Wahlkampf in Mannheim

AfD-Kandidat Heinrich Koch sieht sich „zu 100 Prozent“ im Bundestag

Mit einem Wahlkampfstand vor einem Einkaufszentrum auf dem Waldhof haben der Mannheimer AfD-Kandidat Heinrich Koch und sein Team geworben. Der Andrang war groß.

Von 
Steffen Mack
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Am AfD-Stand in der Alten Frankfurter Straße (v.l.): Bernhard Pepperl, Karin Daub, Heinrich Koch, Andrea Pepperl und Anja Hillmann. © Steffen Mack

Mannheim. Vor dem Einkaufszentrum auf dem Waldhof ist viel los. Hier in der Alten Frankfurter Straße sind zwei Supermärkte, Drogerie, Paketshop und Second-Hand-Kaufhaus. Und an diesem Tag zwei Wahlkampfstände. An dem der AfD stehen Bundestagskandidat Heinrich Koch, Bezirksbeirat Bernhard Pepperl aus Sandhofen, ihre Frauen und weitere Mitstreiterinnen. Zur Begrüßung überreichen sie Flugblätter und einen Kugelschreiber, auf dem neben dem Partei-Logo steht: „Wir schreiben Geschichte.“

Viele Passanten greifen bei Info-Material, Einkaufschips, Gummibärchen, Flaschenöffnern und Luftballons mit AfD-Schriftzug zu. Ein Mann sagt, er freue sich schon, Koch im Bundestag zu sehen. Der bezifferte seine Chancen bei der Nominierung im Dezember mit 50 zu 50. Jetzt zeigt er sich „zu 100 Prozent sicher“, Abgeordneter zu werden. Die Südwest-AfD sieht er zwischen 19 und 23 Prozent, damit würde sein Listenplatz 15 klar reichen.

An Wahlkampfstand der SPD ist deutlich weniger los

Um das Direktmandat erwartet Koch ein Kopf-Kopf-Rennen. Er schimpft über seine Konkurrentinnen Isabel Cademartori und Nina Wellenreuther. Die Sozialdemokratin und die Grüne gingen bei Podiumsdiskussionen grußlos an ihm vorbei. „Wie wollen die mit Bürgern kommunizieren, die anderer Meinung sind?“

Koch deutet zu einem Wahlkampfstand zehn Meter weiter. „Sehen Sie: Bei der SPD ist nichts!“ Dort schüttelt Ex-Stadtrat Stefan Höß über den starken Andrang bei der AfD den Kopf. Wenn die Menschen hier ein Problem hätten, etwa mit Bürgergeld, kämen sie zu ihm. „Aber jetzt wollen sie einfache Lösungen hören.“ Nur gebe es die in der Politik nicht.

Koch wiederum regt sich über ein Auto auf, das er fälschlicherweise Höß zuschreibt. Es ist von einer SPD-Wahlkämpferin. „Zwei Verkehrsverstöße auf einmal“, schimpft der Unfall-Sachverständige, „auf dem Bürgersteig und gegen die Fahrtrichtung geparkt!“ Daneben hängt ein Alice-Weidel-Plakat an einem Baum. Das ist in Mannheim untersagt. Koch entgegnet, es sei nur für diesen Termin, nachher komme auch noch die BBC. Danach werde dieses Plakat wieder abgehängt. „Wenn Sie darüber schreiben, kriegen Sie eine Kachel bei Facebook!“

Mannheimer Oberbürgermeister nennt Post über „Local Green Deal“-Mitarbeiter „völlig inaktzeptabel“

Was er damit meint, will Koch nicht sagen. So etwas wie die Posts auf Facebook und Instagram, mit denen die AfD neun Mitarbeitern des „Local Green Deal“ vorwarf, sie würden sich mit Steuergeld „satt fressen“? Das löste Protest von Christian Specht aus. Der Oberbürgermeister nannte es „völlig inakzeptabel“, im Auftrag der Stadt tätige Menschen so anzugehen. Koch meint, Kritik an ihren Aktivitäten müsse erlaubt sein. Doch um zu deeskalieren, sei der Post gelöscht worden.

Specht schätze er, sagt der Oberstleutnant. Mit dem Christdemokraten habe er auch als Bundeswehr-Verbindungsmann schon zusammengearbeitet. Überhaupt habe er einen guten Draht zu vielen in der CDU, auch zu einigen Sozialdemokraten. Mit dem verstorbenen Grünen-Landtagsabgeordneten Wolfgang Raufelder sei er befreundet gewesen. Koch zeigt sich überzeugt, dass die Brandschutzmauer gegen seine Partei nun auch im Bundestag gefallen ist, im Gemeinderat sei sie ja schon länger weg. Als Kanzler werde Friedrich Merz sicher noch häufiger etwas gemeinsam mit der AfD durchsetzen.

Ein BBC-Team befragt Koch auf Englisch zu den „two faces“ seiner Partei

Nach rund einer Stunde trifft das BBC-Team ein. Eine Reporterin spricht Koch auf „the two faces“ seiner Partei an, einige Vertreter zeigten ein ganz anderes Gesicht, wie Nazis. Koch sagt, er spreche für Mannheim und Baden-Württemberg, wo es keine Nazis in der AfD gebe. Sein Englisch ist recht flüssig. Außenministerin Annalena Baerbock wirft er später vor, „schlechter als Siebtklässler“ zu sprechen, obwohl die Grüne einige Zeit in London studiert habe.

