Mannheim. Irgendwo im Norden in Sandhofen oder Schönau, dazu in der Neckarstadt und bei Seckenheim/Friedrichsfeld sollen für die Mannheimer Feuerwehr weitere, kleinere Wachen gebaut werden. Das fordert der Gutachter, der derzeit einen neuen Brandschutzbedarfsplan erarbeitet. Ein erstes Zwischenergebnis seiner Arbeit wird am Dienstag dem Sicherheitsausschuss des Gemeinderats unterbreitet. Danach sind die zusätzlichen Standorte erforderlich, weil die Einsatzkräfte nur so im Notfall das gesamte Stadtgebiet schnell genug erreichen können.
Insgesamt würde die Berufsfeuerwehr dann von sechs Orten im Stadtgebiet ausrücken: Bestehen bleiben die 2017 bezogene Hauptfeuerwache in Neckarau, die von 1975 stammende, gerade generalsanierte Wache Nord in Käfertal sowie die Rheinau. Die Wache Süd, 1963 gebaut, ist zwar völlig marode und gilt als nicht sanierbar. Der Standort selbst soll aber beibehalten werden.
Es zeichnet sich ab, dass es 2023 schon wieder mehr Einsätze werden.
Sechs statt bisher drei Wachen seien „erforderlich, damit die gültigen Vorgaben für den Bereich der Gefahrenabwehr rechtskonform und nachhaltig abgebildet werden können“, heißt es in der Zusammenfassung des Papiers der Gutachter.
Dabei handelt es sich um das Kölner Ingenieurbüro antwortING, spezialisiert auf Gefahrenabwehrberatung. Es erhielt 2019 den Auftrag, den von 2013 stammenden Brandschutzbedarfsplan zu überarbeiten. Das verzögerte sich durch die Corona-Pandemie, doch seit 2021 arbeiten die Fachleute intensiv an einem neuen Gutachten. Einige Teilbereiche liegen noch nicht vor, doch fertig ist die ausführliche Raum- und Risikoanalyse mit dem klaren Ergebnis, dass es stark steigende Anforderungen für die Feuerwehr gibt.
Die Experten verweisen auf die wachsende Bevölkerung, Neubaugebiete und immer verdichtetere Industrieflächen sowie „eine wachsende Hilfsbedürftigkeit der Bevölkerung“ – sprich: Es wird immer schneller der Notruf gewählt. Die Zahl der Einsätze hat von 2013 bis 2022 um etwa 60 Prozent zugenommen. Am Dienstag vergangener Woche ging der tausendste Brandalarm dieses Jahres in der Leitstelle ein. „Damit zeichnet sich ab, dass es 2023 schon wieder mehr Einsätze werden“, erklärt Jens Stiegel, der stellvertretende Kommandant.
Zudem gibt es immer mehr Paralleleinsätze. So sind auch am Dienstag vergangener Woche zeitgleich drei Brandmeldeanlagen losgegangen, „darunter in einem Hochhaus, und das bedeutet immer gleich zusätzliche Kräfte“, so Stiegel. Und zwei Stunden später kamen wieder nahezu zeitgleich drei Alarme rein und alle Löschzüge waren unterwegs. Gab es 2017 noch 650 solcher Brandmeldeanlagen, so sind es derzeit 710. Nicht immer brennt es, wenn sie ausgelöst werden – aber in einem Viertel der Fälle gibt es tatsächlich Flammen, die nur bei einem schnellen Einsatz eingedämmt werden können. „Daher geht es nicht, einfach mal nur hinzufahren und zu gucken, ob vielleicht Essen angebrannt ist“, erläutert Stiegel. Der derzeit geltende Brandschutzbedarfsplan gibt der Feuerwehr vor, dass sie zehn Minuten nach dem Notruf da sein muss – zwei Minuten Ausrückezeit, acht Minuten Fahrzeit. „Aber das schaffen wir bei Weitem nicht mehr“, verweist Stiegel auf die „enorm gestiegene Zahl von Einsätzen und insbesondere Paralleleinsätzen“. Denn die waren bei der Berechnung des Gutachtens von 2013 schlicht gar nicht einkalkuliert worden, so selten ka men sie damals vor. „Aber das hat sich eben drastisch geändert“, so Stiegel.
