Bundestagswahl

So will die Mannheimerin Isabel Cademartori ihr Direktmandat verteidigen

Isabel Cademartori ist bei der Bundestagswahl in Mannheim so etwas wie die Titelverteidigerin. Wie sie den schlechten bundesweiten SPD-Umfragewerten trotzen will.

Von 
Sebastian Koch
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Auf dem Waldhof diskutiert Isabel Cademartori über Arbeitsmarktpolitik und Integration. Im Spiegel zu sehen: Vertreter der AWO und aus dem Stadtteil. © Sebastian Koch

Mannheim. Dick eingepackt läuft Isabel Cademartori in der Waldpforte in der Gartenstadt von Tür zu Tür. Die Temperaturen liegen nur knapp über 0 Grad. Bis zur Wahl bleiben aber nur noch wenige Tage – und so klingelt Cademartori mit Handschuhen, Schal und dicker Jacke an einer Tür nach der anderen.

Nicht immer hat sie Erfolg. Wahrscheinlich sind viele noch arbeiten. Dort, wo geöffnet wird, geht es schnell. „Hallo, ich bin Ihre Bundestagsabgeordnete und wollte Ihnen ein paar Infos zur Bundestagswahl dalassen. Gehen Sie bitte wählen“, sagt sie dann, drückt ihrem Gegenüber einen Flyer in die Hand und weist auf eine Veranstaltung im Stadtteil zur Verkehrspolitik am Abend hin. An der Tür geht es weniger um Inhalte, sondern darum, Menschen auf die Wahl hinzuweisen.

Von der, wie Cademartori sagt, schwierigen politischen Stimmung ist an der Haustür nichts zu spüren – anders als in anderen Gesprächen. Das Bedürfnis vieler, sich zu informieren, sei höher als zuletzt. „Ich kann verstehen, dass Menschen verunsichert sind und sagen: Rauft euch zusammmen.“ Für die Polarisierung habe zuletzt vor allem Friedrich Merz gesorgt, als die Union im Bundestag eine Mehrheit mit der AfD in Kauf genommen hatte.

Haustürwahlkampf im Winter: Hier geht es weniger um Inhalte, sondern mehr darum, Menschen auf die Bundestagswahl aufmerksam zu machen. © Sebastian Koch

Die Koalition habe Maßnahmen getroffen, die Migration zu verringern. „Wir können über alles reden. Aber wenn Europa angegriffen wird, ist eine Grenze erreicht. Es bringt nichts, mit Ankündigungen große Erwartungen zu wecken, die man nicht erfüllen kann.“ Ob für sie Merz als Kanzler dennoch vorstellbar wäre, so wie es Umfragen prognostizieren? Natürlich müsse man bereit sein, die Hand auszustrecken. „Aber nachdem, was passiert ist, kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“ Die Sozialdemokratin will von Wählern bislang außerdem kaum etwas Positives über Merz gehört haben. Ist das bei Scholz etwa anders? „Viele Menschen sind vom politischen Angebot auf allen Seiten insgesamt nicht wirklich überzeugt“, antwortet Cademartori.

Cademartori ist seit 2023 verkehrspolitische Sprecherin der SPD

Isabel Cademartori ist so etwas wie die Titelverteidigerin in Mannheim. 2021 hat sie den Wahlkreis gewonnen. Die Vorzeichen in diesem Jahr sind ungleich komplizierter. Zwar hat sich Cademartori in Berlin und der Fraktion etabliert. Der Bundestrend spricht aber klar gegen die SPD – und gegen sie?

Auch wenn ihre Chancen auf den Wiedereinzug angesichts von Platz 9 auf der SPD-Landesliste auch bei einer Niederlage nicht schlecht stehen, hofft sie auf das Direktmandat. Auf Instagram wirbt Cademartori mit rund 20 Millionen Euro Fördergelder, die sie für die Stadt eingeholt haben will. „Es wäre frustrierend, wenn das Ergebnis am Ende ohne sichtbaren Effekt parallel zum Bundesergebnis wäre“, sagt sie, während sie mit der chilenischen Botschafterin, Magdalena Atria Barros, im Auto sitzt. Gemeinsam haben sie am Morgen das Daimler-Werk im Mannheimer Norden besucht.

