Mannheim. Spätestens seit dem Wochenende sind sie im Stadtbild unübersehbar. An Laternen und Bäumen, auf Grünstreifen oder an Brücken: Plakate gehören zum Wahlkampf dazu – zum Ärger vieler und zur Freude einiger. In der Nacht auf Sonntag haben die Parteien die Pappschilder in der Stadt aufgehängt. Dass die ersten Klagen über beschädigte und beschmierte Plakate eher früher als später eintrudeln würden, ist aus der Erfahrung heraus wenig überraschend – sowohl für den Journalisten als auch für die Plakatierten.
Über bloße Schmierereien hätten sich auch Kai-Uwe Herrenkind und Markus Sprengler wohl geärgert. Dass die SPD-Politiker während dem Plakatieren auch körperlich angegangen werden, damit hatten sie in der Nacht auf Sonntag allerdings nicht gerechnet.
Mannheimer SPD-Stadtrat: "Es geht nicht, dass wir angegangen werden"
Die Sozialdemokraten plakatieren gerade am Neuen Meßplatz, als ein Mann auf sie zuläuft. Mit einem Joint im Mund und offenbar angetrunken, soll er ihnen laut Herrenkind aggressiv zugerufen haben: „Wenn Sie das Plakat aufhängen, kann ich es gleich wieder runterreißen.“ Nachdem er Herrenkind gerempelt habe, soll er das Plakat tatsächlich wieder vom Mast gerissen haben. „Dann ist er uns noch angegangen“, erklärt Herrenkind dieser Redaktion. Der Juso steht auf Platz sieben der SPD-Kandidatenliste für die Kommunalwahl am 9. Juni. „Es ist zum Glück niemand verletzt worden. Hätten ihn nicht zwei, drei Freunde zurückgerufen, wäre aber vielleicht Schlimmeres passiert.“
Trotz Alkohol und Joint soll der Mann klar gewirkt haben. „Er wusste, was er sagt und tut“, sagt Sprengler dieser Redaktion. Ein Video, das der Stadtrat gedreht hat, unterstützt diesen Eindruck. Sprengler, der auf Platz 15 kandidiert, hat Anzeige erstattet. „Es geht nicht, dass wir körperlich angegangen werden, wenn wir uns kommunalpolitisch engagieren.“ Bereits in den vergangenen Tagen war er in einem Graffito in Neckarau namentlich diffamiert worden. Auch Herrenkind, der die SPD in der Neckarstadt führt, spricht von einer „Hemmungslosigkeit, die sich einschleicht“.
Mannheimer Grünen-Stadtrat im Fadenkreuz: "Es gibt Leute, die Angst haben"
Indes haben Unbekannte das Gesicht von Gerhard Fontagnier auf einem Plakat ins Fadenkreuz genommen und das Schild außerdem mit einem „Z“ beschmiert, das als Zeichen der russischen Armee im Krieg gegen die Ukraine gilt. Der Grünen-Stadtrat will ebenfalls Anzeige erstatten, auch wenn er dieser Redaktion sagt: „Plakate kaputtzumachen, ist mittlerweile Standard.“ Als erfahrener Wahlkämpfer zählt Fontagnier, der bei den Grünen auf Platz sechs kandidiert, auch Beschimpfungen zum „normalen Tagesgeschäft“ in der Kommunalpolitik.
2019, erinnert er sich, sei atmosphärisch ein vergleichsweise ruhiger Wahlkampf gewesen. Ansonsten habe es immer wieder Zerstörungen, Schmierereien und Beschimpfungen gegeben. „Ein Fadenkreuz im Gesicht ist aber nochmal eine andere Nummer“, sagt er. Vor allem jüngere, unerfahrenere Menschen, die sich im Wahlkampf engagieren, würden sich die Anfeindungen zu Herzen nehmen. „Es gibt Leute, die Angst haben und zum Beispiel beim Plakatieren nicht allein unterwegs sein wollen. Das ist bedenklich.“
Weitere Plakate in Mannheim zerstört
Andreas Parmentier, Spitzenkandidat der Tierschutzpartei, kritisiert auf Instagram einen Stapel heruntergerissener Plakate im Käfertaler Wald. Auf dem Bild sind Werbungen von AfD, SPD und Linke zu sehen. SPD-Stadträtin Andrea Safferling, sie kandidiert für die SPD auf Platz sechs, berichtet dieser Redaktion indes unter anderem von zahlreichen heruntergerissenen Schildern in Sandhofen und auf der Schönau. „Die Plakate sind zum Teil zerstört.“
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