicht den Eindruck gehabt, schwammig geantwortet zu haben. „Ich habe ehrlich geantwortet, es gibt manchmal eben nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch Grautöne. Ich sehe es als Stärke, ein breites Spektrum abdecken zu können.“
Aber trotzdem nochmal nachgefragt: Was sind die drei wichtigsten politischen Ziele des Kandidaten Riehle? Er muss nicht lange überlegen. Erstens: „Die Vielfalt in der Stadt und das gute Zusammenleben der einzelnen Gruppen erhalten.“ Zweitens: „Kinder, Bildung, Jugend, insbesondere die Frage: Wie organisieren wir die Kinderbetreuung?“ Hier spricht sich Riehle für einen schnelleren Bau von Kitas etwa in Modulbauweise und auch für die raschere Genehmigung von Kitas im Wald oder auf Wiesen aus. Ein Stipendienprogramm soll für mehr Erzieherinnen und Erzieher sorgen. Drittens: „Klimaökologischer Wandel unter Beibehaltung des Industriestandortes.“ Er wolle das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 „im Fokus behalten“, betont Riehle – unter anderem durch den Photovoltaik-Ausbau auf öffentlichen Gebäuden und die Entsiegelung von Flächen. Generell müsse die Verwaltung ihr Handeln besser erklären und die Menschen mehr mitnehmen.
Das gilt es auch nach dem Fototermin unter die Leute zu tragen. SPD-Kreischef Fulst-Blei steigt auf die Leiter des Fotografen und ruft die Unterstützer auf, sich am Haustürwahlkampf zu beteiligen – in bei Fulst-Blei ungewohntem Monnemerisch. „Ihr misst de Leit sage, wann’s is, wo’s is un dass se ern Ausweis mitbringe misse.“ Nicht nur an diesem Nachmittag haben sie sich die Neckarstadt-West vorgenommen. Dort war die Wahlbeteiligung am niedrigsten, gleichzeitig sieht das Riehle-Lager dort viele potenzielle Wählerinnen und Wähler.
SV-Waldhof-Rufe quer über die Straße
Gepflegte Gärten, in einer Einfahrt steht ein Karton mit ausgemusterten Kinderklamotten und Bilderrahmen – sie sind zu verschenken –, rosa Schleifchen an Blumenkästen, gemalte Blumenranken um Türen und ein Hofflohmarkt. Zwei Jungs verkaufen dort alte Spielsachen, haben schon 41 Euro eingenommen, wie sie strahlend verraten. Neckarau, Friedrichstraße. Sieht so ein Specht-Wahlbezirk aus? An den Haustüren schlägt ihm jedenfalls nur Lob entgegen. „Ach, der Herr Specht. Ich weiß doch alles über Sie“, freut sich ein älterer Mann hinter einer Haustür, dass der CDU-Kandidat bei ihm geklingelt hat. „Ich bin ganz sprachlos, dass Sie sich hier so engagieren“, frohlockte eine Frau schon hinter der ersten Tür. Und Specht? Hakt er die Stimmen dieser Menschen als sicher für sich ab? Das gibt er natürlich nicht zu, er freut sich über „total freundliche Gespräche“. Plötzlich geht auf der gegenüberliegenden Seite eine Tür auf. Ein Mann zeigt mit ausgestrecktem Arm auf Christian Specht. „Sie kriegen unsere Stimme, aber wehe, Sie vergessen den SV Waldhof!“, ruft er. Die Haltung des CDU-Kandidaten in der Stadion-Debatte ist bekannt: Einem Neubau an anderer Stelle sollte man nicht von vorneherein eine Absage erteilen. Eine Finanzierung mit privaten Investoren – etwa mit Waldhof-Präsident Bernd Beetz – hält er wie damals bei der SAP Arena für ein mögliches Modell. Doch darüber wird mit dem Mann in Neckarau gar nicht diskutiert. „SV Waldhof für immer!“, ruft Specht über die Straße zurück. Das Team drückt aufs Tempo: Der Auftritt im Bebel-Park wartet.
Viele Wünsche an den neuen OB
Als Thorsten Riehle mit seinem Haustürwahlkampf losgehen will, fängt es leicht zu nieseln an. Aber das schreckt ihn nicht ab. Mit dem eigens für den Wahlkampf angeschafften Elektro-Smart geht es in die Untermühlaustraße. An diesem Samstag war er schon beim Fest in der Seckenheim-Schule, beim 40. Geburtstag des Regenbogen-Kindergartens in der Gartenstadt, auf dem Waldhöfer Stadtteilfest und in der dortigen Jugendkirche. Am frühen Abend stehen noch das Sommerfest der Reiß-Engelhorn-Museen auf dem Programm, später will das Team noch Flyer in Jungbusch-Kneipen verteilen.
