Universitätsmedizin

Verbund des Mannheimer Klinikums mit Heidelberg droht Nein des Kartellamts

Es wäre ein Schock für Mannheim: Laut einem Medienbericht rechnet das Land mit einem Nein des Bundeskartellamts für den Verbund des Klinikums mit der Heidelberger Uniklinik. Noch besteht aber Hoffnung - die Hintergründe

Von 
Steffen Mack und Waltraud Kirsch-Mayer
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Das Klinikum sollte in einen Verbund mit dem in Heidelberg. © Christoph Bluethner

Mannheim. Dem geplanten Verbund des Mannheimer Klinikums mit der Heidelberger Uniklinik droht ein Veto des Bundeskartellamts. Die „Stuttgarter Zeitung“ berichtet am Mittwochabend online unter Berufung auf Quellen in der Landeshauptstadt, die bei dem Projekt federführende Stuttgarter Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) rechne mit einer ablehnenden Entscheidung aus Bonn für das Projekt.

Olschowskis Sprecherin Denise Burgert teilt dazu auf Anfrage dem „Mannheimer Morgen“ mit: „Im Hinblick auf das laufende Verfahren beim Kartellamt können wir keine Angaben machen.“ Die Entscheidung sei noch nicht gefallen, man rechne damit bis Ende Juli (lange war stets von der Mitte des Monats die Rede). Weitere Schritte seien in Prüfung.

Kommentar Noch Hoffnung für das Mannheimer Klinikum

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Steffen Mack
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Auch Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht, der gleichzeitig Vorsitzender des Aufsichtsrats des Universitätsklinikums Mannheim ist, äußerte sich am Abend. „Die Entscheidung des Bundeskartellamts über den geplanten Verbund der Universitätsklinika Mannheim und Heidelberg soll nach unserer Kenntnis bis Ende Juli getroffen werden. Bisher ist uns noch kein Beschluss der Wettbewerbsbehörde bekannt“, so Specht. „Der Verbund der beiden Universitätsklinika wird sich aber nicht nur auf die Patientenversorgung in der Region auswirken, sondern vor allem auch einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Spitzenforschung und Lehre auf nationaler und europäischer Ebene leisten. Diese Aspekte müssen in eine umfassende Bewertung einbezogen werden.“

Über Gründe für eine mögliche Ablehnung lässt sich nur spekulieren

Der Betriebsratsvorsitzende des Mannheimer Klinikums, Ralf Heller, erklärte auf Anfrage zunächst, noch sei das Prüfungsverfahren in Bonn nicht abgeschlossen, sondern bis 31. Juli verlängert worden. „Sollte das Bundeskartellamt tatsächlich den Antrag untersagen, rechnet der Betriebsrat damit, dass eine Ministererlaubnis beantragt wird.“ Heller beklagte allerdings auch: „Diese weitere Verzögerung würde natürlich erneut Stress bei allen Beteiligten auslösen und auf der Strecke weiteres Geld kosten. Für die Beschäftigten würde dies erneut erhebliche Verunsicherung bedeuten.“

Der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch findet, ein Nein des Kartellamts wäre „ein herber Rückschlag“ für die grün-schwarze Koalition. In diesem Falle stelle sich die Frage, „ob die Landesregierung die Verbundlösung tatsächlich so gründlich vorbereitet hat, wie sie behauptet“. Für die medizinische Versorgung in der Metropolregion Rhein-Neckar sei ein Zusammenschluss der beiden Krankenhäuser zwingend. Wenn Stuttgart das nicht hinbekomme, müsse es Habeck in Berlin richten.

Über mögliche Gründe für eine Ablehnung lässt sich momentan nur spekulieren. Denkbar wäre, dass die Wettbewerbshüter den angestrebten Verbund als marktbeherrschend einstufen. Entsprechende Hinweise hat es während des Prüfungsverfahrens, das sich mit bereits fünf Monaten deutlich langwieriger als erwartet gestaltet, dem Vernehmen nach immer wieder gegeben.

