Mannheim. Viele Nationalitäten treffen in Mannheim aufeinander. Traditionell leben viele Menschen mit Migrationshintergrund in der Quadratestadt und auch die letzten Jahre sind neue Menschen aus verschiedenen Ländern hinzugekommen. Ob sie ankommen in Deutschland, einem für sie zunächst fremden Land, ist von vielen Faktoren abhängig. Wir haben exemplarisch mit zwei Frauen gesprochen, die vor schwierigen Situationen in ihren Heimatländern geflohen sind. Die Erfahrungen der beiden sind grundverschieden.
Ich bin Akademikerin, ich habe etwas gelernt. Auch wenn ich nicht als Juristin hier arbeiten kann, kann ich etwas anderes machen
Verzhine Metsikyan strahlt über das ganze Gesicht: „Ich würde nicht sagen, dass es schwierig war, sich hier zu integrieren.“ Mit ihrem Mann sei sie 2016 aus Armenien nach Deutschland gekommen. „Es waren politisch schwierige Zeiten dort“, erzählt sie in gutem Deutsch mit nur leichtem Akzent. „Ich hatte viel Glück hier“, freut sich Metsikyan. Ihr Mann, der eigentlich Ingenieur sei, habe gleich eine Stelle als Elektrohelfer bei einer Firma gefunden, in der Russisch gesprochen wurde. „So konnte er zunächst ohne Deutschkenntnisse arbeiten. Deswegen konnte ich Deutsch lernen.“ Das sei zwar am Anfang schon schwierig gewesen, aber je länger sie lernte, desto besser konnte sie sich verständigen. Nach ihren Angaben sei ihr Antrag auf politisches Asyl abgelehnt worden, aber aufgrund von guter Integration habe eine Härtefallkommission ihnen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt.
Von Anfang an in Deutschland wohlgefühlt
Zunächst habe sie einen Deutschkurs in Ludwigshafen besucht, mit dem sie nach erfolgreichem Abschluss mittleres Deutschniveau nachweisen konnte. Um ihr Deutsch noch weiter zu verbessern, habe sie einen weiterführenden Kurs an der Abendakademie in Mannheim besucht. Danach einen Brückenkurs für Akademiker. Dort werden Akademiker aus dem Ausland auch beraten, wie sie ihre Zukunft in Deutschland gestalten können. „Das war ein echter Glücksfall“, erzählt die Armenierin mit dem freundlichen Gesicht und den braunen Locken begeistert.
In ihrer Heimat habe sie Jura studiert und als Juristin gearbeitet. „In Deutschland konnte ich nicht als Juristin arbeiten, aber das ist nicht schlimm.“ Der Kurs habe ihr Selbstbewusstsein gegeben: „Ich bin Akademikerin, ich habe etwas gelernt. Auch wenn ich nicht als Juristin hier arbeiten kann, kann ich etwas anderes machen.“ Sie habe zunächst vier Jahre als Zusatzkraft im Kindergarten gearbeitet. Dank des Brückenkurses in Mannheim habe sie ihre jetzige Stelle gefunden.
Seit zwei Monaten arbeitet Metsikyan als Rezeptionisten an der Abendakademie und ist damit sehr zufrieden: „Es ist einfach toll hier, es ist wie in einer großen Familie. Ich fühle mich, als wäre ich schon ewig hier, weil mir alles bekannt ist.“ Wenn sie unten an der Rezeption arbeite, sei sie die erste Ansprechpartnerin für Menschen, die in die Abendakademie kommen. „Ich helfe ihnen sehr gerne weiter. Ich kenne ja die Situation, in der sie sich befinden.“ Auch ihr Mann sei mittlerweile im Deutschkurs im höchstmöglichen Niveau. Davor habe er eine Umschulung als Softwareentwickler absolviert. Aber nicht nur beruflich laufe es gut. „Ich habe auch viele Freunde gefunden und unsere Nachbarn sind auch super nett.“
Aber nicht alle Migrationsgeschichten sind so reibungslos gelaufen. So wie Asmaas Geschichte. Asmaa floh vor dem Krieg in ihrer Heimat Syrien nach Deutschland. Asmaa hält inne, ihre Stimme wird brüchig, sie kann nicht weiter sprechen. Zu präsent sind ihre Erlebnisse vom Beginn des Bürgerkriegs in Syrien im Jahr 2011. In ihrer Heimatstadt Damaskus habe sie verletzte Oppositionelle in einer improvisierten Krankenstation versorgt. Ihren Bruder habe das Regime unter Baschar al-Assad verhaftet. „Er wurde zwei Jahre im Gefängnis festgehalten, sie haben ihn gefoltert.“ Asmaas Deutsch ist nahezu perfekt. Kein Akzent hörbar, ab und zu sucht sie einen kurzen Moment nach dem passenden Wort. Sie möchte nur ihren Vornamen nennen, da sie Nachteile aufgrund des Berichts fürchtet.
