Parteitag

Hötting neuer Chef der Mannheimer CDU - Kreisvorstand entlastet

Von 
Timo Schmidhuber
Lesedauer: 
Zum neuen CDU-Kreisvorsitzenden gewählt: Christian Hötting. © Christoph Bluethner

Mannheim. Der 45 Jahre alte Justizfachwirt Christian Hötting ist neuer Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Mannheim. Von den knapp 160 anwesenden Mitgliedern in der Feudenheimer Kulturhalle erhielt das bisherige Vorstandsmitglied und Chef des CDU-Ortsverbandes Nordost 72,3 Prozent der Stimmen. Der zweite Bewerber um das Amt, der 40-jährige Politik- und Verwaltungswissenschaftler sowie Historiker Ilya Zarrouk, konnte sich nicht durchsetzen.

„Ich kann die Vergangenheit nicht rückgängig machen, aber ich kann aus ihr lernen und sie gemeinsam mit Ihnen gestalten“, hatte Hötting in seiner Bewerbungsrede mit Blick auf die Querelen in der Partei vor allem nach der Masken-Affäre des früheren Parteichefs Nikolas Löbel erklärt. Hötting will nach eigenen Angaben „zuhören“. Er möchte zum einen die Mitglieder stärker einbinden und den Austausch stärken. Er wolle dafür zum Beispiel für „mehr inhaltliche Parteitage“ sorgen, betonte Hötting. „Ich möchte der Vorturner für eine Mannschaft sein, obwohl ich kein großer Sportler bin.“ Zuhören will Hötting aber auch den Bürgerinnen und Bürgern und sich um ihre Anliegen kümmern. Er setzt dabei auf die Tradition der CDU. „Wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille.“ Auf seine Rede bekam Hötting allerdings nur verhaltenen Applaus.

Die kommissarische Kreisvorsitzende Katharina Funk (r.) bei ihrem Bericht. © Christoph Blüthner

Zuvor hatten die Mitglieder auf dem mehr als vier Stunden dauernden Parteitag den geschäftsführenden Vorstand um die kommissarische Chefin Katharina Funk mit großer Mehrheit entlastet. Zu Beginn der Sitzung hatte ein Teil der Mitglieder in der Feudenheimer Kulturhalle den Antrag gestellt, die Entlastung des Vorstands und die Wahl einer neuen Führung zu verschieben. Zu den Antragstellern gehörten die Vorstandskritiker Heinrich Braun, Ingeborg Dörr, Roland Hartung, Egon Jüttner, Konrad Schlichter, Rolf Schmidt und Ulrich Seel. Sie forderten zuerst eine Aufklärung der offenen Finanz-Fragen rund um den Kreisverband. In einer geheimen Abstimmung wurde der Antrag allerdings mit rund zwei Dritteln der Stimmen abgelehnt. Um ihn war zuvor heftig gestritten worden: Claudius Kranz, der CDU-Fraktionschef im Gemeinderat, sprach sich vehement gegen die Forderung aus: „Wenn wir heute Abend ohne einen gewählten Vorstand rausgehen und nicht einen Schnitt machen, wo wir als CDU hinwollen, dann ist das unsere politische Kapitulation in Mannheim. Das können wir uns nicht erlauben.“ Heinrich Braun dagegen hielt eine Verschiebung der Wahl für dringend geboten. „Wir können nur eine Wahl über den neuen Vorstand treffen, wenn wir die vollständigen Fakten kennen“, erklärte er mit Blick auf die Untersuchung der Finanzverhältnisse. In dem Gutachten über die Finanzen seien sechs Personen geschwärzt. „Es droht, dass wir dieselbe Truppe wieder wählen, die uns das eingebrockt hat.“

Aus Sicht des CDU-Landesverbandes, der mit seiner Generalsekretärin Isabell Huber in Feudenheim vertreten war, ist die Aufklärung der Partei-Finanzen ausreichend. In einem Papier, das beim Parteitag auf den Plätzen auslag, betonte der Landesverband in Sachen Finanz-Gutachten, dass er die Bewertung des Mannheimer Kreisvorstands „für plausibel“ halte. Das Papier auf den Plätzen sagte aber überraschenderweise plötzlich mehr zum Gutachten, als von Landes- und Kreisverband bislang zu hören war. Und wiederholte gleichzeitig in groben Zügen nochmal das, was bereits am Freitag auf mannheimer-morgen.de zu lesen war. Demnach habe die Prüfung „erhebliche Schwächen in den Prozessabläufen sowie in der Aufbau- und Ablauforgansisation“ ergeben. Für wesentliche Entscheidungen habe es „keine Freigaben durch den CDU-Kreisvorstand“ gegeben. Insgesamt hätten sich in der Prüfung 28 Mängel-Feststellungen ergeben, von denen 15 „mit der Priorität hoch gekennzeichnet wurden“. Das Gutachten ergab nach Überzeugung des Landesverbandes aber weder strafbare Handlungen noch Verstöße gegen das Parteiengesetz. Um die organisatorischen Handlungsempfehlungen aus dem Gutachten, so der Landesverband, müsse sich der neu zu wählende Vorstand kümmern.

