Mannheim. Urlaubszeit heißt für viele Menschen auch endlich Lesezeit. Einen Lektüretipp gab vor wenigen Tagen Isabel Cademartori. Die Abgeordnete empfahl auf dem SPD-Kreisparteitag eine Biografie über Carlo Schmid, einen der Grundgesetz-Väter. Jenen 968-Seiten-Wälzer wird vermutlich nicht jeder mit zum Strand schleppen wollen. Aber interessant ist besonders der Zusammenhang, in den Cademartori ihn stellte. Der Mannheimer Staatsrechtler sei auch als Intellektueller ein hervorragender Arbeiterführer gewesen, so die 36-Jährige. Sie habe daher überhaupt kein Problem damit, dass in der neuen SPD-Gemeinderatsfraktion vier von neun Mitgliedern einen Doktortitel hätten. Als ungläubiges Raunen durch den Saal ging, wiederholte Cademartori freudig: „Es sind wirklich vier von neun, ihr könnt gerne mal nachzählen.“
Doktortitel-Anteil in der FDP-Fraktion liegt bei 75 Prozent
In der Tat kommt die SPD-Fraktion, in der Melanie Seidenglanz, Bernhard Boll, Heidrun Deborah Kämper sowie der Kreisvorsitzende Stefan Fulst-Blei promoviert haben, auf die meisten Doktortitel. Prozentual liegt da aber die FDP-Fraktion vorn. Der hat sich neben Birgit Reinemund und Kathrin Kölbl nun mit Egon Jüttner (Mittelstand für Mannheim) ein dritter Promovierter angeschlossen hat. Macht eine Doktortitel-Quote von 75 Prozent. Die im gesamten neuen Gemeinderat, der an diesem Dienstag erstmals im Stadthaus zusammentritt, beträgt 25 Prozent.
Häufigste Berufe: Arzt, Polizeibeamter, Rechtsanwalt
Generell gibt es bei den Berufsgruppen - die Bandbreite geht querbeet von der Apothekenhelferin (die Linke Nalan Erol) bis zur Wirtschaftsprofessorin Kölbl - ein deutliches Übergewicht an Akademikern. Aber am 9. Juni gewählt wurden auch eine Hausfrau (Marianne Seitz/CDU), ein Landwirt (Wilken Mampel/CDU) und ein Lagerarbeiter (Thomas Bischoff/satirische PARTEI). Mit jeweils drei Nennungen die häufigsten Berufe sind Arzt, Polizeibeamter und Rechtsanwalt. Teils noch aktiv, teils ehemalig.
Drei Stadtbezirke sind gar nicht im Gemeinderat vertreten
Schaut man sich die 48 Mitglieder näher an, findet sich ein großes Ungleichgewicht zwischen den Stadtbezirken. Aus Feudenheim und Neckarau kommen jeweils stolze acht. Das ist schon ein großer Unterschied zu anderen, die zwei bis vier stellen. Und eine eklatante Unwucht gegenüber der Neckarstadt-West, der Vogelstang und Friedrichsfeld. Von dort sitzt niemand im Stadtparlament. Das muss natürlich nicht bedeuten, dass diese drei Stadtbezirke in der Lokalpolitik vernachlässigt werden. Aber bedenklich ist das Gefälle dennoch. So hat ein junges Forscherteam von der Uni Mannheim - Jan Menzner, Chiara Schmid und Leonie Rettig - errechnet, dass nur 4,7 Prozent der Wahlberechtigten in Feudenheim wohnen, aber fortan 16,7 Prozent der Gemeinderatsmitglieder. Die Neckarstadt-West dagegen hat 5,4 Prozent der Wahlberechtigten und null Repräsentanten.

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Nur fünf von 48 haben einen Migrationshintergrund
Ebenfalls stark unterrepräsentiert sind Menschen mit Migrationshintergrund. Sie stellen fast die Hälfte der Mannheimer Bevölkerung, aber - jedenfalls soweit bekannt - nur fünf von 48 Gemeinderatsmitgliedern: Nazan Kapan und Karim Baghlani (beide SPD), Dennis Ulas und Nalan Erol (beide Linke) sowie Sengül Engelhorn (CDU). Allerdings heißt das nicht, dass Migranten hier gar keinen Weg in die Politik finden. Unter den vier Mannheimer Bundestagsabgeordneten sind immerhin drei mit Migrationshintergrund: Cademartori, Melis Sekmen (gerade von den Grünen zur CDU gewechselt) und Gökay Akbulut (Linke).
Höchste Frauenquote weist mit 60 Prozent die Grünen-Fraktion auf
Frauen, die ebenfalls rund die Hälfte der Mannheimer Bevölkerung ausmachen, sind im Gemeinderat zwar noch nicht ganz angemessen, aber weitaus besser vertreten als Migranten. Ihr Anteil beträgt 39,6 Prozent.
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Schaut man auf die Fraktionen (und rechnet Einzelstadträte, die sich ihnen angeschlossen haben, mit ein), ergibt sich jedoch ein deutliches Gefälle. Die höchste Frauenquote weist mit 60 Prozent die Grünen-Fraktion auf. Es folgt die SPD mit 55,6 Prozent. Rang drei teilen sich mit je 50 Prozent die FDP-Fraktion und die aus Linken, Tierschutzpartei und Klimaliste neugebildete LTK. Deutlich abgehängt sind da die CDU mit 30 Prozent, die AfD, die mit nur einer Stadträtin eine Frauenquote von 14,3 Prozent hat, sowie als vor allem die Freien Wähler/Mannheimer Liste (ML). Deren Fraktion besteht nur aus drei Männern.
Deutliches Gefälle auch beim Altersschnitt der Fraktionen
Ebenfalls deutliche Unterschiede gibt es bei den Altersgruppen. Die Jüngsten sind die Grünen, das durchschnittliche Geburtsjahr in ihrer Fraktion ist 1978. Nur etwas älter ist die LTK mit 1977. Mit etwas Abstand kommen danach CDU (1971) und SPD (1970). Die hintersten Plätze in puncto Jugend belegen AfD (1965), FDP (1960) und ML (1958).

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Von der 18-jährigen Mia Helbig zum 83-jährigen Achim Weizel
Die Mannheimer Liste stellt auch den Alterspräsidenten, das ist der 83-jährige Achim Weizel. Am anderen Ende der Skala steht Mia Helbig, die 18-jährige Grüne ist die Jüngste im neuen Gemeinderat. Das Durchschnittsalter beträgt 53 Jahre.
So sieht der durchschnittliche Mannheimer Stadtrat jetzt aus
Blickt man allein auf die Statistik, ergibt sich unterm Strich also folgendes Bild: Der durchschnittliche Mannheimer Stadtrat ist ein 53-jähriger Akademiker. Arzt oder Anwalt, lebt in Feudenheim oder Neckarau (vielleicht ja mal da, mal dort). Er ist eher männlich, weibliche Züge sind indes sehr viel wahrscheinlicher als ein Migrationshintergrund. Doch generell ist bei Durchschnittswerten Vorsicht geboten: Einmal links daneben und einmal rechts daneben bedeutet im Schnitt Volltreffer.
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