Aber nicht alle Migrationsgeschichten sind so reibungslos gelaufen. So wie Asmaas Geschichte
„Gemeinsam mit Mutter und Schwester sind wir in den Libanon geflüchtet. Schließlich konnten wir 2014 nach Deutschland kommen.“ Zu diesem Zeitpunkt sei sie, nach einer kurzen Ehe, schwanger gewesen. Die ersten Jahre habe sie sich um ihren Sohn gekümmert und Deutsch bis zum Niveau C 1 gelernt. „Ich habe dann 2019 angefangen, Soziale Arbeit zu studieren. Aber ich hatte viele Probleme, eine Wohnung zu finden und bin viel gependelt zwischen Annweiler am Trifels und Mannheim.“ Der ganze Stress sei Asmaa schließlich zu viel geworden, sodass sie ihr Studium aufgegeben habe. Sie habe dann nach langer Zeit eine Wohnung in Mannheim gefunden. Anfang 2020 habe sie einen Ausbildungsplatz zur Erzieherin bekommen.
Ausbildung wegen schwieriger Umstände zweimal abgebrochen
Doch dann folgte ein Schicksalsschlag: „Meine Mutter hat Krebs bekommen“, erzählt Asmaa. Und das zu Beginn des Lockdowns: „Das war eine brutale Zeit, meine Mutter war allein im Krankenhaus. Ich war hier alleine mit meinem Kind, meine Familie in Landau und Annweiler.“ Die Ausbildung hätte im September angefangen, aber Asmaa sei nicht in der Lage gewesen, sie anzutreten. „Und dann habe ich meine Bewerbung zurückgezogen.“
Danach habe sie zahlreiche Bewerbungen geschrieben, aber keine Antwort erhalten. Verschiedene Workshops hätten ihr den Glauben an sich selbst und daran, dass sie in dieser Gesellschaft einen Platz finden kann, wieder zurückgegeben. „Die Ausbildung als Erzieherin war immer noch mein Ziel. Im April 2022 wäre ein Vorbereitungskurs losgegangen, in dem man Fachbegriffe für den Beruf lernt“, berichtet Asmaa. Dort sei sie aber ab Mai nicht mehr hingegangen: „Meine Mutter ist am 1. Mai verstorben. Ich dachte, es sei selbstverständlich, dass es einen tief erschüttert, wenn man seine Mutter verliert.“ Aber das sei nicht so gewesen. Das Jobcenter habe wenig Verständnis für ihre Situation gehabt.
Diskriminierung aufgrund von Herkunft?
Die Ausbildung habe sie dennoch begonnen, hatte aber das Gefühl, sie würde anders behandelt: „Ich war die einzige mit Migrationshintergrund in der Klasse“, sagt Asmaa. Dann sei ihr Sohn sehr krank geworden, sodass sie mehrere Wochen zu Hause geblieben sei. Nach einem Streit mit der Klassenlehrerin sei sie „auch psychisch nicht mehr in der Lage gewesen dort hinzugehen“. Zu den Prüfungen sei sie zwar noch gegangen, trotzdem musste sie die Schule dann wegen zu vieler Fehlzeiten verlassen.
In einem türkischen Restaurant habe sie schließlich einen Job als Kellnerin gefunden, aber nach zwei Monaten habe man ihr gekündigt, weil der Koch sie nicht gemocht habe. Zudem habe ihr Sohn Probleme mit Diskriminierung gehabt und dann die Grundschule gewechselt. Eine Stellungnahme der Schulen von Asmaa und ihrem Sohn einzuholen ist nicht möglich, da Asmaa nicht möchte, dass die Schulen kontaktiert werden. Alle Aussagen von Asmaa sind subjektiv, da sie anonym bleiben möchte, lässt sich nicht überprüfen, ob sie unfair behandelt wurde, die Umstände zu diesen Entwicklungen geführt haben oder ihre Abbrüche auch selbstverschuldet waren.
Jetzt habe sie ihre beruflichen Pläne erstmal zurückgestellt: „Ich möchte jetzt erstmal für meinen Sohn da sein. Es ist erstmal meine Priorität, dass er gut ankommt“, sagt Asmaa. Deshalb lebe sie zurzeit von staatlichen Leistungen. Wenn ihr Sohn gut angekommen ist, möchte sie wieder englische Literatur studieren, wie vor Beginn des Bürgerkriegs. „Noch drei Semester haben mir bis zum Abschluss gefehlt“, bedauert sie. Sie möchte, dass ihr Traum noch wahr wird und am liebsten als Dozentin an der Universität arbeiten.
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