Neu im Gemeinderat

Sengül Engelhorn ist in mehreren Welten zu Hause

Ihren Nachnamen kennt in Mannheim jeder: Aber wer ist Sengül Engelhorn, die neu bei der CDU ist - und auf Anhieb mit am meisten Stimmen bei der Kommunalwahl erhalten hat?

Von 
Martin Geiger
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Sengül Engelhorn konzentriert sich auf wichtige städtische Themen wie Finanzen, Wirtschaft und Innenstadtentwicklung – aber auch Migration. © Martin Geiger

Mannheim. Engelhorn. Kaum ein Nachname löst in Mannheim mehr Bilder und Vorstellungen aus. Doch wer sich mit Sengül Engelhorn im gleichnamigen Kaufhaus-Tempel in der Innenstadt unterhält, um diese Neue im Gemeinderat vorzustellen, ahnt nach einer guten Stunde, dass diese Bilder und Vorstellungen nur ein kleiner Teil der Wahrheit sind.

Natürlich trägt die Frau von Fabian Engelhorn, dem geschäftsführenden Gesellschafter der Mannheimer Einzelhandel-Dynastie, ihren Namen ebenso wie die Engelhorn-Tragetasche über ihrer Schulter mit Eleganz und einem gewissen Stolz. Und natürlich wird sie den damit verbundenen Erwartungen gerecht: Der cremefarbene Blazer, die schwarzen Haare, die strahlend weißen Zähne – alles ist dezent, aber perfekt. Doch das sind nur Äußerlichkeiten.

Vater von Sengül Engelhorn zog aus der Türkei nach Mannheim

Wer die 49-Jährige besser verstehen will, sollte den Blick auf das Dorf Varto bei Mus im Osten der Türkei richten, in dem etwa zwei Dutzend Häuser stehen und es mutmaßlich mehr Schafe, Ziegen und Kühe als Einwohner gibt. Denn das hat sie mehr geprägt als ihr großer Name.

Dort wurde sie geboren, und von dort ist ihr Vater 1973 aufgebrochen, um in Deutschland Geld für seinen Traum zu verdienen: ein eigenes Haus in Anatolien. Sieben Jahre lang arbeitete er in Friedrichsfeld, lebte im Männerwohnheim und schickte Geld nach Hause. Erst 1980 entschied er, in Deutschland zu bleiben. Nicht seinetwegen – sondern weil er da bessere Bildungschancen für seine Kinder sah, erzählt Engelhorn.

Neu im Mannheimer Gemeinderat

  • Nach der Kommunalwahl am 9. Juni sind 17 Männer und Frauen neu in den Gemeinderat eingezogen.
  • In dieser Serie stellen wir die Neuen in loser Folge vor.

 

Mit allen Vieren fühlte er sich in der neuen Heimat jedoch überfordert. Also zogen neben seiner Frau nur die fünfjährige Sengül und ihr dreijähriger Bruder mit ihm in die Wohnung auf der Hochstätt. Die Älteren blieben bei den Großeltern und kamen erst ein Jahr später nach.

Sengül Engelhorn kennt also neben der Glitzerwelt, die viele mit ihrem Namen verbinden, noch eine ganze andere. Diese Wurzeln sind ihr wichtig. Darum reist sie regelmäßig mit ihrer Familie nach Anatolien. Und deshalb will sie diese Erfahrungen auch an ihre drei Kinder weitergeben: „Die können es schon gar nicht mehr hören, wenn ich wieder damit anfange“, sagt sie lachend.

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Vermutlich müssen sie es mittlerweile auch kaum noch hören, schließlich sind sie mit 15, 17 und 22 Jahren inzwischen aus dem Gröbsten raus. Und so beginnt auch für ihre Mutter, für die in den letzten 17 Jahren die Familie der Hauptberuf war, ein neuer Lebensabschnitt. In diesem soll die Kommunalpolitik eine wichtige Rolle spielen.

Christian Specht überzeugte sie von der CDU

Geplant war das nicht, erzählt sie. Doch eines Tages habe sie Christian Specht, den sie im Oberbürgermeister-Wahlkampf unterstützt und kennengelernt hatte, gefragt, ob sie sich nicht bei der CDU engagieren wolle. Und weil sie beeindruckt war, „dass man doch viel bewegen kann als Stadträtin“ und Mannheim etwas zurückgeben wollte („Mannheim war unheimlich gut zu mir und meiner Familie“) konnte sie sich das schon vorstellen.

Aber als alevitische Türkin ausgerechnet in der Christlich Demokratischen Union? Wieder gab Specht den Ausschlag: „Er sagte etwas ganz Wichtiges zu mir“, erinnert sich Engelhorn. „Betrachte doch das Christliche im Parteinamen nicht als Religion, sondern als Symbol für die Werte, die in allen großen Religionen gleich sind – und damit hat er mich überzeugt.“

Überzeugt waren offenbar auch die Wählerinnen und Wähler. Schließlich hat sich Engelhorn bei der Kommunalwahl nicht nur auf der CDU-Liste vom fünften auf den dritten Platz vorgeschoben, sondern aus dem Stand mit fast 40 000 Stimmen die insgesamt sechstmeisten geholt – selbst mehr als SPD-Spitzenkandidat Reinhold Götz.

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So richtig realisiert habe sie das erst bei der ersten Sitzung des neuen Gemeinderats Mitte Juli, erzählt Engelhorn: „Ich hatte Tränen in den Augen.“ Denn da sei ihr bewusstgeworden: „Da sind Menschen, die haben an mich geglaubt.“

So lautet ihr wichtigstes Ziel als Stadträtin: „Diese Menschen nicht zu enttäuschen.“

Inhaltlich sind ihr als Betriebswirtin vor allem drei Themen wichtig: Finanzen („Wir müssen uns besser aufstellen, damit wir beim nächsten Sturm nicht umkippen“), Wirtschaft („Wenn die BASF abbaut, macht das auch was mit Mannheim“) und die Innenstadtentwicklung („Wir müssen die Fressgasse zurückholen“/„Das mit den Baustellen können wir besser machen“/„Die Sauberkeit ist das Einfachste und Sichtbarste, was Sie machen können“).

Sengül Engelhorn spricht Klartext zur Haltung mancher Migranten

Auch ein anderes Thema wird sie nicht loslassen, obwohl sie betont: „Mein Migrationshintergrund ist kein Diplom.“ Da von den 48 Stadträtinnen und Stadträten jedoch nur sechs Integrationserfahrung haben, wird sie auch dazu immer wieder befragt. Dann sagt sie einerseits: „Ich kenne keine Diskriminierung. Ich bin überall offen empfangen worden. Wir in Mannheim haben es vorgemacht, wie es funktioniert.“

Andererseits sagt sie auch: „Mir fehlt heutzutage auf beiden Seiten ein bisschen die Offenheit.“ Oder: „Ich empfinde es als Zumutung, mit welchem Selbstbewusstsein manche ihren Migrationshintergrund feiern.“ Oder: „Manchen Migranten möchte ich zurufen: Lasst diese Opfer-Haltung! Ihr seid keine Opfer, ihr seid Macher!“

Man könnte der Frau mit dem glanzvollen Namen also noch viel länger zuhören. Doch selbst so ist klar: Sie ist nicht nur offen und herzlich, sondern auch bodenständig. Und sie hat einiges zu sagen.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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