Bundesgartenschau

Tisch der Nationen: Wie Kinder und Künstler ein Friedenssymbol geschaffen haben

Der "Tisch der Nationen" hat 193 Stühle - so viele Länder zählt die UN. Die Idee dazu ist nach dem Ukrainekrieg entstanden. Schüler, Straftäter und Künstler haben mitgewirkt

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Peter W. Ragge
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Sie haben sich mit den Ländern beschäftigt: die Klasse 4b der Michel-Buck-Schule in Ehingen auf der Buga. © Christoph Blüthner

Mannheim. Thermoskannen mit Kaffee stehen oft darauf, aber auch Proseccoflaschen, Wein, Eistee, Wasser und viele Plastikdosen mit Proviant. Am „Tisch der Nationen“ unter einem Vordach nördlich der U-Halle auf dem Spinelli-Areal machen sehr gerne viele Besucher der Bundesgartenschau Picknick oder einfach kurz Pause im Schatten. Aber der 60 Meter lange Tisch mit 193 Stühlen ist noch viel mehr – eine Friedensbotschaft von Kindern und Künstlern.

„Es ist ein ganz toller Platz geworden, ein sehr belebter Platz und ein Besuchermagnet“, freut sich Miriam van Hazebrouck, Prokuristin der Bundesgartenschau-Gesellschaft. Zugleich äußert sie sich „sehr stolz“ darüber, was der Tisch nämlich auch ist – ein großes Symbol für Frieden, Internationalität und Nachhaltigkeit. Als mitten während der Vorbereitungen auf die Bundesgartenschau nämlich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine losging, wollte das Buga-Team nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. So entstand die Idee, eine lange Tafel gestalten zu lassen, die so viele Stühle hat wie die Vereinten Nationen Mitglieder: 193.

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Diese Mitglieder haben genau jene Nachhaltigkeitsziele beschlossen, denen sich die Bundesgartenschau verpflichtet fühlt und die sie gärtnerisch-künstlerisch in den 17 Nachhaltigkeitsgärten umgesetzt hat. Beim „Tisch der Nationen“ sind es wiederum Künstler und Kinder, die ihn geschaffen haben – beziehungsweise die Stühle. Alle 193 sehen anders aus, sind mit Farben, Symbolen und Applikationen passend zur jeweiligen Nation und ihrer Nationalflagge gestaltet worden.

„Eine grandiose Idee“, findet Marianne Wurst, Oberdischinger Textilgestalterin und beim Bund der Kunsthandwerker Baden-Württemberg für das Projekt verantwortlich. Über 100 Mitglieder des Bunds der Kunsthandwerker aus ganz Deutschland haben sich daran beteiligt und einzelne Stühle sehr individuell für die Nationen kreiert.

Doch es wirkten noch mehr Institutionen mit, darunter die Freie Kunstakademie Nürtingen, das Jugendzentrum Ehingen, das Caritas Quartiersprojekt Wenzelstein sowie die Michel-Buck-Schule Ehingen (Landkreis Biberach). Drei Stühle hat die Klasse 4b übernommen – für Südsudan, Aserbaidschan sowie São Tomé und Príncipe. Was dabei herausgekommen sei, das nennt Lehrerin Theresia Wurst „einen Ausdruck der Emotionalität und Lebenswirklichkeit“ der Schüler.

Die Viertklässler selbst drücken das ganz anders aus – natürlicher, engagierter. Denn schnell wird klar, dass sie sich sehr intensiv mit den drei Ländern befasst haben. In Gruppen tragen sie nun vor, was sie darüber wissen. Etwa, dass der Südsudan erst seit zwölf Jahren vom Sudan unabhängig ist. „Aber das gefiel nicht allen Leuten, daher gab es Krieg“, so die Erklärung der Schüler. Und weil viele Bauern in den Krieg gezogen seien und ihre Felder nicht mehr bestellten, habe es eine Hungersnot gegeben. „Wir wünschen den Menschen dort Frieden, Gerechtigkeit, viel Essen und Glück“, sagen die Viertklässler.

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Fünf Mädchen und ein Junge tragen vor, was sie über Aserbeidschan wissen – dass es ein schönes Land sei, prächtige Gebäude aufweise, früher Teil der Sowjetunion gewesen sowie ein reiches Land sei: „Den Menschen geht es gut, weil Erdöl da ist“. Über Erdöl verfüge, so drei Buben, auch der Inselstaat São Tomé und Príncipe, eine ehemalige, seit 1975 unabhängige portugiesische Kolonie im Golf von Guinea vor Westafrika mit großen vulkanischen Felsen. Aber die Schüler arbeiten eben auch heraus, dass die Erschließung von Erdölvorkommen den dortigen Einwohnern zwar Einnahmen bringt, das aus Öl hergestellte Plastik aber weltweit ein großes Problem in den Meeren ist.

Zusätzlich zu den drei Ländern, zu denen sie einen Stuhl gestalteten, haben sich die Grundschüler noch Argentinien vorgenommen, bei ihrem Schulfest Obstspieße verkauft und so Geld für eine Schule in einem dortigen Armenviertel gesammelt. Das fließe nun dorthin, „damit die Kinder mal gescheites Obst bekommen“, wie sie sagen.

„Wir mischen mit“

Mohammed Alkhudor bringt dann die Botschaft der Kinder auf den Punkt. Sie hätten sich „vorgenommen, besser auf unsere Erde aufzupassen“, so der Zehnjährige, „denn wir sind die Zukunft, wir mischen mit“, formuliert er bemerkenswert druckreif. Dazu passend singt dann die ganze Klasse den Titel „Wir mischen mit“ von dem Kinderliedermacher Siegfried Fietz.

Doch was wären die 193 Stühle vom „Tisch der Nationen“ ohne den dazu passenden Tisch? Der ist, 60 Meter lang und aus 24 Teilen aus Douglasienholz, in der Arbeitstherapie der Forensischen Klinik Zwiefalten des ZfP Südwürttemberg entstanden. „Sie haben eine Straftat begangen und wurden in Therapie geschickt“, sagt Schreinermeister und Ergotherapeut Stefan Broszeit über die zwölf Patienten, mit denen er den Tisch fertigte. Alle hätten zum ersten Mal mit Holz gearbeitet. „Es war für sie eine große Herausforderung“, so Broszeit. Aber dass sie dann nach Mannheim kommen und ihr Werkstück selbst auf der Bundesgartenschau aufbauen durften, sei für alle „ein großes Highlight im Klinikalltag“ gewesen.

Redaktion Chefreporter

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