Attentat auf dem Marktplatz

Trauerfeier: Bewegender Abschied von Rouven Laur in Mannheim

Angehörige, Kollegen und Gäste nehmen in einer Trauerfeier im Mannheimer Rosengarten Abschied vom getöteten Polizisten Rouven Laur. Auch auf dem Friedrichsplatz, wohin die Zeremonie übertragen wird, trauern Passanten und Beamte

Von 
Kai Plösser und Sebastian Koch
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Mit einem Trauermarsch über die Planken haben Kolleginnen und Kollegen den getöteten Polizisten Rouven Laur gewürdigt. © Christoph Blüthner (2), Malix

Mannheim. Um 9.45 Uhr setzt sich der Zug aus etwa 2000 Polizistinnen und Polizisten in Bewegung. In Reih’ und Glied hatten sie sich zuvor in der Kurpfalzstraße zwischen Planken und Bismarckstraße postiert, um ihres vor zwei Wochen getöteten Kollegen Rouven Laur zu gedenken. „Der Trauermarsch war ein Wunsch der Kolleginnen und Kollegen, um ihrem Kollegen die letzte Ehre zu erweisen“, sagt Polizeisprecherin Sabine Abeln dieser Redaktion. Beamtinnen und Beamte aus dem ganzen Bundesgebiet sind nach Mannheim gekommen.

Viele Menschen erweisen den Polizistinnen und Polizisten ihren Respekt

So auch ein Polizist aus Niedersachsen. „Das gebührt die Ehre“, sagt er. „Wir sind Kollegen. Es ist völlig egal, woher er kommt.“ Noch immer hängt ihm die Tat vom 31. Mai auf dem Marktplatz nach. „Das geht so rein. Das macht was mit einem.“ Dem Polizisten kommen Tränen. „Ich hoffe, hier und jetzt Abstand zu bekommen.“ So wie ihm dürfte es an diesem Vormittag wohl vielen seiner Kolleginnen und Kollegen gehen.

An dem Trauermarsch durch die Innenstadt haben etwa 2000 Polizistinnen und Polizisten aus ganz Deutschland teilgenommen. © Malix

Auf dem Weg zum Rosengarten erweisen viele Menschen, die am Wegesrand stehen, den Beamtinnen und Beamten ihren Respekt. Ein Mann hält diese eine Veranstaltung für noch zu wenig. „Das müsste bundesweit stattfinden“, meint er. „So etwas darf in Deutschland und Europa nicht passieren“, sagt er über den mutmaßlich religiös motivierten Messerangriff, bei dem der 29 Jahre alte Laur sein Leben verloren hat.

Die Tat dürfe nicht vergessen werden. „Dann ist es raus aus den Köpfen und passiert wieder“, fürchtet er. „Polizisten sind für uns da. Solche Personen dürfen nicht angegriffen werden.“ Das gelte auch für den Rettungsdienst und die Feuerwehr.

Trauer in Rosengarten und auf dem Friedrichsplatz in Mannheim

Gegen 10 Uhr erreicht die Spitze des Marschs den Plankenkopf. Zwei Beamte, die ein großes Bild von Rouven Laur tragen, laufen vorneweg. Minuten vergehen, bis das Ende des Zugs den Plankenkopf erreicht.

Die Trauerfeier wurde live auf den Friedrichsplatz übertragen. Im Rosengarten selbst waren nahezu keine Medien zugelassen. © Christoph Blüthner

Währendessen teilt sich die Trauergemeinde auf Höhe des Rosengartens. Etwa 2300 geladene Gäste dürfen in das Kongresszentrum, darunter sind neben Polizistinnen und Polizisten Eltern, Geschwister, Angehörige, Freundinnen und Freunde sowie Politikerinnen und Politiker.

Die Trauernden, die keinen Platz im Rosengarten haben, versammeln sich auf dem Friedrichsplatz, um die Trauerfeier auf einer Leinwand zu verfolgen. Auch viele Passanten sind gekommen. Vor allem aber Uniformierte nehmen Abschied. Die Stimmung ist entsprechend gedrückt.

Im Rosengarten spricht auch Oberbürgermeister Christian Specht. „Den 31. Mai 2024 werde ich nie vergessen“, beginnt er und erklärt, was das Ableben Laurs für die Stadt bedeutet. „Der Tod von Rouven Laur berührt die Menschen in Mannheim sehr, da sich die grausame Tat im Herzen unserer Stadt ereignete. Auf einem Platz, der sinnbildlich für Dialog und Gemeinschaft steht.“ Mannheim werde Laur nicht vergessen. „Seine Offenheit, seine Menschlichkeit und sein konsequenter Einsatz für andere werden uns Vorbild für unser Handeln sein“, sagt Specht.

