75 Ideen für Mannheim - Teil 10

Mannheim, wie wär's ... mit einem neuen Radwege-Netz?

Von 
Thorsten Langscheid
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Radfahrer in der Auguastaanlage: Hier beginnt demnächst der Bau von eigenen Fahrradspuren. © Thomas Tröster

Mannheim. In diesen Tagen beginnen die Bauarbeiten für die neuen Fahrradspuren in der Augustaanlage. Ein wie so oft nicht unumstrittenes Vorhaben, das - ähnlich wie vor einigen Jahren in der Bismarckstraße - rund vier Millionen Euro kosten wird. Zudem wird auch die parallel verlaufende Richard-Wagner-Straße zur Fahrradstraße umfunktioniert. Dieses und manch anderes Lückenschluss-Projekt sollen in nächster Zukunft Verbesserungen für Fahrradfahrer bringen, beispielsweise am Luisenring. Zudem steht der Bau und Ausbau der Radschnellverbindungen nach Heidelberg und Weinheim auf der politischen Tagesordnung. Gute Zeiten für Radler also?

Bedingt ja, könnte man sagen. Denn Mannheim tut einiges für die Verbesserung des Radverkehrs, scheint aber dabei irgendwie auf der Stelle zu treten. Wolfgang Schuy, Kreisvorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), hatte in einem Interview mit dieser Zeitung einerseits die Erwartung geäußert, dass der Radverkehrsanteil bei Fertigstellung größerer Teilstrecken (Lückenschlüsse) „wie zum Beispiel in der Friedrich-Ebert-Straße, der Augustaanlage oder am Ring einen „messbaren Anstieg“ feststellen lässt.

Andererseits hatte Schuy aber auch auf Probleme hingewiesen: „Für viele Planer und Politiker ist das Auto immer noch die heilige Kuh im Straßenverkehr. Hier müssen wir für Veränderungen ansetzen.“ Bestehende Radverkehrskonzepte müssten konsequent fortgesetzt werden, meint der BUND-Fahrrad-Experte mit Bezug auf das um 2010 entstandene Radverkehrskonzept der Stadt, das in großen in Teilen bereits umgesetzt wurde oder in der Planung ist.

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Bislang wenig Verbesserung des Radverkehrs

René Leicht, Soziologe, Grünen-Altstadtrat und Bezirksbeirat in Feudenheim, geht in seiner Bewertung einen Schritt weiter: Er sagte vor wenigen Monaten im Interview mit dieser Redaktion: „Auch Anstrengungen können wirkungslos verpuffen, wenn sich Politik und Planung in kleinteiligen Maßnahmen verlieren und die große Linie fehlt. Mannheim braucht ein Radverkehrsnetz, das diesen Namen verdient. Eine Stadt, die statistisch betrachtet das beste Fahrradwetter bundesweit hat und zudem absolut flach ist, sollte einen höheren Radverkehrsanteil als nur 20 Prozent haben.“ Viele strukturell mit Mannheim vergleichbare Städte hätten schon früh in komfortable und zügig befahrbare Radrouten investiert, die sich zu einem Netz ergänzen. Leicht: „Dies führt längerfristig auch zu Verhaltensänderungen und letztlich zu einer Radkultur, die Mannheim erst noch etablieren muss.“

Gerade das 21-Punkte-Programm zur Verbesserung des Radverkehrs habe trotz aller Anstrengungen nicht allzuviel bewirkt. Leicht: „Seit 2013 hat der Radverkehrsanteil nur um schwache zwei Prozent-Punkte zugenommen, wodurch das anvisierte 25-Prozent-Ziel weit verfehlt wurde. Der geringe Zugewinn ging aber nicht zulasten des Auto-, sondern des Fußverkehrs. Allein schon Strecken zwischen 3 bis 5 Kilometer werden in Mannheim zu 56 Prozent mit dem Auto zurückgelegt, obwohl solche Entfernungen locker mit dem Rad zu schaffen sind. Aber dazu braucht man eben auch Wege, auf denen man durchgängig und ohne Umwege radeln kann.“

Mannheim - Stichwort Augustaanlage - baut immer noch Fahrradwege einfach dort, wo auch schon Auto-Straßen sind. Es fehlen dabei planerische Grundlagen wie zum Beispiel Quell-Ziel-Analysen. Soll heißen: Oftmals ist gar nicht belegt, ob da, wo für viel Geld ein Radweg geplant und gebaut wird, auch Fahrradfahrer wirklich fahren wollen. Klar: Die Stadt ist ja schon da, man kann sie sich nicht neu backen, sondern muss die Radwege dort anlegen, wo auch Platz ist, also zumeist im Zuge der bereits vorhandenen Straßen. Das eingangs genannte Beispiel Richard-Wagner-Straße und Augustaanlage zeigt aber, dass es mancherorts durchaus alternative Wegführungen gibt.