Flyer und Give-aways der AfD sind an diesem Tag auf dem Waldhof sehr gefragt. © Steffen Mack

Koch hat drei Jahre in Washington D.C. gelebt. Da habe er sich tunlichst an alle Regeln gehalten, erzählt er dem „MM“. Hier will er, dass Ausländer abgeschoben werden, sobald sie eine Straftat begehen. Auch Schwarzfahren? Der Kandidat überlegt. Wenn ein Jurist befinde, dass der Tatbestand erfüllt sei, dann ja. Aber deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund würden nicht ausgewiesen. Dass das mit „Remigration“ nicht gemeint sei, habe die AfD-Bundesvorsitzende klargestellt.

Weidel gefalle ihm sehr gut, schwärmt Koch. Meint er wie sie, dass Adolf Hitler Kommunist war? „Sozialist“, antwortet er. „Wie Stalin. Beide Sozialisten, beide Verbrecher.“ Und von „Alice“ habe er sogar die Handynummer. Allein aus Zeitnot könne sie im Wahlkampf, anders als andere Spitzenkandidaten, nicht nach Mannheim kommen. An diesem Tag ist Weidel in Kusel, am nächsten in Heidenheim. Dort will auch das BBC-Team hin, das auf dem Waldhof jetzt Passanten befragt. Auf Deutsch.

Als die Nase tropft, reichen die beiden AfD-Männer gleichzeitig ein Tempo

Zwischendurch berichtet Silke Koch freudig ihren Parteifreunden: „Der türkische Dönerhändler da drüben hat gesagt, wir dürfen seine Toilette benutzen!“ Den gleichen Migrationshintergrund könnte ein Junge in einem vorbeifahrenden Auto haben, der die Scheibe runterlässt und „Buh, AfD!“ ruft. „Die erste negative Reaktion seit zweieinhalb Stunden“, sagt Andrea Pepperl und ärgert sich, dass der Vorfall vom Reporter notiert wird. Sie sei gespannt, was das für ein Artikel werde.

Ein BBC-Team interviewt Heinrich Koch auf Englisch. © Steffen Mack

Ihr Mann und Koch sind sehr freundlich. Als sich einmal beim Schreiben ein Tropfen an der Nase bildet, reichen beide gleichzeitig ein Tempo. Die Flyer und Give-aways auf dem Stand sind fast vergriffen, Silke Koch holt Nachschub aus Kartons. Überall in Mannheim laufe es so hervorragend wie hier, sagt die Stadträtin. Noch verstärkt habe den Zustrom der Angriff auf eine Kindergartengruppe in Aschaffenburg, bei dem zwei Menschen getötet wurden.

„Das Abmessern muss aufhören“, sagt Heinrich Koch. Er wurde vor der Kommunalwahl 2024 von einem jungen Mann, den er wegen abgerissener Plakate zur Rede stellte, mit einem Cuttermesser am Ohr verletzt. Die Wunde spüre er immer noch, so der 62-Jährige. Der Stich hätte nach Überzeugung der Justiz tödlich enden können. Der unter paranoider Schizophrenie leidende Täter wurde kürzlich dauerhaft zum Verbleib in einer Psychiatrie verurteilt.

Der Täter hat sich bei Heinrich Koch vor Gericht entschuldigt, er hat angenommen

Am ersten Prozesstag fehlte Koch, er war beim Parteitag in Riesa. Die Ladung als Zeuge sei nicht bei ihm angekommen, sagt er. Zu den nächsten Verhandlungstagen ging er. Der Täter sei zweifellos krank. „Er hat sich bei mir entschuldigt, ich habe angenommen. Er hat mir leidgetan.“ Koch ärgert aber, dass nicht ausreichend nach möglichen Mittätern gefahndet worden sei.

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Auf die Frage nach dem drängendsten politischen Problem nennt er den Ukraine-Krieg. Es müsse endlich Friedensverhandlungen geben. Darauf solle Deutschland hinwirken, keine Waffen mehr liefern. Und wieder russisches Gas beziehen.

Zwei junge Frauen rufen aus dem Auto „Nazis raus!“, parken und kommen zum Diskutieren

Nach mehr als drei Stunden wird mit dem Abbau des Stands begonnen. Dazu parkt nun Silke Koch auf dem Gehweg, „nur kurz zum Einladen“. Plötzlich fährt ein Auto mit lauter Musik und heruntergelassenen Scheiben vor. Drinnen sitzen zwei junge Frauen, die „Nazis raus!“ rufen. Dann drehen sie eine Runde über den Parkplatz und machen das nochmal. Vom „MM“ angesprochen, kündigen sie an, ihren Wagen abzustellen und wiederzukommen. Auch das BBC-Team merkt auf.

Die Frauen stellen sich als Michelle und Caroline vor. Auch mit Nachnamen, aber später bitten die Studentinnen per Mail darum, dass die nicht veröffentlicht werden. Sie seien in keiner Partei, aber das Erstarken der AfD beunruhige sie sehr. Es sei „wie 1933“. Am Stand entwickelt sich eine kontroverse Diskussion. Aber beide Seiten sagen zwischendurch, es sei gut, mal miteinander zu reden. Heinrich Koch hält sich im Hintergrund. Er hat den Frauen gleich zu Beginn mitgegeben: „Am Wahlabend werden wir feiern, Sie werden weinen.“

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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