Kommunalpolitik - Mannheims neuer CDU-Chef Christian Hötting erklärt im Interview, wie er das Image seiner Partei aufpolieren will

So will Christian Hötting Mannheims CDU wieder flott machen

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Timo Schmidhuber
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Der 45 Jahre alte Justizfachwirt Christian Hötting ist neuer Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Mannheim. © Christoph Blüthner

Mannheim. Mannheims neuer CDU-Chef Christian Hötting erklärt, wie er das Image seiner Partei aufpolieren will, wie er das Verhalten von Thomas Hornung fand und ob er während der Amtszeit von Nikolas Löbel ruhig schlafen konnte.

Herr Hötting, können Sie sich einen schlechteren Start ins Amt des neuen Mannheimer CDU-Kreisvorsitzenden vorstellen als Ihren?

Christian Hötting: Ich sag’ mal so: Schlimmer geht immer, aber optimal war er nicht.

Da sind die für viele immer noch unklaren Partei-Finanzen in der Amtszeit von Nikolas Löbel – und dann sorgte beim Parteitag auch noch der Eingriff Ihres Parteifreundes Thomas Hornung in eine Live-Schalte des SWR bundesweit für Schlagzeilen. Wie wollen Sie dieses negative Image des Kreisverbandes wieder aufpolieren?

Hötting: Indem wir jetzt versuchen, in die Sacharbeit einzusteigen, und darum geht’s uns auch letzten Endes. Wir wollen nach vorne blicken und den Leuten ein gutes inhaltliches Angebot machen.

Bevor wir zu Ihrem inhaltlichen Programm kommen: Muss Thomas Hornung aus Ihrer Sicht die Partei verlassen, wie es einige Landtagsabgeordnete am Wochenende gefordert haben?

Hötting: Thomas Hornung hat mit dieser Aktion der Partei mit Sicherheit keinen Gefallen getan. Aber ein Parteiausschluss wird bei uns intern derzeit nicht diskutiert.

Lassen Sie uns nochmal einen Blick in die Vergangenheit werfen und damit auf das Gutachten, das Wirtschaftsprüfer über die Finanzen der Löbel-Amtszeit angefertigt haben. Sie als neuer Vorsitzender haben jetzt angekündigt, Ihren Mitgliedern weitere Termine zur Einsichtnahme anzubieten. Und die Mitglieder dürfen – anders als in der Verschwiegenheitserklärung gefordert – auch untereinander über den Inhalt des Gutachtens sprechen. Warum wurde das nicht von Beginn an so gemacht?

Hötting: Der Landesverband hat ja mit seiner Tischvorlage beim Kreisparteitag die Verschwiegenheitserklärung nochmal präzisiert. Die war an dieser Stelle missverständlich und wurde deshalb klargestellt: Die Mitglieder, die in das Gutachten Einsicht genommen haben, dürfen sich mit anderen Mitgliedern, die das ebenfalls getan haben, austauschen. Was nicht möglich ist, ist ein Austausch mit Dritten, die diese Verschwiegenheitserklärung nicht unterzeichnet haben.

So stand das aber nicht in der Verschwiegenheitserklärung.

Hötting: Ja, deshalb gab es ja auch die Klarstellung.

Und warum hat man nicht gleich von Anfang an mehrere Termine zur Einsichtnahme in Mannheim angeboten – statt zwei von drei in Stuttgart abzuhalten?

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Hötting: Die Organisation der Einsichtnahme ist Sache der Landesgeschäftsstelle, und die muss das natürlich auch alles bewerkstelligen können. Sie haben in der Kürze der Zeit drei Termine angeboten, und das finde ich auch völlig in Ordnung. Jetzt sammeln wir, was noch so an Wünschen zur Einsichtnahme kommt und wieviele weitere Termine nötig sind. Dann werden wir das gemeinsam mit dem Landesverband organisieren.

Sie haben sich für Transparenz starkgemacht. Bedeutet das nicht, das Gutachten auch der Öffentlichkeit zu zeigen?

Hötting: Wir sind mit der Transparenz an die Grenze gegangen, die wir rechtlich vertreten können. Wir haben uns da beraten lassen, und uns wurde das auf den Weg gegeben.

Und warum kann man nicht einfach die Namen schwärzen und dann das Gutachten an die Öffentlichkeit geben? Da würde man doch dem Datenschutz genüge tun.

Hötting: Das sehen die Wirtschaftsprüfer anders, die uns dringend zu unserem Verfahren geraten haben. Man kann natürlich Zusammenhänge herstellen zu Namen und Tätigkeiten. Das Gutachten ist eine Sache, die uns parteiintern beschäftigt, und ich halte wenig davon, da jetzt die Öffentlichkeit breit darüber zu informieren.

