Bundestagswahl

So will Melis Sekmen in Mannheim das Direktmandat gewinnen

Wirtschaftswende, Migrationsbegrenzung, Klimaschutz: Die Ex-Grüne will mit konservativen Positionen für die CDU in den Bundestag einziehen.

Von 
Martin Geiger
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Erst klima- und energiepolitische Ausführungen, dann gemeinsames Fernsehschauen: CDU-Bundestagskandidatin Melis Sekmen beim Wahlkampf auf der Rheinau. © Martin Geiger

Mannheim. Es ist nichts Neues, was Melis Sekmen da an einem Nebentisch der Gaststätte „Krautwickel“ auf der Rheinau sagt: „Wir müssen unterscheiden zwischen den Leuten, die hierherkommen, die Ärmel hochkrempeln und mitanpacken - und denen, die nur von den sozialen Angeboten profitieren wollen. Diese Zuwanderung in die Sozialsysteme müssen wir begrenzen.“ Sie hat das in den vergangenen Wochen oft wiederholt. Schließlich war das einer der Gründe für ihren spektakulären Parteiwechsel.

Und doch fällt es vielen Menschen in Mannheim immer noch schwer, diese Aussagen mit dem Bild in Einklang zu bringen, das sie von „der Melis“ haben. Von jener jungen, türkischstämmigen Frau, die auf dem Waldhof groß geworden ist, drei Jahre lang Sprecherin der Grünen Jugend war, 2014 mit 20 Jahren als jüngstes Mitglied in den Gemeinderat gewählt wurde und fünf Jahre später sogar die meisten Stimmen bekommen hat.

Melis Sekmen – für Mannheim im Bundestag, in Mannheim ausgebuht

Das ist wohl der Grund, weshalb die Aufregung um die 31-Jährige zuletzt so groß war. Warum bei einer Demonstration „Buh“-Rufe aufkamen, als ihr Name fiel. Weshalb ihr Wechsel von den Grünen zur CDU im Sommer so ein Paukenschlag war. Aber eigentlich soll es an diesem Donnerstagabend ja gar nicht um das Thema gehen, das diesen Wahlkampf so sehr dominiert.

„Wir wollen die Themen Klima und Energie pushen“, sagt Sekmen, weil sie für ihren Geschmack derzeit eine zu geringe Rolle spielen. Klimaschutz ist der CDU-Kandidatin im hiesigen Wahlkreis nach wie vor wichtig, selbst wenn sie inzwischen eher davon spricht, „die Schöpfung zu bewahren“. Und so hat sie Andreas Jung eingeladen, über den sie sagt: „Klima und Umweltschutz - diese Themen haben uns beide in die Politik gebracht.“

Andreas Jung ist klima- und energiepolitischer Sprecher der Union im Bundestag - und ein politisches Schwergewicht seiner Partei. © Martin Geiger

Der 49-Jährige ist als klima- und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht nur der Fachmann der Union, sondern auch das, was man gerne als politisches Schwergewicht bezeichnet: Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg und stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei. Sollte diese nach der Wahl also auf Ministersuche sein, könnte früher oder später auch sein Name fallen.

Als Publikumsmagnet taugt er dennoch nicht: Etwa 50 Personen haben sich für die Veranstaltung angemeldet, der Saal ist geschätzt zu knapp zwei Dritteln gefüllt. Parteifunktionäre, Stadt- und Bezirksbeiräte sind da, also viele bekannte CDU-Gesichter. Auch die meisten anderen wirken so, als müssten sie am Sonntag nicht lange überlegen, wo sie ihr Kreuz machen sollen. Da wird Sekmens Lächeln plötzlich etwas breiter: „Der Andy ist da!“

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Der erweist sich als Vollprofi, plaudert mit den Ranghöchsten, ehe er durch die Reihen geht und jedem und jeder die Hand schüttelt. Selbstverständlich vergisst er auch nicht zu erwähnen, dass er als junger Anwalt mal drei Jahre „auf dem Lindenhof“ gelebt hat: „Eine tolle Zeit.“

