Sicherheit

Wie die Mannheimer Feuerwehr auf steigende Einsatzzahlen reagiert

Die Feuerwehr muss immer öfter zu immer komplizierteren Einsätzen ausrücken. Wie sie auf die wachsenden Risiken richtig reagieren kann, wird derzeit für einen neuen Brandschutzbedarfsplan untersucht

Von 
Peter W. Ragge
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Das neue Fahrzeugkonzept – hier zwei Löschfahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr Neckarau – ist schon fertig und sieht eine einheitliche Ausstattung von Berufs- und Freiwilliger Feuerwehr vor. © Markus prosswitz

Mannheim. Zunächst weniger Kräfte, die dafür aber schneller am Einsatzort sind – so will die Feuerwehr Mannheim wahrscheinlich künftig Brände besser in den Griff bekommen und bei Unfällen effektiver helfen. Das sieht der erste Entwurf für den neuen Brandschutzbedarfsplan vor. Am Dienstag ist er erstmals Thema einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Sicherheit und Ordnung des Gemeinderats. Beschlossen wird dazu aber noch nichts.

Wie viele Einsatzkräfte, Fahrzeuge, Fähigkeiten und Standorte braucht die Feuerwehr in Mannheim? Das alles definiert der Brandschutzbedarfsplan. Das derzeit gültige Papier stammt von 2013, war ab 2010 erarbeitet worden und ist daher völlig veraltet.

Auch die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung hat abgenommen
Christian Specht

Im Auftrag der Stadt arbeitet das Kölner Ingenieurbüro antwortING, spezialisiert auf Gefahrenabwehrberatung, seit 2021 intensiv an einem neuen Gutachten. Der Auftrag stammt schon von 2019, doch die Corona-Pandemie verzögerte alles. „Ziel ist, dass wir dieses Jahr fertig werden“, erklärt Thomas Näther, Kommandant der Mannheimer Feuerwehr. Damit meint er nur den neuen Plan. Dann stehe eine „mehrjährige Umsetzung“ an. Schließlich gibt es sieben Teilprojekte. Die Verzögerung habe aber den Vorteil, so Näther, dass die Corona-Erfahrungen in das Gutachten eingeflossen sind. Schließlich löscht die Feuerwehr nicht nur Brände, sondern ist für den ganzen Bevölkerungs- und Katastrophenschutz zuständig.

Komplett neue Risikobewertung

Daher sei der Auftrag gewesen, nicht einfach den alten Brandschutzbedarfsplan fortzuschreiben, betont Erster Bürgermeister Christian Specht. „Wir wollten eine komplett neue Risikobewertung, eine umfassende Gefahrenanalyse für die ganze Stadt“, so der für die Feuerwehr zuständige Dezernent. Schließlich habe sich seit 2010 „enorm viel geändert, worauf wir reagieren müssen“, verweist Specht etwa auf neue Wohn- oder Gewerbegebiete auf den Konversionsflächen, neue Herausforderungen durch Elektromobilität, Klimawandel oder die weltpolitische Lage. „Auch die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung hat abgenommen“, so Specht.

Konkret bedeutet dies, dass viel öfter der Notruf gewählt wird. „Die Zahl der Einsätze nimmt enorm zu“, sagt Kommandant Näther – von 2809 in 2013 auf 4430 in 2022. Sieht man von einer kleinen Delle während der Lockdown-Jahre in der Corona-Pandemie ab, muss die Feuerwehr jedes Jahr mehr ausrücken als im Jahr zuvor, den Rettungsdienst nicht eingerechnet. „Von 2013 bis 2022 haben wir etwa 60 Prozent Einsatzsteigerung“, so der Feuerwehrchef, „auch die Zahl der Großeinsätze und die Herausforderungen dabei steigen immer mehr“. Näther hat aber nicht mehr Personal. Selbst das, was schon der Brandschutzbedarfsplan 2013 als zusätzliche Stellen forderte, wurde nie ganz umgesetzt.

Feuerwehr in Zahlen

  • Die Berufsfeuerwehr hat insgesamt 333 Mitarbeiter, davon 301 Einsatzbeamte.
  • Von allen drei Wachen (Hauptfeuerwache Neckarau sowie die Wachen Käfertal und Rheinau) kann jeweils rund um die Uhr ein Löschzug mit je zwölf Mann ausrücken. Dazu kommen teilweise Besatzungen für Sonderfahrzeuge und Führungskräfte
  • Bei der Freiwilligen Feuerwehr sind derzeit in den acht Abteilungen Feudenheim, Friedrichsfeld, Innenstadt, Neckarau, Nord, Rheinau, Seckenheim und Wallstadt mehr als 384 Männer und Frauen ehrenamtlich aktiv. 

Näther verfolgt daher einen ganz anderen Ansatz. „Wenn sich die Lage ändert, muss sich auch die Gefahrenabwehrbehörde ändern“, meint der Feuerwehrchef. Schließlich habe er auch auf Wirtschaftlichkeit und Effektivität zu achten. Untersucht wurde daher, wie lange es dauert, einen Einsatz abzuarbeiten – vom Notruf bis zur Abrechnung. Das Gutachten stellte daher die Frage, ob die bisherigen Einsatzkonzepte noch zeitgemäß sind.

