Mannheim. Sie sahen sich schon kurz vor dem Ziel – doch nun ist ein neues, gewaltiges Hindernis aufgetaucht: Die geplante Präsentation einiger Originale wichtiger Denkmäler und Reste historischer Gebäude während der Bundesgartenschau in der U-Halle, die als Vorstufe für ein Lapidarium gedacht war, droht plötzlich an den Transportkosten zu scheitern. Nun sollen zwei Anträge für die Gemeinderatssitzung am Dienstag das Problem doch noch lösen.
„Es ist zermürbend“, seufzt Helen Heberer, Stadträtin der SPD und Vorsitzende des Vereins Stadtbild. „Aber wir ziehen das durch“, betont sie und will sich am Dienstag nicht nur mit einer kurzen Erklärung der Verwaltung abspeisen lassen. Die plant nämlich, das Thema in den Kulturausschuss zu vertagen – der sich erst wieder am 23. März trifft. „Das wäre zu spät“, so Heberer.
Lapidarium
Unter einem Lapidarium (Lateinisch lapis für Stein) versteht man eine – meist öffentlich zugängliche – Sammlung von historischen Grab- und Wegsteinen, Skulpturen, Sarkophagen, Bauteilen und Zierelementen zerstörter oder erneuerter historischer Gebäude sowie der Originale von Denkmälern, die aus konservatorischen Gründen (Verwitterungsgefahr) durch Kopien ersetzt wurden.
Unter anderem in Stuttgart, im Landesmuseum Württemberg, im Territorialmuseum Babenhausen (Hessen), in Sinsheim, Esslingen, Heilbronn, Offenburg, Bad Wildungen/Schloss Friedrichstein, Dresden, in München und Nürnberg, in Schloss Hartenfels (Torgau) und den Schlössern Schwetzingen und Ludwigsburg gibt es Lapidarien.
In Mannheim lagern die Objekte derzeit im städtischen Depot Ölhafenstraße sowie auf weiteren Flächen, unter anderem in Käfertal und in der Lagerstraße, oder Kellern, in Schuppen oder im Freien. pwr
Schon seit Jahrzehnten kämpfen der Verein Stadtbild und Kommunalpolitiker für ein Lapidarium. Bislang lagern Fragmente vom Marktplatzdenkmal, machtvolle Sphingen und andere Details des Figurenschmucks am Wasserturm, die Originale der Gittermastlampen vom Friedrichsplatz (wo längst Nachbildungen stehen), Teile der Schlosswachhäuschen oder das alte Hauptportal des Dalberghauses sowie die älteste Straßenlaterne Mannheims im städtischen Depot Ölhafenstraße sowie auf weiteren Flächen, unter anderem in Käfertal und in der Lagerstraße, in Schuppen oder im Freien. „Es wurden insgesamt 29 Bauteile von uns erfasst, viele restaurierungsbedürftig, die an verschiedenen Standorten lagern“, so Bernd Hahner, Vorstandsmitglied beim Verein Stadtbild. Dort sind sie teilweise von Moos oder Unkraut überwuchert und verrotten langsam, aber sicher.
„Wunderschönes Konzept“
Dabei gab es viele Vorstöße im Gemeinderat, um das zu ändern. Den ersten Antrag stellte bereits 1998 die CDU, viele weitere von SPD, CDU und auch kleineren Fraktionen folgten. Meist entgegnete die Verwaltung, es gebe dafür keinen Etat und keinen möglichen Standort. Doch im April 2021 war sich der Kulturausschuss des Gemeinderats einig, dass er das Projekt will, und dass die museale Sammlung und Präsentation der wertvollen Steine nach der Bundesgartenschau 2023 auf Spinelli stattfinden soll.
Die Bundesgartenschau bot an, bereits während des sommerlangen Festes einige Exponate in der U-Halle zu zeigen. „Das könnte eine Art Appetitmacher“ sein, meinte Buga-Geschäftsführer Michael Schnellbach damals mit Blick auf das lange geforderte Lapidarium. „Und die haben auch ein wunderschönes Konzept, bei dem die alten steinernen Zeugnisse wunderbar in die U-Halle und vor Pflanzungen eingebunden werden können“, lobt Heberer. Die Bundesgartenschau-Gesellschaft bot dem Verein auch eigens eine Führung, um die Standorte zu zeigen. „Ziel ist es, dem Lapidarium eine endgültige Heimat zu geben und ihre Schönheit schon während der Bundesgartenschau zur Geltung zu bringen“, so Heberer. Und nach der Führung waren viele Mitglieder begeistert und sahen sich am Ziel.
Dann aber begann etwas, was Heberer als „Hickhack in der Verwaltung“ beschreibt. Die 2021 im Kulturausschuss zugesagte Vorlage gibt es bis heute nicht. Das Kulturamt ist erst nach der Bundesgartenschau für die Unterbringung der steinernen Zeugen der Stadtgeschichte in der U-Halle verantwortlich. „Das ist von der Zuständigkeit korrekt, aber in der praktischen Umsetzung unglücklich“, so Heberer, denn sie sucht seit Wochen eine Möglichkeit, die teils tonnenschweren Exponate auf das Spinelli-Gelände noch vor der Bundesgartenschau zu bringen – und selbst sie als Stadträtin schafft es nicht, den Zuständigen in der Ver- waltung zu finden. Aber beim Baudezernat, denen die meisten Lagerstätten unterstehen, kommt sie ebenso wenig weiter wie bei der Bundesgartenschau. Diese poche darauf, dass es ja städtisches Eigentum sei, das untergebracht werden müsse. Jeder verweise darauf, dass er dafür kein Geld habe und ein anderes Dezernat verantwortlich sei.
„Jetzt reicht es, und wir wollen da über den Gemeinderat Bewegung reinbringen“, betont Heberer. Ihre SPD-Fraktion beantragt daher, dass für den „Transport der Lapidarien die zeitnahe Freigabe der finanziellen Mittel“ erfolgen müsse. Danach könnten diese ja verwaltungsintern verrechnet werden. Dabei geht es, so erste Kostenschätzungen, um 35 000 Euro.
SPD und CDU sind sich einig
Bei den Exponaten handele es sich um historische, meist skulpturale Bauteile, die an markanten Gebäuden der Stadt verbaut waren, so der Antrag. „Es sind Originale, die seit Jahren auf Bauhöfen gelagert sind“, heißt es in dem SPD-Papier. Sie sollten nach der Bundesgartenschau zentral und trocken untergebracht werden – in einem Teilbereich der U-Halle auf Spinelli, wie der SPD-Antrag noch mal festschreibt. „Der Transport, zeitlich noch vor der Bundesgartenschau, ist deshalb nur eine vorgezogene Maßnahme, die zur Attraktivierung im Ausstellungsgelände dienen und einen historischen Bogen zur Stadtgeschichte symbolisieren soll, da die Objekte danach auf Spinelli verbleiben werden“, so die Sozialdemokraten.
Einen gleichlautenden Antrag will CDU-Fraktionsvorsitzender Claudius Kranz stellen. „Das Verbringen der Ausstellungsgegenstände ist bereits Teil der Beschlusslage“, versteht er die Debatte um Zuständigkeiten in der Verwaltung nicht. „Ob dies nun vorgezogen wird oder erst nach der Buga erfolgt, ist für uns haushalterisch kein Unterschied“, mahnt er, aber „jetzt bereichern die Ausstellungsgegenstände die Bundesgartenschau“, weshalb die Verwaltung jetzt tätig werden solle.
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