Nach der Begrüßung durch den Kreisvorsitzenden Christian Hötting treten Sekmen und Jung an den Stehtisch vor dem blau angestrahlten „Melis Sekmen“-Plakat. Etwa eine Stunde lang deklinieren sie die umwelt- und energiepolitischen Positionen der Union durch. Sekmen liefert die Stichworte, Jung die Erläuterungen. Am Klimaneutralitätsziel 2045 wollen CDU/CSU festhalten, weil es „um die Zukunft unserer Kinder“ geht, sagt Jung. Im Gegensatz zu den anderen achte man aber auf wirtschaftliche Stärke und sozialen Ausgleich: „Nur so geht's.“

Etwa 50 Interessierte sind in die Gaststätte „Krautwickel“ in der Nähe des Pfingstbergweihers gekommen, um Melis Sekmen und Andreas Jung zuzuhören. © Martin Geiger

Darum werde man nach einem Wahlsieg die Stromkosten um fünf Cent pro Kilowattstunde reduzieren. Mit den Einnahmen aus der CO₂-Steuer würden die Bürger wieder entlastet. Eine vierköpfige Familie spare beispielsweise rund 200 Euro pro Jahr.

„Technologieoffen“ solle der Wandel von der fossilen Welt zur erneuerbaren vollzogen werden. Autos mit Verbrennungsmotor würden nicht verboten. Die Heizungen müssten zwar klimaneutral werden, aber das „Wie“ wolle man nicht bestimmen. „Es gibt nicht nur den einen richtigen Weg“, sagt Jung. Klimaschutz sei ein Geschäftsmodell: „Dahin müssen wir es führen.“

Das Wasserstoffnetz soll im Südwesten stärker ausgebaut, neue Gaskraftwerke schnell errichtet, die Abscheidung und Speicherung von CO₂ ermöglicht werden. Neue Atomkraftwerke lehne die Union ab, bei den alten in Baden-Württemberg sei „die Messe gelesen“.

Bevor sie das auch im „Krautwickel“ ist, appelliert Jung: „Die Melis“ werde voraussichtlich zwar den Wahlkreis gewinnen. „Nach dem neuen Wahlrecht reicht das aber nicht.“ Es ziehen nämlich nicht mehr automatisch alle Wahlkreissieger ins Parlament ein, sondern nur die mit den prozentual meisten Stimmen. Darum betont Jung: „Sie muss mit einem guten Ergebnis gewählt werden.“ Selbst ihr achter Platz auf der Landesliste gilt als wenig aussichtsreich.

Danach wird die Leinwand aufgebaut: Es folgt das gemeinsame Schauen des ZDF-Wahlforums mit den Spitzendkandidaten. „Wir haben versucht, ein Event daraus zu machen“, erklärt Sekmen. „Das mögen die Leute.“ Die Ausführungen von Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne) gehen jedoch zwischen Small Talk und belegten Brötchen unter.

Sekmen hat im Bundestag für die umstrittenen Initiativen gestimmt - mit der AfD

Sekmen erläutert derweil am Nebentisch, was noch zu der von ihr oft geforderten „Wirtschaftswende“ gehört: etwa steuerfreie Überstundenzuschläge, abgabefreie Rentenhinzuverdienste, bessere Rahmenbedingungen für Gründer, mehr Freiheiten für Selbstständige und Unternehmer und natürlich weniger Bürokratie: „Alles, was an nationalen Regelungen zum EU-Recht dazugekommen ist, muss weg.“

Die Migration muss nach den ganzen aufgeheizten Debatten und Demonstrationen rund um die von der Union in Kauf genommene Zustimmung der AfD im Bundestag auch nochmals thematisiert werden: „Mir war klar, ich werde da zustimmen“, sagt Sekmen. „Ich weiß aus der Kommunalpolitik, wie belastet unsere Systeme sind.“ Einwanderung in den Arbeitsmarkt müsse erleichtert, die Zuwanderung in die Sozialsysteme begrenzt werden. Dass das mit Hilfe einer in Teilen rechtsextremen Partei geschehen sollte, sei „eine übermoralisierende Diskussion“: „Wenn man die AfD wieder kleiner machen will, geht das nur, indem man die Probleme, die sie groß gemacht haben, endlich löst.“

Und ihre Familie und türkischstämmigen Freunde? „Die fanden das gut.“

Friedrich Merz, der nun als letzter Kandidat auf dem Bildschirm zu sehen ist, ebenfalls. Im „Krautwickel“ wird applaudiert.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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