Christian Hötting

  • Seit vergangenen Freitag ist der 45 Jahre alte Justizfachwirt Christian Hötting neuer Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Mannheim. Beim Parteitag hatte der bisherige Pressesprecher der Partei und Chef des Ortsverbandes Nordost 72,3 Prozent der Stimmen bekommen.
  • Hötting war vor sieben Jahren von Nordrhein-Westfalen nach Mannheim gekommen. Davor saß er für die CDU 15 Jahre im Gemeinderat seiner Heimatgemeinde Schermbeck. In dem 14 000-Einwohner-Ort war Hötting auch zehn Jahre CDU-Vorsitzender. imo

 

Berichten zufolge enthält das Gutachten 28 Hinweise auf mögliche Verstöße. Es soll um Verstöße gegen das Abgeordnetengesetz und das Parteienrecht gehen, weil in der Kreisgeschäftsstelle Parteiarbeit, Abgeordnetenarbeit und berufliche Tätigkeit von Nikolas Löbel nicht klar getrennt gewesen sein sollen. Es soll aber auch um unklare Belege für Spenden und Werbekosten gehen, was auf Untreue und Betrug hinweisen könnte. Wie wollen Sie damit umgehen?

Hötting: Wir gehen selbstverständlich den Hinweisen in dem Gutachten nach. Und alle Handlungsempfehlungen, die wir umsetzen können, werden wir auch umsetzen, das ist keine Frage. Eines muss man aber noch wissen: Dieses Gutachten kann sich ja nur um die Parteifinanzen drehen. Verknüpfungen zur Löbel Projektmanagement GmbH oder zur Arbeit des Bundestagsabgeordneten kann dieses Gutachten ja gar nicht leisten, weil wir keinen Zugriff auf diese Unterlagen haben. Die einzige Institution, die solche Verknüpfungen herstellen kann, ist die Staatsanwaltschaft. Und die hat von uns das Gutachten bekommen – ungeschwärzt.

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Dann lassen Sie uns auf der Partei-Ebene bleiben. Hier soll das Gutachten laut Aussagen von Mitgliedern unter anderem bemängeln, dass wesentliche Finanzentscheidungen ohne notwendigen Vorstandsbeschluss getroffen wurden. Sie gehörten dem Kreisvorstand an – wussten oder wissen Sie von solchen Finanzentscheidungen?

Hötting: Nein, davon weiß ich nichts. Wenn uns eine Entscheidung vorgelegt wurde, dann habe ich natürlich mitbeschlossen. Aber ich weiß nicht, was uns nicht vorgelegt wurde.

War in der Amtszeit von Nikolas Löbel als Kreisvorsitzender alles so, dass Sie immer gut schlafen konnten?

Hötting (lacht): Was soll ich darauf jetzt antworten? Ich habe mich über manche Sachen natürlich insofern geärgert, weil ich den Kreisverband vielleicht intern anders aufgezogen hätte oder weil wir auch unterschiedliche Auffassungen bei der Einbindung von Ortsverbänden hatten. Aber dass ich da jetzt wahnsinnig schlecht geschlafen hätte? Nein.

Warum hatte Nikolas Löbel eine Kontovollmacht für den Kreisverband und warum wurde die nach seinem Ausscheiden nicht sofort aufgehoben, sondern blieb bis Ende Juli?

Hötting: Dass die Einzelvollmacht für Herrn Löbel war, das ist mir ehrlich gesagt neu. Das wird behauptet, aber ob das stimmt, kann ich Ihnen nicht bestätigen. Dazu müsste ich Bezug aufs Gutachten nehmen, was ich nicht darf.

Wissen Sie von unerlaubten Spenden an den Kreisverband oder von unerlaubten Spenden in Ortsverbänden?

Hötting: Darüber ist mir nichts bekannt.

Warum enthielt der Rechenschaftsbericht, der beim Kreisparteitag vorgelegt wurde, keine kaufmännische Bilanz?

Hötting: Weil wir keine kaufmännische Bilanz als Rechenschaftsbericht vorlegen müssen als Partei. Wir müssen Eingaben und Ausgaben vorlegen, das steht meiner Kenntnis nach auch so im Parteiengesetz.

Es gab ja einen Kreisvorstandsbeschluss, wonach der Rechenschaftsbericht beim nächsten Parteitag ausgelegt werden sollte. Das wurde gegenüber dem „MM“ im Oktober 2020 auch so angekündigt. Warum ist das beim jüngsten Parteitag nicht geschehen?

Hötting: Er lag nicht auf jedem Tisch und auf allen Sitzen – aber er war da und hätte eingesehen werden können.

Hat die Buchhaltung in den vergangenen Jahren immer der Schatzmeister gemacht?

Hötting: Die Buchhaltung ist bearbeitet worden vom Schatzmeister, von der Geschäftsführerin und von dem Steuerberatungsbüro, das uns bei der Buchhaltung unterstützt.

Wie fanden Sie beim Parteitag die Resonanz auf Ihre Bewerbungsrede? Ich fand, der Applaus war doch sehr verhalten, man hatte den Eindruck, die Mitglieder waren einfach froh, dass der alte Vorstand entlastet wurde und ein neuer Vorsitzender da ist, ganz unabhängig davon, was der Neue sagt.

Hötting: Der Parteitag war sehr emotional, da gingen die Wogen sehr hoch, und als meine Wahl anstand, war es schon ein bisschen spät. Ich weiß nicht, ob es an der mangelnden Begeisterung der Leute für meine Person lag oder an der vorgerückten Stunde – es ist applaudiert worden, aber ich habe jetzt nicht im Kopf, ob der Applaus groß oder klein war. Dazu war ich – wenn ich das so sagen darf – auch zu aufgeregt.

