Migration

Unterbringung von Geflüchteten in Mannheim: Lage "angespannt" - wird mehr Platz benötigt?

"Angespannt". So bezeichnet die Verwaltung der Stadt Mannheim die Situation zur Unterbringung von Geflüchteten. Initiativen fordern dagegen langfristige Konzepte. Eine Bestandsaufnahme der Situation

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Sebastian Koch
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Die Mannheimer Verwaltung will die Belegung von Sporthallen – wie die Gräber-Halle 2023 – in diesem Jahr nach Möglichkeit vermeiden. © Florian Karlein

Mannheim. Zu den bekannten Tücken eines Jahreswechsels gehört, dass zwar der Kalender zum 1. Januar auf Null gestellt wird, das aber keinesfalls für einen Großteil der Probleme gilt. Was ist das für eine schöne Vorstellung, wenn sich, getrieben vom Silvesterknall, auch die eine oder andere komplizierte Fragestellung in Luft auflösen würde. Das aber ist eben Utopie, und so nimmt auch die Stadtverwaltung Probleme aus dem vorigen Jahr bei der Unterbringung der Geflüchteten mit in 2024.

„Die aktuell vorhandenen Platzkapazitäten werden nicht ausreichen, um künftig prekäre Unterbringungsformen und eine Versorgungsnotlage abwenden zu können“, erklärt etwa eine Sprecherin des von Michael Grötsch (CDU) geführten zuständigen Sozialdezernats dieser Redaktion. Die Situation rund um die Unterbringung ist demnach auch zum Jahresstart „angespannt“.

Alles andere wäre eine große, wenn natürlich auch willkommene Überraschung. Bereits über das Jahr 2023 hatte die Verwaltung auf die angespannte Lage hingewiesen, teilweise gar von einer Zwangslage gesprochen. Und weil die Ströme an Geflüchteten - 2023 hat die Stadt 900 aufgenommen - wohl nicht weniger werden, wird für Kommunen die Frage nach dem Umgang mit ihnen auch im Kommunal- und Europawahljahr 2024 eine von Dauer sein.

LEA in der Pyramidenstraße erst 2025 fertig?

Hinzu kommt: Ein Ende der Sanierungsarbeiten in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in der Pyramidenstraße ist nicht allzu bald zu erwarten. Die Arbeiten, deren Abschluss eigentlich bis Herbst 2022 geplant war, können „aller Voraussicht nach im Laufe des Jahres 2024 nicht abgeschlossen werden“, teilt am Donnerstag eine Sprecherin des zuständigen Regierungspräsidiums (RP) auf Nachfrage mit. „Wir gehen daher aktuell von einer Wiederinbetriebnahme im Jahr 2025 aus.“ Das RP begründet dies unter anderem damit, dass man im Zuge der Arbeiten festgestellt habe, dass die Einrichtung „weitergehend saniert“ werde müsse als angenommen.

Kommentar Beim Thema Migration kommt es auf eine klare Kommunikation an

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Das Interesse der Mannheimer Stadtverwaltung ist jedenfalls groß, wieder Standort einer Landeserstaufnahmeeinrichtung zu werden. Aus ihrer Sicht ist das verständlich. Die Einrichtung war 2020 geschlossen worden. Als LEA-Standort hatte die Stadt keine eigenen Geflüchteten zugewiesen bekommen, weshalb man lange Zeit auch keine eigenen Aufnahmekapazitäten hatte aktivieren müssen, hatte die Verwaltung immer wieder erklärt.

Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) sagte jüngst, einen alternativen Standort zur Pyramidenstraße zu suchen. „Ich will das komplette LEA-Privileg wieder angerechnet bekommen“, hieß es Ende November im Interview mit dieser Redaktion. Man habe vom Land positive Signale für den Wiederaufbau einer Einrichtung bekommen, erklärt nun auch die Dezernatssprecherin erneut.

