Mannheim. Schon Schiller wusste: Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Dieser Satz, der gern vor Hochzeiten zitiert wird, könnte so ähnlich auch für die Hauptverhandlung um den tödlichen Polizeieinsatz am Mannheimer Marktplatz von vor genau einem Jahr gelten. Zwar wird sich vor dem Landgericht niemand das Jawort geben. Aber nicht nur weil das – mediale – Interesse an diesem Prozess riesig sein wird, gilt: Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
Denn von der juristischen Aufarbeitung der Geschehnisse in der Mannheimer Innenstadt hängt viel ab – nicht nur für die Beteiligten. Es geht in diesem Verfahren nämlich obendrein um nicht weniger als die Glaubwürdigkeit gleich mehrere Institutionen, die eminent wichtig für unseren Rechtsstaat und damit für unsere Demokratie und das Vertrauen in sie sind.
Polizei stand monatelang in der Schusslinie
Nach den Vorkommnissen vom 2. Mai 2022 stand die Polizei monatelang in der Schusslinie, vor allem in Teilen der migrantischen Gemeinschaft der Stadt. Aber auch die Rolle der ermittelnden Staatsanwaltschaft wurde während der sechs Monate bis zur Anklageerhebung im Dezember kritisch beäugt. Vor allem in Sachen Transparenz und Kommunikation wurden in diesem Fall zu viele Fehler gemacht – und die Versäumnisse der Vergangenheit setzen das Landgericht jetzt unter Druck: Fehler machen verboten. Deswegen ist es richtig, lieber einen Prüfschritt mehr einzubauen, damit der mit Spannung erwartete Prozess am Ende auf stabilen Füßen steht.
Doch – um den Hochzeitsspruch vom Anfang noch einmal aufzugreifen – sollten die Prüfungen keinesfalls ewig dauern. Mit jedem Monat, den der Prozess später beginnt, die Tat noch weiter zurückliegt, schwindet – zumindest bei bestimmten Bevölkerungsgruppen – das Vertrauen in eben jene Institutionen. Aber vor allem ist das Warten auf die Verhandlung auch eine nervenzehrende Hängepartie für die Beteiligten: Das sind natürlich die Hinterbliebenen des Opfers, die zurecht eine lückenlose Aufklärung dessen erwarten, was am 2. Mai 2022 auf dem Marktplatz passiert ist und zum Tod ihres Sohnes, Bruders oder Freundes geführt hat.
Das sind aber auch die beiden Polizisten, die seit einem Jahr nicht wissen, wie es beruflich für sie weitergeht, die im Kreuzfeuer der Kritik stehen, Hass und Hetze im Internet über sich ergehen lassen müssen und dem Vernehmen nach auch privat Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt sind. Sie alle brauchen Klarheit, um mit dem 2. Mai abschließen zu können – und die bringt nur ein baldiger und fehlerfreier Prozess.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Der Marktplatz-Prozess muss gründlich, aber nicht ewig vorbereitet werden
Nicht nur für die Hinterbliebenen hängt viel vom Prozess um den Toten vom Mannheimer Marktplatz ab. Auch für die Polizisten. Deswegen, findet Florian Karlein, muss er gründlich vorbereitet sein. Aber ewig darf das nicht dauern