Mannheim. Nicht erst seit dem CDU-Antrag, der im Bundestag kürzlich nur mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit bekommen hat, ist Zuwanderung eines der zentralen Themen im Wahlkampf. Und das dürfte nach dem jüngsten Anschlag in München auch so bleiben. Es ist ein Thema, das emotional und kontrovers diskutiert wird. Wir haben die Mannheimer Kandidierenden der im Bundestag vertretenen Parteien gefragt, wie sie die Zuwanderung nach Deutschland künftig regeln wollen. Viele argumentieren dabei auch mit ihrer Sicht auf die Multikulti-Stadt Mannheim.
Isabel Cademartori , die für die SPD antritt, ist in der Debatte wichtig, dass über Migration „nicht nur als Problem, sondern auch als Chance“ gesprochen werde. Gerade Mannheim wäre deutlich ärmer „ohne die vielen engagierten und fleißigen Menschen mit Migrationshintergrund“, sagt sie. Die SPD-Abgeordnete möchte deshalb „eine geregelte Zuwanderung, die Humanität und Ordnung zusammen denkt“. Cademartori setzt dabei auf eine gerechte Verteilung von Schutzsuchenden in Europa durch die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. „Der Asylanspruch wird dadurch bereits an den EU-Außengrenzen geprüft und Rückführungen schnell umgesetzt.“ Straftäter und Gefährder, die sich in Deutschland befinden, müssten „zügig abgeschoben werden“, so die SPD-Abgeordnete. Um dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland zu bekommen, verweist sie auf das von der SPD-geführten Regierung umgesetzte Einwanderungsgesetz.
Grünen-Kandidatin Nina Wellenreuther betont ebenfalls, gerade Mannheims Geschichte zeige „die positive Wirkung von Zuwanderung“. Die derzeitige Debatte darüber löst ihrer Ansicht nach keine Probleme. „Menschen, die zu uns kommen, tun das aus unterschiedlichen, aber nachvollziehbaren Gründen – sei es als Fachkraft oder als Schutzbedürftige.“ Zuwanderung sei „keine Belastung, sondern eine Chance“, Deutschland sei darauf angewiesen. „Das Problem sind die behördlichen Strukturen, die es den Menschen schwer machen, Teil der Gesellschaft zu werden. Die Antwort muss die Beschleunigung von Integrationsprozessen sein, etwa durch die Abschaffung des Arbeitsverbots für Asylbewerber und das Anerkennen von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen. Nur durch solche Maßnahmen können wir ein funktionierendes und starkes Einwanderungsland bleiben.“
Auch AfD-Kandidat Heinrich Koch verweist auf den großen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in der Mannheimer Bevölkerung. Er sieht allerdings eine „Migrationskrise, die unser Land und Städte wie Mannheim massiv belastet“. Die „unkontrollierte Einwanderung“ überfordere „unsere Infrastruktur, Schulen und Sozialkassen“, so Koch. Er fordert deshalb „Asylbegrenzung, Abschiebungen und konsequente Grenzsicherung“. Der AfD-Bewerber will „ein Ende des ungesteuerten Massenzuzugs und stattdessen eine qualifizierte Zuwanderung nach dem Vorbild erfolgreicher Staaten wie der Schweiz, Australiens und Japans. Diese Länder setzen auf strenge Migrationskontrollen, klare Anforderungen an Zuwanderer und eine konsequente Rückführung abgelehnter Asylbewerber“.
Melis Sekmen von der CDU sieht beim Thema Zuwanderung zwei Ebenen: „Die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt wollen wir fördern. Die Zuwanderung in die Sozialsysteme wollen wir begrenzen.“ Wegen des demografischen Wandels brauche Deutschland Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland. Um sie ins Land zu holen, wollen Sekmen und ihre Partei eine sogenannte „Work-and-Stay“-Agentur. Die soll gesuchten Arbeitskräften die Integration erleichtern. „Die Zuwanderung in die Sozialsysteme hingegen überfordert unser Land“, sagt Sekmen. „Zurzeit werden praktisch alle, die an der deutschen Grenze das Wort ,Asyl’ sagen, erst einmal aufgenommen. Wenn sich dann aber herausstellt, dass kein Anspruch auf Flüchtlingsschutz besteht, gelingt es nur selten, sie wieder zurückzuschicken.“ Eine CDU-geführte Regierung werde das Asylsystem europaweit neu regeln – und „nur noch den wirklich Bedürftigen“ Schutz gewähren.
Auch Konrad Stockmeier (FDP) will Fachkräften die Einwanderung leichter machen. Auch seiner „humanitären Verantwortung“ müsse Deutschland gerecht werden, allerdings „im Rahmen seiner Möglichkeiten“, wie der FDP-Politiker einschränkt. Heißt für ihn konkret: Den Kreis der sicheren Herkunftsstaaten erweitern, Asylverfahren auch an Drittstaaten verweisen, die europäische Grenzschutzagentur Frontex stärken und den Familiennachzug bei Personen mit nur vorübergehendem Schutzstatus stoppen. Gleichzeitig sollen diese Personen mit vorübergehendem Schutzstatus aber auch leichter arbeiten können. In Sachen Abschiebungen spricht sich der Liberale dafür aus, die Zuständigkeit auf Bundesebene zu bündeln, „so dass Abschiebungen konsequent vollzogen werden. Gefährder sind festzusetzen, bis sie ausreisen – etwa durch erweiterte Abschiebungshaft oder Sicherungsverwahrung“.
Der „MM“ hat auch die Linken-Kandidatin und amtierende Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut um eine Antwort auf die Migrationsfrage gebeten. Weil sie aber nach wie vor krankgeschrieben sei, sei eine Stellungnahme nicht möglich, teilte ihr Büro mit.
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