Mannheim. Es sind markige Worte, die von den fast 300 Demonstranten am frühen Dienstagabend in der Mannheimer Innenstadt zu hören sind: „Blut an Euren Händen“, „Mannheim war kein Einzelfall. Widerstand überall“, „Lügner, Mörder, Bullenschweine“, skandieren sie bei ihrem Marsch vom Plankenkopf zum Marktplatz.
Die Teilnehmer eint die Wut auf Polizeigewalt in Deutschland. Sie haben sich versammelt, weil sich an diesem Tag der tödliche Polizeieinsatz in der Nähe des Mannheimer Marktplatzes jährt, bei dem ein 47-jähriger psychisch kranker Mann sein Leben lassen musste. Nach einer Gedenkminute auf dem Marktplatz legten zahlreiche Teilnehmer Blumen am Tatort nieder.
Viele junge Demonstrierende
Es sind vor allem Personen bis etwa Mitte 30, die dem Aufruf der Initiative 2. Mai gefolgt sind. Immer wieder sind antikapitalistische Parolen zu hören: So verweist ein Vertreter von „Cop Watch Mannheim“ auf die kapitalistische Gesellschaftsordnung, in der Leben als wertvoll und wertlos eingestuft würden und spricht von einer „Hinrichtung“, die am 2. Mai des vergangenen Jahres erfolgt sei.
Tanja Hilton von der Initiative 2. Mai kenne es, wenn Panikattacken als Aggression ausgelegt würden: „Dann ist die Polizei der falsche Ansprechpartner.“ Es gebe auch in Mannheim Probleme, weil zuvor keine Hilfe vorhanden war, aber wenn man dann die Polizei rufe, könne sie mit ihrem Gewaltmonopol nicht anders als mit Gewalt reagieren: „Das ist aber nicht das, was wir brauchen“, betonte sie.
Die Demonstranten forderten Aufklärung und eine Anklage der beiden Polizisten. Diese wurde bereits erhoben. Ob es zu einem Prozess kommt, ist noch offen. Polizeigewalt sei kein Einzelfall, sondern es gebe vielmehr ein strukturelles Gewaltproblem bei der Behörde, etwa gegen Personen mit Migrationshintergrund, queere oder psychisch kranke Menschen, hieß es von den Demonstranten. Andreas Schreiber, Vize-Vorsitzender des Allgemeinen Behindertenverbands in Deutschland forderte derweil, psychisch kranke Menschen und Menschen mit einem Handicap in die Ausbildung von Polizisten einzubeziehen.
Was geschah am Donnerstag in Käfertal?
Überschattet wurde die Demonstration, die laut Polizeisprecher Patrick Knapp friedlich verlief, von einem Polizeieinsatz am Donnerstag, worüber eine Rednerin berichtete. Demnach seien vier afrikanische Klimaaktivisten nachts von einem 15-köpfigen Einsatzkommando der Polizei ohne erkennbaren Grund aus einer Wohnung herausgeholt und verletzt worden: „Sie sind zwei Stunden alleine gelassen worden“, sagte sie. Sie forderte eine Erklärung und eine Entschuldigung. Die Gruppe junger Männer sei als Teil eines Jugendaustauschprogramms Gäste in Deutschland, und doch würden sie „gejagt und verfolgt in einer Stadt, die für Diversität steht“.
Das Polizeipräsidium Mannheim bestätigt den nächtlichen Einsatz des Spezialkommandos in der Unterkunft, in der die vier jungen Männer genächtigt hatten. Der Einsatz habe jedoch dem Wohnungseigentümer gegolten, gegen den ein Durchsuchungsbeschluss wegen Drogenhandels erlassen worden war. Da die Gäste die Unterkunft fluchtartig verlassen hätten, seien auch sie einer Kontrolle unterzogen worden. Bei ihnen seien „drogen- und sprengstoffähnliche Gegenstände“ gefunden worden, die später „als äußerst ungewöhnlich verpackte Lebensmittel identifiziert“ worden seien. Daher wurden sie auf freien Fuß gesetzt. Bei dem Wohnungsinhaber wurden hingegen „diverse Waffen und weitere Beweismittel“ gefunden.
OB Kurz im Gespräch mit Jugendlichen
Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz reagierte nach dem Polizeieinsatz umgehend und lud laut Stadtsprecher Ralf Walther die vier Männer zu einem zweistündigen Gespräch ins Rathaus ein. Er hatte sie bereits eine Woche zuvor kennengelernt und mit ihnen über das Selbstverständnis der Stadt und die Frage, ob Mannheim ein sicherer Ort für Menschen unterschiedlicher Herkunft sei, gesprochen. Das Büro des städtischen Integrationsbeauftragten terminierte für die Männer umgehend einen Gesprächstermin in der psychologischen Beratungsstelle der Stadt.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Der Marktplatz-Prozess muss gründlich, aber nicht ewig vorbereitet werden