Mannheim. Die Mannheimer Kandidatinnen und Kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien haben sich am Montagabend in der „MM“-Wahlarena im Alten Kino auf Franklin einen teilweise kontroversen Schlagabtausch geliefert. Vor etwa 450 bis 500 Zuschauerinnen und Zuschauern war vor allem beim Thema Migration die Polarisierung zu spüren, als aus dem Publikum mehrfach Buh-Rufe und andere Zwischenrufe zu hören waren.
So kritisierte CDU-Kandidatin Melis Sekmen, die Gesellschaft sei mit dem Migrationssystem in vielen Bereichen „überlastet“. Die Bundestagsabgeordnete, die in der Legislaturperiode von den Grünen zur Union gewechselt war, erklärte, dass man Migration zwar etwa in die Pflege und andere vom Fachkräftemangel betroffene Bereiche brauche, nicht aber die in die Sozialsysteme. Man müsse schauen, wie man Menschen gezielt ins Land holt, die „wir auch brauchen“. Dabei sei das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zwar ein guter Weg, der aber ausgebaut werden müsse. Verfahren müssten beschleunigt werden.
Zudem kritisierte Sekmen, dass GEAS erst 2026 in Kraft trete. Obendrein forderte sie, ausreisepflichtige Menschen schneller abzuschieben. Man müsse schauen, dass man Menschen, die kein Bleiberecht haben und womöglich vorbestraft seien „für unsere eigene Sicherheit so schnell wie möglich aus Deutschland entfernt“, sagte sie und forderte, dafür auch Gespräche mit den Taliban in Afghanistan zu führen. Der Kanzler müsse die Lösung der Probleme „mit bestimmten Zuwanderergruppen“ zur „Chefsache“ machen „und nicht nur doof rumgrinsen“.
SPD-Kandidatin Cademartori warnt vor Eskalationsspirale, AfD-Mann Koch kann mit Sekmens Analyse „mitgehen“
SPD-Kandidatin Isabel Cademartori entgegnete, dass niemand dagegen sei, Verfahren zu beschleunigen. In ihren Augen hätte die Ampel in den vergangenen Jahren bereits Fortschritte bei der Begrenzug irregulärer Migration erreicht, was sich mit Zahlen belegen ließe. Gleichzeitig kritisierte die Bundestagsabgeordnete, dass die Union mit ihren viel diskutierten Anträgen zur Migration Europarecht gebrochen und europäische Partner vor den Kopf gestoßen habe. Die Union wolle das Problem Deutschlands Partnern „vor die Füße kippen“, kritisierte Cademartori. „Das können wir uns in der globalen Situation, in der wir uns befinden“, in der man auf Europa angewiesen sei, um etwa Zölle abzuwehren und gemeinsame Sicherheitspolitik aufzubauen, „absolut nicht leisten.“
Man dürfe sich bei der Bekämpfung der Migration nicht über europäisches Recht hinwegsetzen. Cademartori warnte zudem davor, Sicherheitsfragen und Migrationsfragen miteinander zu vermengen. Die Sozialdemokratin fürchtet für den Fall, dass es nach Grenzschließungen weitere Anschläge geben sollte, eine Eskalationsspirale der Maßnahmen. „Humanität und Ordnung müssen zusammengedacht werden“, sagte Cademartori.
Kochs kontroverse Aussagen zur Migrationspolitik und Frauenrechten
Heinrich Koch, er kandidiert für die AfD, erklärte, dass er Sekmens Ansichten zur Migration teilen könnte. Gleichzeitig warf der Stadtrat Bundesregierungen der vergangenen Jahrzehnte in der Migrationsfrage einen anhaltenden Verfassungsbruch vor. Er kritisierte, dass das Asylsystem „überfordert“ werde, wenn nur junge Männer profitieren würden. Mit dem Scheitern des Dublin-Abkommens und des Schengen-Raums, in dem es keine Grenzkontrollen gibt, sei das europäische Asyl-System gescheitert, kritisierte Koch.
Er forderte, Asylanträge in deutschen Botschaften im Ausland zu prüfen, damit auch Minderheiten Schutz bekämen. Später kritisierte Cademartori Koch für diese Aussage. Es könne nicht sein, sagte sie, dass Koch über Frauenrechte in Afghanistan spreche, wenn gleichzeitig afghanische Frauenrechtlerinnen an deutschen Grenzen zurückgewiesen würden.
FDP-Mann Stockmeier nimmt Länder in die Pflicht, Grüne Wellenreuther bezeichnet Grenzschließungen als „Wahnsinn“ für die Wirtschaft
FDP-Kandidat Konrad Stockmeier nimmt die Debatte um Migration indes als „nicht besonders lösungsorientiert“ wahr. Dabei verwies der Bundestagsabgeordnete auf Nachbarländer wie Polen, die „konstatieren“, dass die bestehende europäische Gesetzgebung für die Migration derzeit nicht funktioniere. Stockmeier kritisierte, dass vieles, was bei der Migration im Argen liege, kein bundespolitisches Problem, sondern eines auf Länderebene sei. Er forderte Länder auf, mehr Ordnung ins Migrationssystem zu bringen, um damit die irreguläre Migration einzudämmen und die reguläre Migration zu vereinfachen.
Nina Wellenreuther, sie kandidiert für die Grünen, kritisierte eine Überlastung der Behörden. Dabei wolle sie die Union nicht aus der Verantwortung entlassen, denn die Überlastung sei auch ein Ergebnis zu geringer Investitionen in den Jahren vor der Ampel-Koalition. Wellenreuther, Fraktionsvorsitzende der Gemeinderatsfraktion, bezeichnete es als einen „Wahnsinn, wie ganz lapidar über geschlossene Grenzen gesprochen wird“. Der europäische Wirtschaftsmarkt fuße auf Schengen und auf offenen Grenzen. Sie kritisierte zudem Sekmens Ansatz, mit der Terrororganisation Taliban sprechen zu wollen.
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