Wie wollen Sie die Kritiker einbinden? Viele von ihnen hat der Parteitag nicht zufriedengestellt.

Hötting: Ich glaube, da sind wir gut beraten, wenn wir da ein wenig Zeit ins Land gehen lassen. Die Emotionen sind da sehr hoch geraten, und mit ein bisschen Abstand kann man da sicher in einiger Zeit den Schritt aufeinander zugehen. Meine Tür ist immer offen. Wir haben unser Möglichstes getan, die Fragen zu beantworten.

Blicken wir in die Zukunft. Mit welchen politischen Inhalten wollen Sie die Wählerinnen und Wähler in Mannheim überzeugen?

Hötting: Das kommt natürlich ganz darauf an, was den Mannheimerinen und Mannheimern am Herzen liegt. Da werden wir in nächster Zeit versuchen, sehr deutlich in die Stadtgesellschaft hineinzuhorchen. Ich weiß, dass das Thema Verkehr ein großes ist, dem wir uns als CDU natürlich auch stellen müssen. Wir werden Antworten finden müssen, wie wir den Spagat Auto, Fahrrad und ÖPNV lösen wollen. Viele beschweren sich außerdem über die Infrastruktur bei Schulen, Kindergärten, Straßen und Wegen. Wir wollen in nächster Zeit durch Veranstaltungen und stärkeres Vor-Ort-Sein die Themen abgreifen, die die Bürger bewegen.

Zuhören ist das eine. Aber wie sieht denn Ihre Vision aus von Mannheim in den nächsten zehn Jahren?

Hötting: Ich glaube, dass wir eine Stadt brauchen, deren Vororte Leben haben. Wir haben im Moment in vielen Stadtteilen das Problem, dass die Zentren der Vororte absterben. Mannheim hat außerdem eine verhältnismäßig hohe Arbeitslosenquote. Wir müssen uns deshalb um Arbeitsplätze jenseits der Industrie bemühen, im Bereich Dienstleistungen, Technik oder Medizin, wo es in Mannheim schon einiges gibt. Ich bin außerdem der Ansicht, dass wir einen engmaschigeren ÖPNV brauchen. Und ich glaube auch, dass sich Fahrrad und Auto nicht ausschließen, wenn beide Seiten guten Willen zeigen und keine Maximalforderungen aufstellen. Wichtig ist natürlich auch die Förderung der Kulturszene, Kultur ist ein Markenzeichen für Mannheim. Das alles steht natürlich im Spannungsfeld einer angespannten Finanzlage, Mannheim ist da natürlich wie andere Kommunen auch sehr gebeutelt.

Wie wollen Sie mit den konservativen Werten, für die die CDU steht, eine großstädtische Wählerschicht ansprechen?

Hötting: Es zeigt sich, dass sich die jüngere Generation verstärkt Themen zuwendet wie Familie, Sicherheit und Freundschaft. Themen also, die als konservativ gelten. Diese Themen werden in der Großstadt aber momentan nicht mehr mit uns verknüpft. Das ist in der Tat eine Aufgabe, die wir haben. Wir müssen es uns hier zum Ziel setzen, ein Umfeld zu schaffen, in dem Familien gut leben können, Stichwort Schulen, Stichwort Kita-Plätze.

Und wen schicken Sie ins Rennen um die OB-Wahl? Haben Sie schon mögliche Kandidatinnen oder Kandidaten im Kopf? Allzu lange dauert es ja nicht mehr bis 2023….

Hötting: Damit werden wir uns jetzt beschäftigen. Namen sind immer im Kopf, aber wir stehen hier erst am Anfang des Prozesses.

Nicht nur der Kreisverband muss sich neu aufstellen, auch die Bundes-CDU. An diesem Samstag gibt es in Berlin eine Konferenz der Kreisvorsitzenden, auf der der Weg zu einer neuen CDU-Führung besprochen werden soll. Ein Thema dabei: Soll es eine Mitgliederbefragung geben, um die neuen Parteiführung zu finden? Wie sehen Sie das?

Hötting: Ich bin immer ein großer Freund von Basisbeteiligung und fände eine Mitgliederbefragung absolut in Ordnung.

Wen würden Sie sich an der Spitze der Bundes-CDU wünschen?

Hötting: Ich ganz persönlich als CDU-Mitglied – nicht als Kreisvorsitzender – könnte mir Norbert Röttgen gut vorstellen.

Der ist aber keine Frau. . .

Hötting: Ich kann Frauen nur ermuntern, sich zu bewerben. Meine Präferenz für Norbert Röttgen bezieht sich auf die Namen, die bisher im Spiel sind, wie Friedrich Merz, Jens Spahn, Daniel Günther oder Ralph Brinkhaus. Wenn sich da jetzt eine Frau nach vorne arbeitet, dann bin ich der Letzte, der sagt: Das sollte keine Frau sein. Angela Merkel war ja auch lange Vorsitzende und hat die Partei gut geführt.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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