Bürgermeister von Neckarbischofsheim verliest Brief von Hinterbliebenen

Bereits zuvor hatte Polizeipfarrer Friedel Goetz über den Menschen Rouven Laur gesprochen. Der habe leben wollen. „Er war voller Energie. Er ist mitten aus dem Leben gerissen worden.“ Das Lebensmotto des nur 29 Jahre alt gewordenen Polizeihauptkommissars: „Entscheide jeden Morgen selbst, was für ein Mensch du heute sein willst.“

Laur sei ein Mensch mit bejahendem Lebensgeist gewesen, sagt Goetz. „Unsere Gesellschaft hat er kritisch gesehen, aber zugleich positiv. Er suchte die Wahrheit, war ehrlich und zielstrebig.“ Laur hatte unter anderem Arabisch gelernt. „Er hat gewusst, dass die Welt in Bewegung ist. Aber Rouven war bereit, das mitzugehen.“

Noch persönlicher, vor allem aber emotionaler wird es, als Thomas Seidelmann einen Brief der Hinterbliebenen verliest. Seidelmann ist Bürgermeister von Neckarbischofsheim, der Heimat der Familie Laur. Eine seiner Töchter, so erzählt der Bürgermeister, sei eng mit Rouven Laur befreundet gewesen.

Laurs Tod als Zeichen, dass sich in Gesellschaft viel bewegen müsse

„Seitdem wir die Gewissheit haben, dass es Rouven war, der am 31. Mai schwer verletzt wurde, ist unsere Welt eine andere“, zitiert Seidelmann aus dem Brief der Familie. Noch am Vortag hätten sie Zeit miteinander verbracht. „Tschüss, bis bald“, habe Rouven mit dem ihm typischen Lächeln bei seiner Verabschiedung gesagt.

Immer wieder bricht Seidelmann beim Lesen die Stimme weg. Der Bürgermeister hat sichtbar, vor allem hörbar Mühe, die Worte der befreundeten Familie zu verlesen.

„Dem eigenen Kind, dem Bruder und dem Schwager, mit dem man noch am Vortag gemeinsam gekocht hatte, beim Sterben zuzusehen, will der Verstand nicht begreifen“, heißt es in dem Brief. Nur ganz langsam fange die Familie an, zu realisieren, dass ihr Sohn und Bruder fortan fehlen wird. „Wenn wir in Whatsapp schreiben, wird seine Antwort fehlen. Wenn wir seinen Rat brauchen: keine Antwort mehr.“ Vor allem die Gespräche mit ihm und sein Lachen würden fehlen. „Rouven hat eine Lücke hinterlassen, die können wir nicht mehr schließen. Sie bleibt für immer“, liest Seidelmann vor.

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Laurs Tod solle ein Zeichen sein, dass sich in der Gesellschaft vieles bewegen müsse. „Rouven hätte nicht gewollt, dass wir uns von Hass und Wut überwältigen lassen. Stattdessen hätte er uns ermutigt, seine Werte weiterzugeben und für eine Veränderung und Neuausrichtung zu kämpfen“, schreiben die Angehörigen. Es liege an allen, vor allem an den Politikern, dass sich etwas ändere. „Wir wollen und wir dürfen seinen Tod nicht als sinnlos hinnehmen. Nur so kann Rouven die Ehre erwiesen werden, die er verdient.“

Freiwillig beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg

Rouven, so schreibt es die Familie, wollte immer schon Polizist werden. Einen Plan B habe es nicht gegeben. „Die Kollegen waren seine zweite Familie. Er war mutig, ambitioniert und stets bereit, sich Herausforderungen zu stellen.“ Nachdem Seidelmann den Brief verlesen hat, brandet Applaus auf - nicht nur im Rosengarten, sondern auch draußen auf dem Friedrichsplatz.

Im Rosengarten teilen Kollegen ihre Erinnerungen an Rouven Laur. Nach der Hochschule sei er als junger Polizist 2017 nach Neckargemünd gekommen, erzählt Ralf-Peter Schwindt, Leiter des Reviers Eberbach. Mit seiner menschlichen Art habe sich Laur schnell beliebt gemacht. Zudem sei er engagiert und fleißig gewesen. Bei Einsätzen habe er Verantwortung getragen.

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„Rouven war mittendrin, wollte was erleben und sich weiterentwickeln“, sagt Schwindt. So habe er sich 2017 zum G20-Gipfel in Hamburg gemeldet. 2021 bekleidete Laur seine erste Führungsposition als Dienstgruppenleiter. Er wollte außerdem in den höheren Dienst. „Bei unserem letzten Gespräch hat er von seiner aufregenden Zeit beim Innenministerium in Stuttgart erzählt“, erinnert sich Schwindt.

Die Trauerfeier endet mit einem Film, für den die Polizeidienststellen des Landes und darüber hinaus verantwortlich sind. Anschließend gibt es Applaus. Die letzte Würdigung für Rouven Laur.

Redaktion

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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