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Aber jetzt erst einmal Klinkenputzen. Gemeinsam mit Riehle sind Grünen-Fraktionschefin Wellenreuther und SPD-Mitglied Klara Scheffler unterwegs, sie haben in Jute-Beuteln Riehle-Flugblätter, Briefwahlanträge und Kugelschreiber. Entlang der Untermühlaustraße stehen viele Reihenhäuser. Riehle klingelt, stellt sich mit „Thorsten Riehle, ich bin einer der Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl“ vor und überreicht einen Flyer. Wenn niemand aufmacht, wirft er ihn in den Briefkasten. An „Keine Werbung“-Aufkleber hält er sich.
In einem der Häuser öffnet Norbert Padutsch die Tür – und erkennt Riehle sofort. „Ich hoffe, dass es klappt, ich hab’ Sie gewählt“, sagt der Mann in T-Shirt und kurzer Hose. Er sagt aber auch, dass Riehle als neuer OB einen „ganzen Rucksack voll mit Aufgaben“ habe: Die kaputten Straßen reparieren lassen, für mehr Sauberkeit sorgen, Kita-Plätze schaffen, Schulen sanieren, Fernwärme ausbauen, und und und. Gerade die schmutzigen Straßen ärgern Padutsch. „Die Gesetze sind da, aber es kontrolliert niemand.“ Da pflichtet Riehle ihm bei – wohl nicht ohne Gedanken an Ordnungsdezernent und Wahlkampf-Kontrahent Specht. In Mannheim sei es schon extrem mit dem Dreck auf den Straßen, sagt Riehle. Als positives Beispiel nennt er ausgerechnet Berlin, wo er kürzlich war. Die hätten eine Strategie zur Vermeidung von Müll. Auch seien kleine Sprüche auf den Mülleimern, die zum Reinwerfen animieren sollen. „Da müssen wir kreativer dran.“
Immer wieder ist von Menschen an den Haustüren zu hören, sie hätten Riehle bereits gewählt. Es gibt aber an diesem Nachmittag natürlich auch welche, die kein Interesse haben – vielleicht am Kandidaten, vielleicht aber auch an der Wahl an sich. Bei einem Grillfest in einem Garten, auf dem Riehle seine Flyer verteilen will, erklärt der Gastgeber, das sei nicht nötig. Eine kurdischstämmige Frau, die Riehles Schwester Kerstin auf der Straße anspricht, nimmt dagegen gleich einen ganzen Stapel Briefwahlanträge für ihre Familie und Arbeitskollegen mit. Die Leute seien „faul“ und kümmerten sich nicht um die Wahl, findet die Passantin.
Urlaubstipps und Wohnungsmarktideen
Spechts Samstag-Schlussspurt wird um 16 Uhr auf dem Toulonplatz eingeläutet. Obwohl die Bänke beim Sommerfest der REM gut besetzt sind, führt er – fast schon ungewöhnlich – wenige Gespräche. „Die Menschen wollen jetzt die Musik hören“, erklärt er, während das Kürpfälzische Kammerorchester auf der Bühne spielt. Dafür hat Specht Zeit, am Stand des Institut Francais von der handgemachten Marmelade und von Urlaub im Dordogne-Tal zu schwärmen.
60 Sekunden zuvor hat er noch mit dem FDP-Bundestagsabgeordneten Konrad Stockmeier über den Wohnungsmarkt in Mannheim diskutiert. Rheinau, Waldhof, Gartenstadt: Viele private Immobilien stehen leer, hat Specht in seinem Haustürwahlkampf wahrgenommen. Er will versuchen, diesen Wohnraum wieder auf den Markt zu bekommen. Dafür müssten solche Immobilien zunächst systematisch erfasst werden, dann könnten die Eigentümer kontaktiert werden. Viele Möglichkeiten, Druck zu machen, habe die Stadt nicht, „aber vielleicht können wir Anreize schaffen“, sagt Specht. „Darin steckt viel gebundenes CO2. Wäre doch schade, das nicht zu nutzen.“
Die Kandidaten verpassen sich nur knapp
Fast hätten sich die beiden Konkurrenten die Hand geben können. Denn nach 18 Uhr besucht auch Riehle das Sommerfest. Der Wahlkampf-Stress scheint dem SPD-Kandidaten nichts anzuhaben. Riehle ist die ganze Zeit gut gelaunt und hat immer einen Spruch auf den Lippen („Die Buchstaben JU auf dem Briefkasten stehen hoffentlich nicht für Junge Union“). Gegen 18.30 Uhr sitzen auf dem Toulonplatz noch relativ viele Menschen. Riehle geht durch die Reihen und sagt Hallo. Eine Frau will sich gleich mit ihm fotografieren lassen. „Meine Tochter ist ein großer Fan von ihm, sie studiert in Mainz und hat extra Briefwahl gemacht – und jetzt treffe ich ihn hier.“
Viele positive Schwingungen im CDU-Lager
Zurück in Neckarau beim Fest der Matthäus-Gemeinde. Es ist Punkt 18.30 Uhr, die Glocken läuten, als Specht dort eintrifft. Obwohl das Fest noch nicht richtig begonnen hat, sind schon einige Menschen im Hof – und Specht sofort in Gespräche verwickelt. Im Nahwahlkampf an den Bierzeltgarnituren schauen ihn ausnahmslos freundlich gesinnte Gesichter an. Viel Gegenwind spürt er auch am Würstchenstand in der Debatte mit der früheren Grünen-Fraktionsvorsitzenden Gabriele Thirion-Brenneisen nicht. Mit ihrer Forderung nach weniger bürokratischen Hindernissen für Vereine rennt sie bei Specht offene Türen ein. Eine junge Frau möchte sogar unbedingt ein Foto mit dem OB-Kandidaten. Wieder so ein Popstar-Moment, wie später mit den Jugendlichen im August-Bebel-Park.