Die Zahl der Einsätze hat in Mannheim von 2013 bis 2022 um etwa 60 Prozent zugenommen.
Die Experten schlagen daher ein neues Einsatzkonzept vor, weil „steigende Anforderungen an eine risikoadäquate Gefahrenabwehr bedingen“. Sie verweisen auch auf neuere Forschungsergebnisse, dass ein Brand sich exponentiell schneller ausbreitet, wenn er nicht in den ersten Minuten bekämpft wird. Doch dazu reichen weniger Einsatzkräfte aus, als bisher mit einem Löschzug ausrücken. Der besteht aus zwei Löschfahrzeugen und einer Drehleiter mit zusammen zwölf Feuerwehrleuten. Künftig soll zunächst nur ein Löschfahrzeug und die Drehleiter (zusammen acht Besatzungsmitglieder) ausrücken, dann Verstärkung dazu alarmiert werden. „Wichtig ist, dass wir im Erstangriff schneller werden“, sagt Erster Bürgermeister Christian Specht, der für die Feuerwehr zuständig ist.
Doch dazu sind drei weitere Wachen erforderlich, aber nur sogenannte Staffelwachen mit Platz für zwei bis drei Fahrzeuge – also deutlich kleiner als die bisherigen Standorte. Denkbar ist auch, dass einzelne Sonderfahrzeuge in einer dieser Staffelwachen postiert werden, etwa speziell für Waldbrand, Wasserrettung oder Chemieunfälle. „Ich kann mir auch gut eine Kooperation mit dem Rettungsdienst oder eine Integration einer Freiwilligen Feuerwehr vorstellen“, so Christian Specht. Die künftigen Standorte seien aber „noch völlig offen“ erklärt Specht. Der Gutachter habe nur ein Modell zur optimalen Verteilung über das Stadtgebiet entwickelt. Doch da sind nur grob ein oder zwei benachbarte Stadtteile genannt. „Jetzt müssen erst einmal Stadtplanung, Wirtschaftsförderung und Immobilienmanagement gemeinsam auf die Suche nach geeigneten Grundstücken gehen“, erläutert Specht, und wenn sie solche Flächen finden, muss wiederum der Gutachter simulieren, ob man von dort in sechs Minuten alle relevanten Bereiche anfahren kann.
„Wir sind noch ganz am Anfang“, betont Specht, er habe Gemeinderat und Öffentlichkeit früh einbeziehen wollen. Mit der Umsetzung des gesamten neuen Brandschutzbedarfsplanes „geben wir die richtige Antwort auf eine wachsende Stadt und wachsende Risiken“, aber es sei ein langfristiges Konzept: „Wir reden hier von zehn bis 15 Jahren.“
Auch die Stärkung des Ehrenamts ist Teil des Konzepts, wenngleich noch nicht im Detail ausgearbeitet. Der Erste Bürgermeister will „in jedem Fall die Freiwilligen Feuerwehren einbeziehen“, zumal der Gutachter sich bereits deren Gerätehäuser angeschaut hat. Von acht Standorten sieht er bei vier (Rheinau, Seckenheim, Feudenheim, Wallstadt) „gravierende Mängel bei Unfall- und Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz sowie dem Platzbedarf“. Auch bei Nord und Friedrichsfeld notieren die Experten Handlungsbedarf. Selbst die Unterkünfte der Abteilungen Innenstadt und Neckarau, 2017 bezogen, seien inzwischen zu eng. In Wallstadt ist ein Neubau geplant, anderswo hält Specht „Synergien für denkbar“.
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