Städtebau

Das sind Mannheims neue Denkmäler

Ein Parkhaus unter Denkmalschutz? Wie die Fachleute erklären, warum sie was jetzt neuerdings als Denkmal einstufen und welche Mannheimer Gebäude das betrifft.

Von 
Peter W. Ragge
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Mannheim. Wer hinauf will, muss sich eilen: Nur noch bis Jahresende läuft der Pachtvertrag. Ursprünglich bis Ende 2024 befristet, hat er sich bis Dezember 2025 verlängert - aber dann ist Schluss. Dem „Skyline“, dem Drehrestaurant vom Fernmeldeturm, ist gekündigt worden. Dabei rückt das 50 Jahre alte Bauwerk nun wieder stärker in den Mittelpunkt des Interesses: Der Turm steht jetzt unter Denkmalschutz. Wie das Parkhaus in N 2 und das Jüdische Gemeindezentrum hat das Landesdenkmalamt ihn in die Denkmalliste aufgenommen.

Gerade der Turm und das Parkhaus „belegen anschaulich, dass man es in Mannheim auch in der Vergangenheit verstanden hat, vermeintlich technisch geprägten und vielerorts eher nüchtern geformten Bauwerken eine ganz besondere Gestalt und architektonische Qualität zu verleihen“, begründet Claus Wolf, Präsident des Landesamts für Denkmalpflege, die Einstufung.

„Bestandteil des Mannheimer Selbstverständnisses“: der Fernmeldeturm, nun als Kulturdenkmal eingestuft. © Markus Proßwitz

Zustandegekommen ist sie, weil die Behörde nun auch junge Kulturdenkmale aus den 1960er, 1970er und 1980er-Jahren erfasst. Zusätzlicher Anstöße für die Überprüfung von jungen Bauwerken in Mannheim habe die Ausstellung „Schützen, was wir lieben? Was Mannheim über Denkmal denkt“ 2024 im Marchivum gegeben, die Studenten der Hochschule anlässlich der bundesweiten Denkmalpflegetagung erarbeitet hatten.

Fernmeldeturm „verkörpert Aufbruchstimmung“

Der „partizipatorische Blick von außen“ sei „von wachsender Bedeutung“, so die Behörde - sprich: Sie greift zunehmend Anregungen auf, was unter Denkmalschutz zu stellen ist. „Grundlegend“ blieben aber die Gutachten, heißt es. „Bei der Beurteilung, ob etwas Denkmal ist oder nicht, spielen weder persönliche Meinungen noch individuelle Geschmacksfragen eine Rolle. Es ist der historische Wert als Baudokument für eine Epoche, eine Stilrichtung, die Entwicklung einer Bauaufgabe und der Bautechnik oder für gesellschaftliche Entwicklungen“, erklärt Landeskonservator Martin Hahn.

Der Fernmeldeturm wurde entworfen von Erwin Heinle und Fritz Leonhardt, die bereits für den Stuttgarter Fernsehturm verantwortlich zeichneten, und 1973 bis 1975 gebaut. Er „verkörperte wie kein zweites Bauwerk in Mannheim die Aufbruchsstimmung der Nachkriegsjahrzehnte und den unbedingten Willen zur Modernität“, so das Landesdenkmalamt. Gleichzeitig stehe der begehbare Turm für die Demokratisierung des Luftraums über der Stadt, der der Öffentlichkeit eine neue Perspektive auf Stadt und Region ermöglichte“. Die Perspektive aus der Höhe sei „für viele revolutionär“ gewesen: „Den Mannheimern eröffnete sich eine völlig neue Wahrnehmungsmöglichkeit der eigenen Stadt“. Der Turm sei „Bestandteil des Mannheimer Selbstverständnisses“, ein „zentrales Identifikationssymbol der Stadt am Neckar“ und - vom Wasserturm abgesehen - „das bekannteste Erkennungsmerkmal Mannheims und integraler Teil der Stadtbaugeschichte“, so das Amt.

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Aber auch konstruktionstechnisch und gestalterisch weise der Turm Innovationen auf, „die nachhaltigen Einfluss auf Folgebauten der Gattung ausübten“. Ferner bescheinigen die Denkmalschützer dem Turm „eine gelungene Synthese von Funktionsgerechtigkeit und baukünstlerischem Formstreben“. Für die Behörde belegen die „hohe Originalität und Integrität“ den „dokumentarischen und exemplarischen Wert“ des Turms. Aber auch das Eingangsbauwerk steht nun unter Denkmalschutz: „Es wirkt in seiner metallischen silbrig-matten Materialität wie ein Ufo oder wie ein keck in die Stirn gezogener Sombrero“, lautet die Begründung dafür.

