Mannheim. Der Streit um die Deutung des Gutachtens zur CDU-Kreisgeschäftsstelle hat am Wochenende einen neuen Höhepunkt erreicht. Parteimitglied Rolf Schmidt, früher Erster Bürgermeister in Mannheim, zitierte am Sonntag Teilnehmer der Kreisvorstandssitzung am 5. Oktober. Diese hatten eine Stunde lang Einblick in den Bericht der Wirtschafts- und Steuerprüfungsgesellschaft Mauer. Demnach enthielten die 20 vorgelegten Seiten 28 Mängelrügen, von denen 15 besonders schwerwiegend seien. „Alle Rügen weisen auf Rechtsverstöße und mögliche Straftaten hin“, so Schmidt auf Anfrage des „Mannheimer Morgen“.
Bereits am Samstag hatte Altstadtrat Konrad Schlichter gegenüber dieser Redaktion von einer Lüge des Kreisvorstands gesprochen. Dieser hatte in Person der kommissarischen Vorsitzenden am 6. Oktober bei einer Veranstaltung vor Parteimitgliedern und Journalisten in Feudenheim gesagt, dass sich aus dem Gutachten keine Straftaten oder Verstöße gegen das Parteienrecht ergeben. „Diese Aussagen haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun“, betonte Schlichter. Da stehe Licht gegen Finsternis.
Funck weist Vorwurf zurück
Der Kreisvorstand dagegen stand am Samstag nach wie vor zu der in Abstimmung mit dem Landesverband kommunizierten Bewertung des Gutachtens. Das teilten Katharina Funck sowie Christian Hötting und Christian Stalf aus dem Kreisvorstand auf Anfrage dieser Redaktion mit. „Die Einschätzung von Herrn Schlichter verwundert uns sehr, unterstellt er doch damit dem Landesverband, straf- und parteienrechtliche Vorgänge in Mannheim zu decken“, so die drei weiter. Daran könne der Landesverband kein Interesse haben. „Es liegt nahe, dass Herr Schlichter mit seiner aus unserer Sicht falschen Bewertung eigene Interessen verfolgt, insbesondere mit Hinblick auf den anstehenden Kreisparteitag und seine schon vor Vorlage des Gutachtens geforderte Verschiebung des Parteitags.“
Funck, Hötting und Stalf verweisen zudem darauf, dass das Gutachten Eigentum des Landesverbands ist und sie eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet haben. „Daran fühlen wir uns gebunden.“ Und: „Den Vorwurf der Lüge verbitten wir uns.“
Schlichter sowie seine Parteifreunde Ingeborg Dörr und Heinrich Braun hatten sich am Freitag in Stuttgart das (stark geschwärzte) Gutachten zeigen lassen. Es habe aus 18 Seiten bestanden. Bei der Kreisvorstandssitzung am 5. Oktober seien 20 Seiten vorgelegt worden. Von 20 Seiten sprachen auch Funck und der stellvertretende Landesgeschäftsführer Roger Schenk einen Tag später vor Pressevertretern.
Bei seinen Ausführungen über den Prüfbericht gegenüber dem „MM“ konnte Schlichter nicht ins Detail gehen. Bei den Terminen zur Einsichtnahme des Gutachtens vergangene Woche in Stuttgart und am Montag, 18. Oktober, in Mannheim mussten und müssen Parteimitglieder, so wie die Mitglieder des CDU-Kreisvorstands am 5. Oktober, eine Verschwiegenheitsverpflichtung unterzeichnen. Sie dürfen demnach bei der Durchsicht der Seiten keine Notizen oder Fotos machen, sie dürfen weder Inhalte aus dem Gutachten mitteilen noch das Gelesene mit anderen Parteimitgliedern diskutieren. Bei Verstoß drohen Strafen.
Rechtsanwalt Sven-Joachim Otto (Düsseldorf), früher Fraktionsvorsitzender der CDU-Gemeinderatsfraktion in Mannheim, relativierte am Wochenende die Verschwiegenheitsverpflichtung. Auf Bitte von Kritikern des aktuellen Kreisvorstands hatte Otto die Vorgabe des CDU-Landesverbands geprüft.
Stalf verweist auf Landes-CDU
Sein Ergebnis: „Für das Verlangen des CDU Landesverbands Baden-Württemberg, eine Vertraulichkeitsvereinbarung zu unterzeichnen, sehe ich keine rechtliche Grundlage.“ Weder gebe die Satzung der CDU Baden-Württemberg hierzu etwas her noch der von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft untersuchte Sachverhalt. „Im Gegenteil. Es geht bei der von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mauer untersuchten Frage um die Vermögensinteressen des CDU-Kreisverbands Mannheim. Diese müssen gewahrt werden, und Personen, die gegebenenfalls Straftaten verübt haben, müssen einer gerechten Strafe zugeführt werden.“ Das Verlangen einer Verschwiegenheitsvereinbarung stehe dem im Wege. Otto sieht die Vereinbarung in Ermangelung einer Rechtsgrundlage für den Abschluss einer solchen Vereinbarung als rechtswidrig und unwirksam an. Auf die Mitglieder, die das Gutachten gelesen haben, sei ein rechtlich unzulässiger Druck zur Unterzeichnung ausgeübt worden.
Nach den neuen Vorwürfen von Rolf Schmidt in Richtung Kreisvorstand bat der „Mannheimer Morgen“ am Sonntag Katharina Funck, Christian Hötting und Christian Stalf um die Beantwortung mehrerer Fragen dazu, unter anderem zu den unterschiedlichen Längen des Gutachtens. Letzterer antwortete mit dem Verweis auf die unterschriebene Verschwiegenheitsverpflichtung. „Wegen der konkreten Durchführung der Einsichtnahme in Stuttgart darf ich Sie freundlich auf die dafür zuständige Landesgeschäftsstelle verweisen“, so CDU-Vorstandsmitglied Christian Stalf.
Gutachten in Mannheim einsehbar
Das dürfte schwierig werden. Der „Mannheimer Morgen“ hatte in der vergangenen Woche drei Mails an Susanne Stehle, Pressesprecherin der CDU Baden-Württemberg, beziehungsweise an die allgemeine Presse-Mailadresse geschickt. Die Frage darin lautete, wie viele Parteimitglieder aus Mannheim sich für die zwei Termine zur Einsichtnahme des Gutachtens in Stuttgart angemeldet haben. Beantwortet wurde keine der drei Anfragen. Auch die Frage, warum die CDU Baden-Württemberg keine Anfragen des „MM“ beantworte, blieb ohne Reaktion. Zuvor hatte schon Roger Schenk, der stellvertretenden Landesgeschäftsführer der CDU Baden-Württemberg, zwei Mails mit mehreren Fragen dieser Redaktion ignoriert.
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