Das Gutachten

Der CDU-Kreisvorstand hatte den Landesverband gebeten, ein Gutachten in Auftrag zu geben, das die Miet-, Darlehens- und Arbeitsverträge sowie die Finanzbuchhaltung der Kreisgeschäftsstelle ab Januar 2017 prüft. Zuvor hatte es lange schon Diskussionen gegeben, ob bei Verträgen, Abrechnungen und Abläufen in der Kreisgeschäftsstelle unter dem Vorsitzenden Nikolas Löbel alles rechtmäßig abgelaufen ist.

Der Kreisvorstand hat Anfang Oktober vor Parteimitgliedern und Pressevertretern mitgeteilt, dass sich aus dem Gutachten keine strafbaren Handlungen oder Verstöße gegen das Parteienrecht ergäben.

Parteimitglieder, die das Gutachten – mit großen Einschränkungen – sehen konnten, sprechen dagegen von 28 Mängelrügen – alle Rügen wiesen auf Rechtsverstöße und mögliche Straftaten hin.

Wie der Landesverband, betonte auch die kommissarische Kreisvorsitzende Katharina Funck in ihrem Bericht, dass sich die Führung der Mannheimer CDU in Sachen Aufklärung nichts vorzuwerfen habe. „Wir haben an der Aufklärung aller Vorwürfe, wo immer möglich, aktiv mitgearbeitet.“ Dafür bekam sie viel Applaus von den Mitgliedern in der Halle. Das Verhalten der Vorstandskritiker um die Partei-Granden Egon Jüttner, Rolf Schmidt und Roland Hartung bezeichnete Funck als bisweilen „parteischädigend“. Sie warf ihnen vor, die gewählten Parteivertreter „öffentlich zu verleumden“ und „die Partei nicht zur Ruhe kommen zu lassen“ und zitierte dabei aus E-Mails der Vorstandskritiker. Bei Funcks Rede kam es immer wieder zu empörten Zwischenrufen von verschiedenen Seiten. Mit Blick auf Egon Jüttner sagte Funck, dieser habe „ein falsches Verständnis von Ehrenvorsitz“.

Schatzmeister Thorsten Bock erklärte in seinem Kassenbericht, der Mannheimer Kreisverband sei derzeit schuldenfrei.

CDU-Stadtrat greift in Live-Schalte ein - Beitrag wird abgebrochen

Für Aufregung sorgte kurzzeitig CDU-Stadtrat Thomas Hornung, der in ein Live-Interview eines SWR-Fernsehtemas mit dem Kreisvorstands-Kritiker Heinrich Braun im hinteren Teil des Saals eingriff. Hornung unter brach und kritisierte  die sprechende Reporterin so lange, bis diese den Beitrag abbrechen musste. Die Journalistin war am Freitagabend in der TV-Sendung "SWR Aktuell Baden-Württemberg" zugeschaltet, um im Sitzungssaal über die Debatte zur Verstrickung der Kreis-CDU in die Geschäfte des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel zu berichten. Dies empfand der CDU-Stadtrat und ehemalige Büroleiter Löbels, Thomas Hornung, nach eigenen Angaben als störend und griff in den Beitrag ein.

"Es wurde ausgerechnet in dem Moment live und laut berichtet, als die kommissarische Kreisvorsitzende in ihrem Rechenschaftsbericht auf die Vorwürfe in der Sache einging", sagte Hornung der Deutschen Presse-Agentur am Samstag. Deshalb hätte das Interview seines Erachtens nicht zeitgleich und im Raum abgehalten werden dürfen. "Ich habe da sicher im Affekt gehandelt und bin über mich hinausgeschossen", sagte Hornung. Er ergänzte aber, den Eingriff bereue er nicht.

Der baden-württembergische SPD-Generalsekretär Sascha Binder forderte die CDU auf, sich bei der Reporterin und dem SWR zu entschuldigen. Es sei nicht hinnehmbar, wenn bei einer CDU-Veranstaltung in Anwesenheit der Landesgeneralsekretärin Isabell Huber eine Journalistin bei ihrer Arbeit behindert werde. "Das kannten wir bisher nur von AfD-Veranstaltungen", sagte Binder am Samstag in Freiburg. (mit dpa)

Mehr zum Thema

Politik

Vor dem Kreisparteitag: Wie viel Löbel steckt noch in der CDU Mannheim?

Veröffentlicht
Von
Stefan Proetel
Mehr erfahren
Politik

„Wir brauchen einen sauberen Abschluss“

Veröffentlicht
Von
Stefan Proetel und Timo Schmidhuber
Mehr erfahren
Partei

CDU-Gutachten: Parteimitglied Konrad Schlichter legt Gedächtnisprotokoll offen

Veröffentlicht
Von
Stefan Proetel
Mehr erfahren

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen