75 Ideen für ein besseres Mannheim - Teil 74 - „MM“-Leser Wolfgang Buchholz wünscht sich mehr gute Töne in der Innenstadt

Mannheim, wie wär’s mit … mehr Musik auf der Straße?

Von 
Katja Geiler
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The Marching Band beim Straßenmusikfestival in Ludwigshafen 2021 – auch ein Konzept für die Mannheimer Innenstadt? © Thomas Tröster

Wer erinnert sich an die Zeit, als die Kelly Family noch in den Fußgängerzonen der Innenstädte sang? Auch in Mannheim wurden Dan und Angelo Kelly bei einem Auftritt auf den Planken gesichtet, das war Ende der 80er Jahre. Straßenmusik gehört einfach dazu, das findet auch „MM“-Leser Wolfgang Buchholz aus Seckenheim. Seine Idee für ein besseres Mannheim lautet deshalb: Die Gründung einer Initiative für Straßenmusik.

Beim Flanieren durch die Innenstadt brachte ihn der Klang einer Klarinette an diese Idee. „Ich habe selbst früher mit Bands schon öfter Straßenmusik gemacht und dabei positive Rückmeldung bekommen vom spontanen Publikum“, sagt der ehemalige Lehrer, der Folk auf der Geige spielt. Buchholz hat sich bei der Verwaltung erkundigt, wie die Regeln für die Straßenmusik lauten - und ist ernüchtert. Musiziert werden darf in den Quadraten innerhalb des Rings zwischen 11 und 22 Uhr, heißt es im Merkblatt Straßenmusik. Und auch nur eine halbe Stunde lang zur vollen Stunde, insgesamt zwei Stunden lang. Nach jeder Einheit müssen die Instrumente eingepackt werden, wieder aufgebaut werden dürfen sie mindestens 100 Meter weiter. Eine Gruppe darf höchstens sechs Personen haben - also eine halbe Kelly Family -, nur in Ausnahmefällen darf sie größer sein. Verstärker und der Verkauf von Tonträgern ist nicht gestattet, eine Gebühr von 17,40 Euro pro Tag wird erhoben.

Buchholz ist sich sicher: „Es geht nur um Verhinderung. Da geht jede Spontanität verloren, das ist nicht mehr das, was ich Straßenmusik nenne. Wir haben es aufgegeben, im öffentlichen Raum zu musizieren.“ Eine Innenstadt ohne Musik findet Buchholz trostlos: „Shopping, Gerenne, mal ein Eis bei Fontanella, einen Kaffee, aber das war’s dann schon mit Gemütlichkeit.“

Den Grund für die Auflagen sieht der Musiker darin, dass Geschäftsleute sich über die Straßenmusiker beschwert haben könnten. „Die Auflagen, die es als Straßenmusiker einzuhalten gilt, dienen insbesondere dem Lärmschutz der Anwohnerinnen und Anwohner in den Innenstadtbereichen, in denen Straßenmusik in Mannheim zulässig ist“, so Rathaussprecherin Désirée Leisner.

Wird Straßenmusik also als Lärm wahrgenommen? Lutz Pauels, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Mannheim City, ist ganz anderer Meinung: „Das Thema Musik in der City hat in der Zeit vor Corona eine große Rolle gespielt, und so wird es auch wieder nach Corona sein.“ Vor zwei Jahren wurde das Label „Musik zum Feierabend“ ins Leben gerufen, und auch bei anderen Veranstaltungen sei immer Musik dabei gewesen. Für dieses und nächstes Jahr plane die Werbegemeinschaft eine Fortsetzung der Aktion „Tüten und Töne“, die vor einigen Jahren im Sommer stattfand. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Einzelhändler durch Musik gestört fühlen, das muss vielleicht ein Einzelfall gewesen sei. Das Gegenteil ist der Fall“, sagt Pauels.

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Woher kommt die Kritik?

Woher könnte die Kritik kommen? Bei den Events der Werbegemeinschaft handelt es sich um platzierte Auftritte zu bestimmten Anlässen. Und die Musikerinnen und Musiker sind bewusst ausgewählt - womit man schräge Töne vermeidet. Das geht in die Richtung, die auch Leser Wolfgang Buchholz zusagt, denn er schlägt vor: „Man könnte also, statt diese Straßenkünstler durch ein strenges Reglement aus der Stadt zu vertreiben, die Straßenkultur fördern. Das muss nicht heißen, dass jede und jeder zu beliebiger Zeit an jedem Ort losfiedeln kann, aber es gibt genug Straßen, Plätze und Parks, wo man zu bestimmten Zeiten das Musizieren erlauben kann oder auch aktiv fördern.“ Die Musiker könnten sich bei der Stadt bewerben und sogar eine Gage für ihren Auftritt erhalten.

Und ein öffentlich organisiertes und gefördertes Straßenmusikfestival wie in Ludwigshafen könnte sich Buchholz auch vorstellen. Das hat letzten Sommer trotz Corona stattfinden können, sogar mit Marching Band vor der Rheingalerie. Werbegemeinschaft und Leser sind sich einig: Straßenmusik soll auf jeden Fall eine Bühne bekommen.

Eine Gruppe aus Mannheim ist nach Heidelberg abgewandert. „Wir haben uns informiert“, sagt eine Abiturientin des Mannheimer Karl-Friedrich-Gymnasiums, die mit Mitschülerinnen und Mitschülern Straßenmusik machen wollte, um Geld für den in diesem Jahr anstehenden Abi-Ball zu erspielen. „Nach den Straßenregeln in Mannheim ist das viel zu kompliziert“, sagt die 17-Jährige, „man braucht eine Einverständniserklärung der Eltern, darf nur zu sechst sein und zur vollen Stunde anfangen, muss alle 30 Minuten den Standort wechseln und vieles mehr.“ Außerdem müsse beim Spielen ein Elternteil anwesend sein. Die Gebühr mache das Projekt, so Geld für den Abi-Ball zusammenzukriegen, unsinnig.

Heidelberg gilt als attraktiver

Und es gibt noch einen Grund, sagt die Musik-Leistungskurslerin: „Wir haben uns gedacht, dass Heidelberg auch viel schöner ist und dort viel mehr Leute spazieren gehen. Das macht einfach viel mehr Spaß. Kann sein, dass wir in Heidelberg auch nicht alle Regeln beachtet haben, manchmal kam die Polizei, hat sich aber nicht für uns interessiert. Die sind mit Blaulicht einfach weitergefahren. Das war uns dann egal.“ Der Abi-Ball der Mannheimerinnen und Mannheimer jedenfalls hat von der Straßenmusik in Heidelberg profitiert. Hunderte Euro kamen zusammen. Der Abi-Ball steht. (mit dms)

Freie Autorin Ich schreibe für alle Mannheimer Stadtteile und für Viernheim

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