Parkhaus mit „ästhetisch überzeugenden Gestaltung“

„Originalität und Integrität“ sowie „Seltenheitscharakter“ - das bescheinigen die Denkmalschützer ebenso dem 505 Stellplätze bietenden Parkhaus in N 2, nach den Plänen von Emil und Peter Serini 1964 bis 1967 realisiert. Seit dem Abbruch des Parkhauses R 5 sei es der einzige Hochgaragenbau in der Innenstadt, der die verkehrspolitischen Strategien der Nachkriegszeit „in qualitätvoller Weise bezeugt“. Mit dem Bau habe man das Ziel der verkehrsgerechten Stadt verfolgt, „ohne jedoch der architektonischen Anspruchslosigkeit der meisten seiner Zeitgenossen zu verfallen“.

Die Denkmalschützer loben aber auch die Gestaltung. Denn als es gebaut wurde, war es eines der fortschrittlichsten Parkhäuser - durch seine Einbahnstraßen und die Decken, die eine schiefe Ebene mit einem Gefälle von vier Prozent bilden. Bei N 2 handele es sich „um die erstaunlich konsequente Umsetzung funktionaler Anforderungen in eine ästhetisch überzeugende Gestaltung, die für die Konzepte der Baugattung Parkhaus und die zeitgenössische Architekturentwicklung des Brutalismus maßstabsetzend war“. Zudem gelte N 2 „als eine der wenigen nachkriegszeitlichen Rampengeschossgaragen von architektonischer Gestaltungsqualität“, die „in ihrer Bauepoche in Deutschland alleinsteht“, so die Experten.

OB Specht: „Herausforderung in Zeiten knapper Haushalte“

Besonders heben sie die markante Zick-Zack-Fassade („eine höchst individuelle Gestalt“) hervor, die für gute Lüftung und Helligkeit sowie „eine blendungsfreie Befahrung“ sorge. Die Schrägparkplätze seien platzsparend und die „komfortable Stützenfreiheit in allen Geschossen, ein in der Baugattung äußerst selten erreichter Vorzug“, so das Amt.

Beim Jüdischen Gemeindezentrum war ein Bauantrag für Sicherheitseinrichtungen der Grund, dass sich auch das Denkmalamt näher mit dem Bau befasste. Das 1987 fertiggestellte, von Karl Schmucker geplante Gebäude wird als „frühester, stadträumlich prominenter Synagogenneubau“ bezeichnet. Er stelle „ein selbstbewusstes Bekenntnis der Jüdischen Gemeinde zu ihrer Herkunft und erneuten Gegenwart in Deutschland dar“. Besonders sei die „raumgreifende, städtebaulich zentrale Platzierung“, der die Jüdische Gemeinde nach den nationalsozialistischen Verbrechen mitten in der multikulturellen Stadt nachhaltig verwurzele. Zudem leiste Schmucker „eine gelungene Verknüpfung rituell-liturgischer Bedingungen mit zeitgenössischer Kunst- und Architektur“. Veröffentlicht hat das Amt die Einstufung des Gemeindezentrums aber jetzt nicht.

„Stadträumlich prominent“: das Jüdische Gemeindezentrum. © Ruffler

Noch nicht endgültig entschieden ist über den Status der Yavuz-Sultan-Selim-Moschee im Jungbusch. 1995 eröffnet, war sie bis 2008 die größte Moschee Deutschlands. Da werde „die Denkmalwürdigkeit geprüft“, so das Denkmalamt.

Oberbürgermeister Christian Specht hat den Gemeinderat am Freitagmittag über die neuesten Entscheidungen der Denkmalschützer informiert. „Eine qualitätvolle Architektur prägt das Gesicht einer Stadt und schafft Identitätsorte für Bürgerinnen und Bürger“, hobt er einerseits hervor. „Die Zunahme von Baudenkmalen jüngerer Baujahre stellt unsere Stadt aber auch vor neue Herausforderungen - gerade in Zeiten knapper Haushalte“, erklärte Specht wohl auch mit Blick auf das Stadthaus N 1, die Multihalle und das Nationaltheater. „Daher müssen wir gemeinsam und pragmatisch Lösungen dafür finden, dass die geschützten Gebäude auch in Zukunft einen Beitrag für das Leben in unserer Stadt leisten können.“

Redaktion Chefreporter

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