Mannheim. Heiße Samba-Rhythmen, schöne Tänzerinnen und Tänzer in knappen Outfits, die gekonnt ihre Hüften schwingen. Karneval in Rio de Janeiro. Wer an Brasilien denkt, sitzt häufig den gängigen Klischees auf, denkt aber sicherlich nicht zuerst an Kraut, Bier und Lederhosen. Dabei ist das Land ethnisch und kulturell aufgrund mehrerer Einwanderungswellen im 19. und 20. Jahrhundert sehr vielfältig. Gerade im Süden ist das südamerikanische Land von deutscher Einwanderung geprägt. Heute haben zehn Prozent aller Brasilianer deutsche Wurzeln. So wie Vanessa Wazlawick Gomes.
Deutsche Sprache und Traditionen mitten in Lateinamerika
Die 30-Jährige stammt aus dem Dorf Arabutã im Bundesstaat Santa Catarina. Die Hauptstadt ist Blumenau und eine Kleinstadt heißt Pommerode oder auch „Nossa Pequena Alemanha“ (unser kleines Deutschland). „Meine Vorfahren stammen aus Deutschland. Ich bin schon die fünfte oder sechste Generation, die in Brasilien geboren wurde“, sagt Wazlawick Gomes. Deutsch konnte sie schon, bevor sie hierher kam, denn „in der Grundschule in meinem Dorf wird nur Deutsch als Fremdsprache angeboten. Danach kann man zwischen Englisch und Deutsch wählen. Ich blieb dann beim Deutsch“. In Brasilien habe sie neben dem Studium in einer deutschen Firma gearbeitet.
Mittlerweile hat Wazlawick Gomes erfolgreich ihre C1-Sprachprüfung in Deutschland abgelegt. Dieses Niveau ermöglicht es ihr, in Deutschland zu studieren. C1 ist fast das höchste Niveau, es bescheinigt muttersprachliche Kenntnisse. So spricht die gebürtige Brasilianerin auch. Akzentfrei, fast fehlerfrei und sehr schnell erzählt sie über ihr Heimatland und ihre Geschichte.
Aber nicht nur die Sprache verweist in Santa Catarina auf die deutsche Einwanderungsgeschichte. Auch deutsche Traditionen werden in dem südlichen Bundesstaat vielerorts zelebriert. „In Blumenau wird jedes Jahr ein Oktoberfest gefeiert, bei dem Menschen Lederhosen und Dirndl tragen“, sagt Wazlawick Gomes. Und die Architektur wirkt dort an einigen Stellen mit Fachwerkhäusern und Bauernhöfen aus Backsteinen wie direkt aus einem vergangenen Deutschland importiert. Denn alles sei noch wie damals in Deutschland auf dem Land, wie Walzlawick Gomes beschreibt.
Auch deutsche Speisen sind in ihrer Heimat allgegenwärtig. So könne man Kuchen kaufen und ihre Eltern bereiten noch selbst Stollen oder Butterzopf im Steinofen zu. Würste und Kraut stehen dort ebenfalls auf der Speisekarte. In ihrem Heimatort habe es sogar eine Gruppe für Kinder gegeben, in der deutsche Tänze gelehrt wurden. Bemerkenswert ist, dass es diese deutsch geprägten Landesteile aufgrund der Einwanderung in vielen südamerikanischen Ländern gibt, wie beispielsweise im Süden von Chile.
Wegen der Liebe von Brasilien nach Deutschland
Wazlawick Gomes hat in Brasilien Psychologie studiert. Nach Deutschland gekommen sei sie wegen ihres Ehemanns. Auch dieser habe deutsche Wurzeln, sei aber in Brasilien geboren. „Seine Großmutter kommt aus Deutschland, seine Mutter wurde zwar schon in Brasilien geboren, zog aber mit ihm nach Deutschland als er noch ein Kind war“, berichtet sie. Kennengelernt habe sie ihn über Freunde als sie 2017 in Deutschland war. Danach sei man über Soziale Netzwerke in Kontakt geblieben und 2019 sei er schließlich zu Besuch nach Brasilien gekommen. 2020 sei sie dann nach Deutschland gezogen, zunächst nach Donaueschingen, im vergangenen September nach Mannheim. Weil die beiden geheiratet haben, habe es mit dem Visum keine Probleme gegeben.
Im Moment arbeitet Wazlawick Gomes in der Neckarstadt im ikubiz (interkulturelles Bildungszentrum Mannheim) im Projekt „Komm raus“ mit Kindern von 6 bis 14 Jahren. Weil sie Psychologie studiert hat, kann sie pädagogisch arbeiten. Das Projekt richtet sich an Kinder aus den Stadtteilen Neckarstadt-West und Jungbusch und sensibilisiert für die Themen Ökologie, Nachhaltigkeit und ein gesundes Leben.
Obwohl Wazlawick Gomes deutsche Wurzeln hat, ist sie in der brasilianischen Gesellschaft sozialisiert. Deswegen bemerkt sie kulturelle Unterschiede. „Ich finde es schwierig, in Deutschland im Erwachsenenalter Freunde zu finden. In Brasilien sind die Menschen offener und herzlicher“, sagt sie. In Brasilien sei sie umgezogen und habe keine Probleme gehabt. „Man wird immer gleich eingeladen und die Menschen treffen sich in großen Gruppen.“Außerdem wundere man sich hier, dass sie vielleicht noch einen Master machen möchte. In Brasilien sei das mit 30 normal, denn private Hochschulen sind sehr teuer und für die staatlichen sind die Wartezeiten häufig sehr lang. Gut gefalle ihr die Nähe zu anderen Ländern und das gut ausgebaute öffentliche Verkehrsnetz.
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