Mannheim/Heidelberg. Seit Jahren heißt es stets, die Region stehe einmütig hinter dem geplanten Verbund des Mannheimer Klinikums mit dem in Heidelberg. Umso überraschender wurde nun bekannt, dass ausgerechnet die GRN-Kliniken des Rhein-Neckar-Kreises als Einzige vor dem Kartellamt Widerstand leisten. Landrat Stefan Dallinger betont im Interview jedoch, sie hätten gar nichts gegen das Projekt, wollten allerdings eingebunden werden.
Herr Landrat Dallinger, was hat Sie bewogen, dem Kartellamtsverfahren zum Verbund beizutreten?
Stefan Dallinger: Wir waren eigentlich gezwungen, diesen Schritt zu gehen - weil wir an der Ausgestaltung dieses Projekts bisher noch überhaupt nicht beteiligt wurden.
Haben Sie denn beizeiten versucht, sich da einzubringen?
Dallinger: Oh ja! Ich habe schon 2020 an Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die damalige Wissenschaftsministerin Theresia Bauer und ihren Gesundheitskollegen Manne Lucha - für die GRN-Kliniken als kommunale Krankenhäuser zuständig - geschrieben, dass wir eine Fusion als große Chance sehen. Aber auch, dass wir erwarten, als Marktbegleiter in die Gespräche eingebunden zu werden. Das ist leider bis heute nicht geschehen.
Aber warum sind Sie den Umweg über Stuttgart gegangen? Ausgehandelt wurden die Fusionspläne in Mannheim und Heidelberg, wo ja Ihr Landratsamt steht. Hätte es da keinen direkteren Kontakt zu den Akteuren vor Ort gegeben?
Dallinger: Wir reden hier natürlich miteinander. Aber in konkrete Gespräche mündete das diesmal nicht. Und Trägerin der Uniklinik Heidelberg - damit für uns der formal richtige Ansprechpartner - ist das Land.
Was stört Sie am Verbund?
Dallinger: Wir haben überhaupt nichts gegen ein Zusammenwachsen der beiden Krankenhäuser! Das ist eine große Chance für die gesamte Region! Aber wir stellen schlichtweg fest, dass ein überwiegender Teil der Patienten im Rhein-Neckar-Kreis für Operationen nach Heidelberg fährt. Das ist bei speziellen Eingriffen in Fachkliniken verständlich. Aber Leistungen der Regelversorgung lassen sich in unseren Krankenhäusern genauso gut vornehmen. Dann ist es ärgerlich, wenn der Rhein-Neckar-Kreis das Defizit der GRN-Kliniken ausgleichen muss.
Ob sich aus dem Verbund konkrete Nachteile für die GRN-Kliniken ergeben, vermag ich noch nicht zu sagen. Aber um das zu verhindern, wollen wir endlich in die Gespräche einbezogen werden
Glauben Sie, dass künftig mehr Patienten nach Heidelberg fahren, wenn die dortige Uniklinik auch noch Mehrheitsgesellschafterin im Mannheimer Klinikum wird?
Dallinger: Das ist ein bisschen komplexer. Schon 2013, als die Heidelberger Uniklinik beim Kreiskrankenhaus in Heppenheim eingestiegen ist, hat das Kartellamt eine marktbeherrschende Position im grenzwertigen Bereich festgestellt.
Ihnen geht es also einfach darum, dass die Heidelberger Marktdominanz nicht weiter anwächst?
Dallinger: Das ist genau der Punkt! Ob sich aus dem Verbund konkrete Nachteile für die GRN-Kliniken ergeben, vermag ich noch nicht zu sagen. Aber um das zu verhindern, wollen wir endlich in die Gespräche einbezogen werden. Das hat man uns die ganze Zeit verwehrt.
Landrat Stefan Dallinger als Aufsichtsratsvorsitzender
- Die GRN-Kliniken sind eine 100-prozentige Tochter des Rhein-Neckar-Kreises.
- Aufsichtsratsvorsitzender ist Landrat Stefan Dallinger.
- Insgesamt betreiben die Krankenhäuser an vier Standorten elf Gesundheitszentren.
- Die GRN-Kliniken sitzen in Schwetzingen (Zentrale), Weinheim, Sinsheim und Eberbach. sma
An wen richtet sich dieser Vorwurf primär? Stuttgart oder Heidelberg und Mannheim?
Dallinger: In erster Linie an Stuttgart. Aber umso froher sind wir nun, wenn im Zuge des Kartellverfahrens endlich strukturierte Gespräche mit uns geführt werden. Nochmal: Zu denken, wir wollten den Verbund verhindern, wäre vollkommen falsch. Allerdings müssen wir uns als Marktbegleiter da nun mal entsprechend positionieren - auch im Hinblick auf die vom Bundesgesundheitsminister angestoßene Veränderung der Krankenhauslandschaft.
Sind Sie sicher, künftig stärker einbezogen zu werden? Wenn das Kartellamt aus wettbewerbsrechtlichen Gründen sein Veto einlegt, wird sich das Land um eine Ministererlaubnis bemühen. Dann geht es primär um das Gemeinwohl, also etwa den drohenden Wegfall der dringend benötigten Medizinstudienplätze in Mannheim. Oder die Chance, einen Leuchtturm der Forschung zu errichten, von dem das ganze Land profitieren würde.
Dallinger: Nochmal: Den großen Nutzen eines Verbundes bestreiten wir doch gar nicht, wir wollen nur mitreden. Falls man uns das weiter verwehrt, könnten wir auch gegen eine Ministererlaubnis juristisch vorgehen. Aber darüber will ich jetzt nicht spekulieren, sondern setze auf konstruktive Gespräche.
Und wenn der Bundeswirtschaftsminister kein grünes Licht gibt? Dann ändert sich für die GRN-Kliniken nichts. Aber für die Region wäre es eine verpasste Jahrhundertchance, und für Mannheim eine finanzielle Katastrophe.
Dallinger: Ein Scheitern des Verbundes wäre doch nicht unsere Schuld! Das Kartellamt hat von sich aus ein viel ausführlicheres - als das in 90 Prozent der Fälle übliche - Prüfverfahren eingeleitet. Erst diesem sind wir beigetreten.
Als einziges Krankenhaus . . .
Dallinger: Darüber weiß ich nichts. Ich kann nur wiederholen: Wir sind regionaler Marktbegleiter.
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