Mannheim. Konrad Schlichter ist einer von rund einem Dutzend Mannheimer CDU-Mitgliedern, die sich das Gutachten zur Kreisgeschäftsstelle angeschaut haben. Am Donnerstag rang sich Schlichter durch, dem „Mannheimer Morgen“ das von ihm angefertigte Gedächtnisprotokoll zur Verfügung zu stellen: fünf Seiten, die er nach dem Begutachten des „mit umfangreichen Schwärzungen“ versehenen Prüfberichts anfertigte.
Schlichter fasst seine Eindrücke so zusammen: Bei allen Feststellungen der Gutachter wurde auf mögliche Verstöße hinsichtlich des Parteiengesetzes, des Abgeordnetengesetzes, des Bürgerlichen Gesetzbuches sowie des Handelsgesetzbuches, auf buchhalterische Mängel und mögliche strafrechtliche Relevanz hingewiesen. Eine Kernthese der Gutachter habe geheißen, dass alle wesentlichen Finanzvorgänge ohne den notwendigen Beschluss des Vorstands, das heißt, ohne Rechtskraft, erfolgt sind. Ein weiteres Parteimitglied, das das Gutachten ebenfalls durchsah, vertritt alle Positionen Schlichters, wie es dem „MM“ am Donnerstag mitteilte – „zu allen Einzelheiten“. Auf Anfrage äußerte sich der CDU-Kreisvorstand am Donnerstag mit Hinweis auf die unterzeichnete Verschwiegenheitsverpflichtung nicht zu den Ausführungen der Parteimitglieder.
Laut Schlichter weisen die Prüfer im Gutachten darauf hin, keine strafrechtliche Bewertung vorgenommen zu haben. Dies sei Aufgabe des Kreisvorstands. Die Conclusio der Kreisvorsitzenden Katharina Funck am 6. Oktober vor Journalisten und Parteimitgliedern hatte so geheißen: „Aus dem Abschlussbericht ergeben sich nach Auffassung des Kreisvorstandes weder strafbare Handlungen noch Verstöße gegen das Parteiengesetz.“ Anwesend war niemand der Prüffirma Mauer aus Reutlingen. Für Schlichter ein Hinweis, dass die Bewertung des Kreisvorstands von der Gutachtergesellschaft nicht mitgetragen wurde. „Dieses Generaltestat für die CDU hätte angesichts der Aussagen im Prüfbericht den Ruf der Firma beschädigt“, so der Altstadtrat in seinem Protokoll.
Namen geschwärzt
Schlichter erinnert sich weiter, dass die Grundlage des Gutachtens die Befragung von sechs Personen gewesen sei. Die Namen dieser „Auskunftspersonen“ waren geschwärzt. Es sei davon auszugehen, dass sie Mitarbeiter der Geschäftsstelle beziehungsweise des Kreisvorstands sind oder waren. Es liege der Verdacht nahe, dass sie als von Nikolas Löbel abhängige Mitarbeiter und als dessen „geistige Mitstreiter“ befragt worden seien. In diesem Zusammenhang bewertet Schlichter die 28 Rügen als erstaunlich viele. Das spreche für sich, „denn der Gutachter konnte ja davon ausgehen, dass keine Auskunftsperson sich selbst beschuldigen würde“.
Das 18-seitige Gutachten (der Kreisvorstand bekam 20 zu sehen) habe kaum Zahlen enthalten. Eine Finanzdarstellung zur Bewertung der Situation der CDU Mannheim sei nicht dabei gewesen. Bei den Finanztransaktionen wird laut Schlichter mehrfach das Fehlen des Vieraugenprinzips angemahnt.
Zudem habe Löbel spätestens seit Herbst 2020 Einzelvollmacht und Einzelverfügungsberechtigung über die Bankkonten gehabt – und dies noch bis 31. Juli 2021, obwohl er im März 2021 aus der CDU ausgetreten war. Dann gebe es keine Betriebskostenabrechnungen für die einzelnen Räume. In der Kreisgeschäftsstelle hatten Löbels Wahlkreisbüro, seine Projektmanagement GmbH und die JU Untermietverträge.
Schlichters Fazit: Nach seiner Inaugenscheinnahme des Gutachtens und dessen Bewertung nach betriebswirtschaftlichen, buchhalterischen, steuerrechtlichen und strafrechtlichen Dimensionen sei für ihn klar, dass der Landesverband in Übereinstimmung mit dem Restvorstand der CDU Mannheim die Drohkulisse mit der Verschwiegenheitsverpflichtung gemeinsam aufgebaut habe, um die menschlichen und parteipolitischen Verstrickungen des Vorstands der CDU Mannheim und Löbels Handlungen nicht offenbar werden zu lassen – „von den moralischen, ethischen Dimensionen einer C-Partei gar nicht zu reden.“
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