Weiteres Problem sind vergessene Fahrradwege

Und auf der anderen Seite wissen Radfahrer, die sich in ihrer Stadt gut auskennen, dass es jede Menge versteckte und vergessene Fahrradwege gibt, die - teils in sehr schlechtem Zustand - mit vergleichsweise geringem Aufwand so instand gesetzt werden könnten, dass sie wieder benutzbar sind. Darauf haben Grünen-Bezirksbeiräte im vergangenen Sommer am Beispiel der Wege aus Neckarau und Rheinau in Richtung Brühl und Schwetzingen hingewiesen.

Mitunter sind es nur kleine Verbesserungen, die einen großen Effekt bringen würden. Wer aus der Mannheimer Innenstadt nach Ludwigshafen möchte, muss genau wissen, wo die gut ausgebaute Radverbindung über den Rhein beginnt - nämlich auf dem Campus der Universität zwischen Schloss und Mensa. Es fehlt schlicht eine vernünftige Beschilderung in der Innenstadt - und vielleicht auch einmal eine Erneuerung der des Asphaltbelags, der auf den Ende der 1950er Jahre (!) entstandenen Radwegen am Kopf der Konrad-Adenauer-Brücke nach über 60 Jahren nicht mehr überall up to date ist. Eine gute Radverbindung in Richtung Lindenhof findet sich dort übrigens auch.

Ähnliches gilt im Umfeld der Carlo-Schmid-Brücke über den Neckar. Auf der Feudenheimer Seite des Neckars gibt es bestens ausgebaute Radwege, die über die Brücke führen. In Neuostheim steht man dann allerdings an einem Treppenturm, über den man sein Fahrrad nach unten schleppen muss. Warum seit den 1970er Jahren niemand auf die Idee kam, die Radverbindung endlich einmal zu Ende zu bauen? Die Grünen haben es vor vielen Jahren schon gefordert, die Freien Wähler tun es seit dem Corona-Sommer 2020 auch.

Radwegenetz müsste neu gedacht werden

Grundsätzlich müsste das Radwegenetz mit Radialen und Tangenten dort, wo sie tatsächlich benötigt werden, neu gedacht und entsprechend geplant werden. Dann wüsste man auch genauer, ob die genannten Beispiele zur Verbesserung „nur“ für den ohnehin vorhandenen Radverkehr taugen oder auch dazu beitragen können, dass mehr Menschen aufs Rad umsteigen. Deswegen ist es bedauerlich, dass der Radschnellweg Heidelberg-Mannheim, bei dem geforderten planerischen Grundlagen in vorbildlicher Weise ermittelt wurden, nun in der Umsetzung so lange dauert.

Die ergänzenden Teilstrecken, die Mannheim selbst entwickeln muss, sind bereits vorhanden und müssten eben planerisch und dann auch baulich „ertüchtigt“ werden - eine nicht ganz triviale Aufgabe, zugegeben. Im Verlauf der Wegeführung südlich des Neckars gilt es, den Radverkehr durch ein Naturschutzgebiet ebenso hindurchzubringen wie über den stark auch von Fußgängern frequentierten Neckardamm. Ein zukunftsweisende planerische Grundlage wäre dabei zweifellos hilfreich.

Die Umwelt- und Verkehrsverbände machen sich deswegen für ein Sofortprogramm stark: Man könne nicht warten, bis die Stadt einen Masterplan für die 2030er Jahre entwickelt hat. „Die neuen Radrouten müssen her, so schnell wie möglich“, sagt René Leicht. Und er sagt auch: Das neue Radwegenetz wird viel Geld kosten“. In den nächsten Tagen wollen die Initiatoren des Sofortprogramms ihre Forderungen der Öffentlichkeit im Detail vorstellen.

Redaktion koordiniert die Berichte aus den Mannheimer Stadtteilen.

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