Jetzt, am Eingang des Bach-Gymnasiums, stößt auch Spechts Lebensgefährtin Bettina Schenck dazu. Momentan ist es stressig, beschreibt sie die ganz heiße Phase des Wahlkampfs. „Die Anspannung steigt.“ Aber scheinbar auch die Zuversicht, den großen Wurf zu schaffen und erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg das Mannheimer Rathaus für die CDU in einer Wahl zu erobern. Öffentlich sagt das niemand in der CDU. Aber nur die wenigsten glauben, dass Riehle die 15-Prozentpunkte-Lücke zu Specht in der Neuwahl noch schließen kann. Der Rückenwind vom Ergebnis des ersten Wahlgangs treibt das Specht-Team an. „Es war kein Problem, die Helfer noch mal zu motivieren“, beschreibt Lennart Christ, Vorsitzender der Jungen Union und stellvertretender Vorsitzender der CDU.
Bei seinem Stadtteil-Open-Air in Neckarau wird Specht danach inhaltlich. 50 bis 60 Menschen hören ihm zu, stellen Fragen. Es geht um effektives Bauen, weniger Hemmnisse für Freie Kita-Träger und Verkehr. „Wir wollen nicht dem Auto huldigen“, so Specht, sondern „sinnvolle Verkehrspolitik: Was macht wo Sinn?“ Straßen aus ideologischen Gründen nicht zu sanieren, weil man nicht in das Auto investieren möchte, sei falsch. Schließlich seien Schlaglöcher ein Hauptproblem von Fahrradfahrern.
Und es geht um Energie und das neue Heizungsgesetz. Wie geht es mit dem Heizen in Mannheim weiter? „Das wird eines der ersten Themen sein, um das sich der neue Oberbürgermeister kümmern muss“, verspricht Specht, mit den Menschen deswegen in den Dialog treten zu wollen. „Ich spüre Unsicherheit und Verängstigung.“ Er setzt vor allem auf den Ausbau des Fernwärmenetzes. Auch wenn das eine größere Baustellenbelastung für die Stadt bedeute. Und wo Fernwärme nicht klappt, sieht Specht die Geothermie als Alternative. Seit einiger Zeit laufen bereits Messungen und Probebohrungen in und rund um Mannheim. „Das sieht auf den ersten Blick sehr gut aus“, sagt Specht.
Unterstützung aus der Alevitischen Gemeinde
Für Riehle geht es indes vom Toulonplatz weiter an den Plankenkopf – ins Café „VIP-Lounge“. An den Tischen im Freien sitzen viele junge Leute, oft stehen Wasserpfeifen daneben, die Luft ist erfüllt vom süßlichen Geruch des Tabaks. Betreiber Baris Yilmaz ist nicht nur Vorsitzender der Alevitischen Gemeinde Rhein-Neckar, sondern auch SPD-Mitglied – und großer Anhänger von Thorsten Riehle. Er spricht ihn auf ein Video an, dass Riehle kurz zuvor in Sozialen Medien gepostet hat. „Das sind klare Worte gegen Diskriminierung und gegen Ghettoisierung“, freut sich Yilmaz.
Der größte Teil der Alevitischen Gemeinde habe die deutsche Staatsangehörigkeit und sei wahlberechtigt. Er selbst sei diese Woche mit 15 Jugendlichen, die zum ersten Mal ihre Stimme abgeben dürfen, im Wahlbüro im Rathaus gewesen. „Wir sind ein Einwanderungsland, wir brauchen Fachkräfte“, sagt Yilmaz, der neben dem Café auch noch einen ambulanten Pflegedienst betreibt. Auch in der „VIP-Lounge“ wird wieder kräftig fotografiert. Nicht nur drei Kellner wollen ein Foto mit Riehle, sondern auch eine ältere Dame und junge Männer mit Wasserpfeife. „Mannheim ist eine Modellstadt für mich, was Vielfalt und friedliches Zusammenleben angeht. Diese Stadt kann das, das funktioniert“, sagt Yilmaz. „Und in der Führung muss einer sein, der breit denkt.“
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