Friedrichsfelder Lilli-Gräber-Halle war belegt

Im vergangenen Jahr musste die Verwaltung zur Unterbringung von Menschen sechs Monate lang die Friedrichsfelder Lilli-Gräber-Halle belegen. Specht betonte zuletzt, man setze alles daran, eine Wiederholung dieses Szenarios zu verhindern. Dabei müsse man sich aber immer auch nach der aktuellen Lage richten, stellte der Oberbürgermeister klar. Ein Versprechen oder gar eine Garantie, dass Menschen 2024 nicht in Hallen unterkommen müssen, ist das keineswegs - zumal das für die Zuweisung zuständige Regierungspräsidium in der Vergangenheit Sporthallen auch als freie Kapazitäten einer Kommune zur Unterbringung von Geflüchteten sah.

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Nadja Encke vom Bündnis Sicherer Hafen bewertet es als „sehr positiv“, dass die Verwaltung eine erneute Hallenbelegung zu vermeiden versucht. 2023 seien Unterbringungen geschaffen worden, die Geflüchteten „ein Mindestmaß an Menschenwürde“ böten. Zuletzt etwa hatte die Verwaltung eine Immobilie in Neckarau angemietet, hieß es.

Bestehende Strukturen ausbauen

Gleichzeitig kritisiert Encke die personelle Unterbesetzung der Ausländerbehörde und zudem ein fehlendes Konzept der Verwaltung zur nachhaltigen Unterbringung, Betreuung und Integration der Geflüchteten. Zwar gebe es seitens der Abteilungsleiterin Flüchtlingshilfe im städtischen Fachbereich Arbeit und Soziales, Manuela Skotnik, ein großes Engagement, sagt Encke. Insgesamt aber reagiere die Verwaltung ihrer Meinung nach noch immer zu stark auf Entwicklungen, „anstatt vorausschauend zu planen“. Angesichts der Prognosen des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen mache es keinen Sinn, darauf zu hoffen, dass künftig wieder weniger Menschen kämen. „Es werden mehr kommen. Das werden auch restriktive Gesetze nicht verhindern“, prognostiziert sie. „Deshalb wäre es klug, entsprechende Strukturen zu schaffen, um schnell handeln zu können.“

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Bestehende Strukturen zur Unterbringung und Versorgung sogenannter vulnerabler Gruppen ausbauen und neue schaffen soll indes eine Abteilung, die die Verwaltung aufbaut. Im Zuge dessen seien, so erklärt es die Sprecherin der Verwaltung, erste Kapazitäten geschaffen und Personal, etwa in Heimleitungen, akquiriert worden. „Unabhängig davon brauchen die Kommunen dringend Hilfe bei der Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten, beschleunigte Verfahren, eine Vereinfachung von Regeln und schnelle finanzielle Unterstützung.“

Unkompliziertere Kommunikation gewünscht

Carmen Fontagnier indes engagiert sich auch im Vorstand des Vereins „Mannheim sagt Ja!“ für Geflüchtete. „Im Großen und Ganzen“ sei die Lage in Mannheim „nicht so schlecht“. Sie äußert sich aber zurückhaltend, was den Vorteil eines LEA-Privilegs betrifft. Zwar seien Erstaufnahmeeinrichtungen prinzipiell notwendig. „Sie sind aber keine langfristige Lösung“, sagt sie. „Für uns Ehrenamtliche ist es besser, wenn wir Menschen unterstützen und mit ihnen zusammenarbeiten können, die längere Zeit hier sind und die nicht in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht sind.“ Dabei gehe es auch um eine erfolgreiche Integration, erklärt Fontagnier, die sich nach eigener Aussage selbst seit Jahren um fünf Geflüchtete und deren Familien kümmert.

Für 2024 wünscht sie sich eine unkompliziertere Kommunikation zwischen Verwaltung und Geflüchteten. Das Amtsdeutsch, das etwa die Ausländerbehörde nutze, bereite selbst Muttersprachlern Probleme. „Wie sollen das Menschen aus Syrien oder Afghanistan verstehen?“ Deshalb brauche es Ehrenamtliche, sagt Fontagnier. „Mir fehlt seitens der Stadt oft die Unterstützung und Wertschätzung für unsere Arbeit.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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