Chiles Hauptstadt Santiago besitzt die größte E-Bus-Flotte außerhalb Chinas, erzählt Botschafterin Barros. Eine Chance für die Wirtschaft in Mannheim, wo Daimler E-Busse produziert? Vielleicht, hofft Cademartori. Man habe jedenfalls Vorteile zur Konkurrenz aus China herausarbeiten können, sagt sie und spricht auch über das Errichten von Wertschöpfungsketten, etwa beim Auf- und Ausbau von Recyclingketten vor Ort durch deutsche Unternehmen, die bei Ausschreibungen helfen könnten. „Das ist Wirtschaftspolitik wie wir sie denken.“

Besuch im Daimler-Werk: Isabel Cademartori (r.) wirbt bei der chilensischen Botschafterin für E-Busse aus Mannheim. © Privat

Chile, Südamerika, Lateinamerika – immer wieder kommt Cademartori auf die Region zu sprechen. Unter dem chilenischen Präsidenten Salvador Allende war ihr Großvater einst kurze Zeit Wirtschaftsminister. Sie selbst engagiert sich in der SPD für Lateinamerika, nahm deshalb zweimal an der Münchner Sicherheitskonferenz teil.

Überhaupt ist ihre Karriere steil verlaufen. Seit 2012 in der SPD, war Cademartori zwei Jahre lang Stadträtin, ehe sie 2021 in den Bundestag einzog. Dort steigt sie 2023 zur verkehrspolitischen Sprecherin ihrer Fraktion auf. Sie ist streitbar, äußert kontroverse Meinungen auch zu schwierigen Themen wie dem Nahen Osten. Cademartori gehört dem Seeheimer Kreis an, dem konservativen Flügel der SPD. Die 37-Jährige hat in Mannheim BWL studiert, später im Master Wirtschaftspädagogik. Parallel arbeitete sie bei SAP, danach fünf Jahre lang am Lehrstuhl.

Im September hatte sie im Interview mit dieser Redaktion ein klares Bekenntnis zu Olaf Scholz vermieden. Und heute? Es sei „schwer zu beantworten“, ob die SPD mit Boris Pistorius besser dastünde. Der Verteidigungsminister ist beliebter. „Ob das über den Wahlkampf angehalten hätte, kann man aber nicht sagen.“ Schließlich hat es in der Vergangenheit bereits viele beliebte Kandidaten wie etwa Martin Schulz gegeben, die dann gescheitert sind. Insgesamt sei es aber schade, sagt Cademartori, dass die Stärken von Scholz und dessen Verdienste in der Regierung zu wenig durchdringen würden.

Cademartori ist für Sanktionen durch das Jobcenter – in Maßen

Auf dem Waldhof trifft Cademartori Vertreter aus dem Stadtteil und der AWO, um zu diskutieren, wie man Langzeitarbeitslose in Arbeit bringen oder Zugewanderte in den Markt integrieren kann. Bürokratie, Kürzungen im Sozialen, wenig Unterstützung bei der Betreuung oder fehlende Berufsanerkennungen – die Liste der Probleme ist lang, die Debatte, an der auch Menschen mit Arbeitslosigkeit-Erfahrung teilnehmen, erfrischend differenziert.

Es stimme nicht, dass ein Großteil der Arbeitslosen nur Geld verlange, ohne Leistungen zu erbringen, sagt Cademartori nach dem Gespräch. Durch das fühlt sie sich darin bestätigt, sich in der Vergangenheit auch gegen „super-ultra-linke“ Jusos immer wieder für Sanktionen starkgemacht zu haben. „Sanktionen signalisieren auch eine Gerechtigkeit für die, die das System finanzieren.“ Dennoch dürften die nicht mit der Brechstange eingesetzt werden. „Zu glauben, alle Menschen gehen arbeiten, wenn man sie nur schnell genug sanktioniert, zeigt eine völlige Unkenntnis über die, über die wir sprechen. Bei vielen sind die Gründe leider komplizierter.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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