Tödlicher Vorfall

Welche Lehren die Polizei aus dem tödlichen Marktplatz-Einsatz in Mannheim zieht

Am 2. Mai ist auf dem Mannheimer Marktplatz ein Mann in einer psychischen Ausnahmesituation bei einem Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Mit Blick auf künftige Einsätze läuft bei der Polizei die Aufarbeitung

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Timo Schmidhuber
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Nach dem tödlichen Polizeieinsatz gab es am Abend des 2. Mai auf dem Marktplatz eine spontane Kundgebung gegen Rassismus und Polizeigewalt. Die Polizei führte in den Tagen und Wochen danach jede Menge Gespräche. © René Priebe

Mannheim. Nach dem tödlichen Polizeieinsatz auf dem Marktplatz will die Mannheimer Polizei die Schulung ihrer Beamten im Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen verbessern. Das erklärte das Präsidium auf Anfrage dieser Redaktion. Bei dem Einsatz am 2. Mai war ein 47 Jahre alter Mann ums Leben gekommen, der an einer paranoiden Schizophrenie litt. Gegen die zwei beteiligten Polizisten hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, unter anderem wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge. Das Landgericht Mannheim prüft derzeit, ob es zu einem Prozess kommt – wovon auszugehen ist.

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Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums gebe es mit dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim (ZI) im Quadrat J 5, dem Psychiatrische Zentrum Nordbaden in Wiesloch und der Klinik für Allgemeine Psychiatrie des Klinikums Heidelberg gleich drei Einrichtungen für die Betreuung und Unterbringung von psychisch kranken Menschen, so die Mannheimer Polizei. Bereits vor dem Vorfall auf dem Marktplatz seien die Beamten im Umgang mit psychisch auffälligen Personen geschult geworden.

Die Erkenntnisse aus „dem tragischen Einsatzgeschehen“ auf dem Marktplatz habe man „kritisch nachbereitet“ und zum Anlass genommen, „neben zentralen Fortbildungsangeboten an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg künftig vermehrt auch eigene Fortbildungen zum Thema, in enger Kooperation mit den Einrichtungen, zu intensivieren“, erklärt das Präsidium. „Ein regelmäßiger Austausch mit den drei genannten Einrichtungen wurde weiter institutionalisiert und ist verbunden mit aktuellen Fortbildungen durch dortiges Schulungspersonal“.

„Verbale Anfeindungen“

Der 47-Jährige hatte den Ermittlungen zufolge am Morgen vor dem Vorfall auf dem Marktplatz das ZI aufgesucht, weil sich sein Zustand verschlechtert hatte. Gegen Mittag machte sich der Mann auf den Weg zum Polizeirevier in H 4. Ein Arzt folgte ihm. Diesem Arzt hatte der Mann gesagt, er müsse auf dem Revier etwas unterschreiben. Der 47-Jährige klingelte am Revier, ging dann aber wieder weiter. Der Arzt konnte den Mann nicht zur Rückkehr ins ZI bewegen. Weil er bei dem 47-Jährigen eine akute Eigengefährdung sah, bat er die zwei Polizisten um Hilfe. Doch auch die schafften es nicht, den Mann von einer Rückkehr ins ZI zu überzeugen, und es kam zur Auseinandersetzung. ZI, H 4-Wache und Marktplatz liegen nur wenige Straßen voneinander entfernt.

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Auch beim Thema „Nutzung der Bodycam“ will die Mannheimer Polizei eigenen Angaben zufolge nachbessern. „Im Rahmen des Einsatztrainings wurde präsidiumsintern ein Konzept erarbeitet, welches die Beamtinnen und Beamten intensiv auf die Nutzung der Bodycam in herausragenden Einsatzfällen vorbereitet.“ Bei dem Einsatz im Mai hatte einer der beiden Beamten zwar seine Bodycam dabei – den bisherigen Ermittlungen zufolge hatte er sie allerdings nicht aktiviert, so dass keine Aufzeichnungen vorliegen.

Die Tatsache, dass die beiden nur eine Bodycam dabei hatten, ist nach Angaben der Polizei in der Praxis so wohl nicht unüblich: Die Reviere seien so ausgestattet, dass jeder Streife eine Bodycam zur Verfügung stehe – nicht aber jedem Beamten.

Demonstrationen gegen Polizeigewalt

Nach dem Vorfall hatte es in Mannheim Demonstrationen gegen Polizeigewalt und gegen mutmaßlich rassistisches Vorgehen der Beamten gegeben. Das Opfer bei dem Einsatz hatte kroatische Wurzeln. Bei der täglichen Arbeit seien die Polizisten in den Tagen danach „mit negativen Äußerungen, verbalen Anfeindungen oder Provokationen“ konfrontiert gewesen, wie ein Polizeisprecher erklärt. Dies habe sich inzwischen aber „auf wenige Einzelfälle“ reduziert. „Im täglichen persönlichen Kontakt mit der Bevölkerung, vor allem auch den Gewerbetreibenden, wurden über mehrere Wochen viele Gespräche geführt. Die Rückmeldungen waren sehr positiv und wurden mit Dankbarkeit aufgenommen. Kritische Stimmen wurden nur noch selten angeführt.“

Die Polizei hat nach eigenen Angaben darüber hinaus den Dialog mit den Vorsitzenden und Imamen der muslimischen Gemeinden „verstetigt, um frühzeitig Probleme erkennen und darauf reagieren zu können“. Um insbesondere auch die jüngere Bevölkerung zu erreichen, besuchten Polizeipräsident Siegfried Kollmar und Oberbürgermeister Peter Kurz den Angaben zufolge eine Gesprächsrunde mit mehreren Jugendlichen in Mannheim. Darüber hinaus, so die Polizei, habe man Gespräche mit den Migrationsbeiräten der Städte Mannheim und Heidelberg sowie dem Antidiskriminierungsbüro der Stadt Mannheim geführt, „um Stimmungen aus deren Umfeld aufzunehmen und gemeinsame Veranstaltungen zu initiieren“.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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