Bislang rückt die Feuerwehr üblicherweise als Löschzug aus. Der besteht aus zwei Fahrzeugen und der Drehleiter, zusammen besetzt mit zwölf Einsatzkräften. Sie sollen in 90 Prozent der Fälle binnen zehn Minuten eintreffen. Je nach Lage wird dann Verstärkung angefordert. Bei bestimmten Gebäuden oder konkreteren Notrufen fährt gleich ein weiteres Löschfahrzeug aus einer anderen Wache diese Einsatzstelle an.

„Die Verkehrsinfrastruktur macht es uns aber zu einer schwierigeren Herausforderung, die Eintreffzeiten zu erreichen“, umschreibt Näther die zunehmenden Staus. Zudem gibt es neue Forschungsergebnisse. Bei Unfällen steigt die Überlebenswahrscheinlichkeit, je schneller das Opfer befreit wird. Und bei Bränden lässt sich deren Ausbreitung besser verhindern, je früher der Löschangriff beginnt.

„Wir müssen es schaffen, mit weniger Einheiten schneller zu helfen“, beschreibt der Kommandant die Vorgabe. Daher sollen zunächst nur ein Löschfahrzeug mit sechs Einsatzkräften und die Drehleiter (besetzt mit zwei Feuerwehrleuten) ausrücken – also in der Summe acht Leute. Verstärkung kommt von einer anderen Wache. „Wir brauchen also mehr dezentrale Standorte, die gut verteilt sind“, nennt Näther eine Folge. Man spricht von sogenannten „Staffelwachen“ – also quasi Garagen mit zwei Stellplätzen sowie Aufenthalts- und Arbeitsräumen. So könne man 20 Prozent schneller an vielen Orten der Stadt sein.

Näther ist klar, „dass das nicht so schnell zu realisieren ist“, weil das neue Einsatz- und Ausbildungsabläufe sowie eine geänderte Alarm- und Ausrückeordnung bedeutet. Denn das neue Konzept solle „auf keinem Fall eine Verschlechterung – im Gegenteil“ bedeuten, nennt Christian Specht klar als Bedingung.

Weitere, kleinere Standorte

Aber daher ist die Arbeit am neuen Brandschutzbedarfsplan auch viel breiter angelegt als 2010-2013. So werden derzeit alle bisherigen Wachen und Gerätehäuser der Freiwilligen Feuerwehr untersucht. Klar ist, dass die 2017 bezogene Hauptfeuerwache in Neckarau und die Wache Nord in Käfertal, die gerade saniert wird, bleiben. Dazu müssen dann weitere, kleinere Standorte kommen, die nun gesucht werden. Basis ist dabei das Modell Räumliche Ordnung der Stadt von 2019.

Die Planung geht aber noch weiter. Sie untersucht, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Feuerwehr hat – und wie sie ihr auch helfen kann, effizienter zu arbeiten. Durchleuchtet werden die Organisation und alle Geschäftsprozesse vom „Amt Feuerwehr und Katastrophenschutz“, die Abläufe in den Abteilungen im Normalfall und auch in der Krise. „Krisenmanagement hat man lange eher theoretisch betrachtet, aber inzwischen haben wir da ja Erfahrung“, verweist Christian Specht auf die enorme Herausforderung, welche Corona, Flüchtlingszustrom und die Vorbereitung auf mögliche Energiekrisen und Stromausfälle für die Feuerwehr bedeuteten. Darauf müsse man sich mehr vorbereiten.

Wir müssen es schaffen, mit weniger Einheiten schneller zu helfen
Thomas Näther Thomas Näther

Schließlich geht es um ein Ehrenamtskonzept – also um die Frage, wie Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren gewonnen, motiviert und eingebunden werden können. „Klar ist, dass wir das Ehrenamt weiter stärken wollen“, sagt Specht zu.

Einen ersten Schritt dazu gibt es bereits – und nur dieser eine Teil des Brandschutzbedarfsplans ist ganz fertig: das Fahrzeugkonzept. Danach werden die Berufsfeuerwehr und alle Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr mit dem gleichen Basisfahrzeug („Hilfeleistungslöschfahrzeug 20“) ausgestattet.

Die Standardfahrzeuge der Ehrenamtlichen sind derzeit im Schnitt 20 Jahre alt und veraltet. Auch die Hauptamtlichen müssen die Wagen, mit denen sie im Notfall als erstes ausrücken, immer öfter in die Werkstatt schicken. Gerade wurden knapp 200 000 Euro fällig, um „offensichtliche Verschleißerscheinungen“ an fünf 2008 beschafften Fahrzeugen auszubessern. Der Ausschuss soll daher heute 9,38 Millionen für 14 neue Fahrzeuge bewilligen. „Das einheitliche Basisfahrzeug erleichtert Beschaffung, Austauschbarkeit, Einsatz und Instandhaltung“, ist Näther überzeugt.

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