Es geht bei dem Verfahren um Markt- und Wettbewerbsfragen

Generell geht es bei dem für Unternehmen gedachten Verfahren ausschließlich um Markt- und Wettbewerbsfragen. Wie sinnvoll der Verbund wäre, welche Vorteile er etwa in medizinischer und wissenschaftlicher Hinsicht sowie für den Erhalt der Studienplätze brächte, spielt keine bis kaum eine Rolle.

Krankenhäuser wetteifern zwar auch miteinander am Markt, mit Unternehmen lassen sie sich aber nur bedingt gleichsetzen. So gibt es wegen der vom Gesetzgeber festgelegten Fallpauschalen für Operationen keine Preiskonkurrenz, der Wettbewerb läuft über die Qualität beziehungsweise Vielzahl der Angebote und medizinischer Leistungen.

Ein Nein des Kartellamts zum Verbund müsste nicht das letzte Wort sein. Dagegen wäre eine Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf möglich. Allerdings würden wohl auch da nur Wettbewerbsfragen geprüft. Aussichtsreicher wäre vermutlich, eine sogenannte Ministererlaubnis zu beantragen.

Darunter versteht man im deutschen Wettbewerbsrecht eine Entscheidung des Bundeswirtschaftsministers. Auch Robert Habeck könnte den Zusammenschluss der beiden Klinika erlauben. Interessant ist: Seine Staatssekretärin und Grünen-Parteifreundin Franziska Brantner kommt aus Heidelberg, sie befürwortet den Verbund.

Für Ministererlaubnis müssen gesamtwirtschaftliche Vorteile schlüssig dargelegt werden

Persönliche Vorlieben dürfen in einem solchen Verfahren indes keine Rolle spielen. Es handelt sich auch nicht etwa um eine Ministerentscheidung nach Aktenlage im Alleingang, sondern es gibt einen genau festgelegten Ablauf und Regeln. So müssen gesamtwirtschaftliche Vorteile schlüssig dargelegt werden, die eine mögliche Wettbewerbsbeschränkung aufwiegen oder ein „überragendes Interesse der Allgemeinheit“ darstellen und somit den kartellrechtlich abgelehnten Zusammenschluss rechtfertigen.

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Laut einer Expertin, die hier anonym bleiben will, hat es bislang 23 solcher Anträge auf Ministererlaubnis gegeben. Zehn davon seien bewilligt worden, beispielsweise 2016 die Fusion Edeka/Kaisers Tengelmann. Der Gesundheitsbereich habe bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Allerdings sei 2008 trotz abschlägigem Bescheid des Bundeskartellamtes die bundesweit erste Fusion zwischen einem Universitätsklinikum, nämlich Greifswald, und einem Kreiskrankenhaus, nämlich Wolgast, vollzogen worden.

Selbst bei Ministererlaubnis gäbe es deutliche Verzögerung

Aber selbst, wenn eine Ministererlaubnis ein Nein des Kartellamts aufheben sollte, gäbe es eine weitere, deutliche Verzögerung. Dann könnte der Verbund mit einiger Sicherheit nicht wie geplant Anfang nächsten Jahres seine Arbeit aufnehmen. Wenigstens scheint der politische Rückhalt für das Projekt in Stuttgart, um den so lange gekämpft wurde, nicht mehr gefährdet.

Eine kuriose Fußnote ist, dass Krankenhäuser ohne Prüfverfahren sowohl Verbünde als auch Fusionen eingehen können, sofern sie sich in einer Hand/Trägerschaft befinden. Die Uni-Klinika Heidelberg und Freiburg etwa dürften sich unkompliziert zusammenschließen, weil beide vom Land Baden-Württemberg getragen werden. Hingegen ist beim Mannheimer Klinikum die Krankenversorgung ja in kommunaler Hand. Nur Forschung und Lehre sind über die Heidelberger Universität an das Land angedockt.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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