Migrationsstadt

Von Moldawien nach Mannheim: Wie eine Familie ein Leben ohne Korruption sucht und findet

Diana Ailoai kommt 2015 aus Moldawien nach Mannheim. Welche Rolle die Korruption in ihrem Heimatland bei dieser Entscheidung spielte und warum ihr Mann zunächst im Lkw schlafen musste

Von 
Eva Baumgartner
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Diana Ailoai ergatterte erst nach sechs Monaten einen Platz im Deutschkurs. © Eva Baumgartner

Mannheim. Diana Ailoai kommt Ende August 2015 mit ihrer zweijährigen Tochter aus Moldawien nach Deutschland: „Mein Mann kam schon ein Jahr früher, er arbeitet als Lkw-Fahrer und hat fast ein Jahr im Laster geschlafen, am Wochenende in einem Container“, erinnert sie sich. Im Mannheimer Stadtteil Vogelstang findet er schließlich eine Bleibe - und holt Frau und Kinder nach. Mit einem Gehalt ist es für das Paar jedoch schwer, das Leben der Familie zu finanzieren: „Wir sind ja nach Deutschland gekommen, um eine bessere Zukunft für unsere Tochter zu haben“, sagt Diana Ailoai.

Die 37-Jährige hat in Moldawien studiert, ist Lehrerin für Englisch und Französisch. Ihr Mann ist Bauingenieur, beide arbeiten in der Hauptstadt Chisinau: „Die Preise dort sind fast so hoch wie in Deutschland, das Gehalt aber viel niedriger. Unsere Eltern wohnen in einem Dorf, sie haben uns ab und zu mit Lebensmitteln geholfen.“ In Deutschland schätzt Familie Ailoai, dass alle krankenversichert sind: „Das geht in Moldawien auch noch vom Gehalt ab, auch Medikamente sind sehr teuer“, berichtet Diana Ailoai. Das System in Moldawien sei zudem stark von Korruption belastet: „Unsere Tochter brauchte mal eine Überweisung, doch der Kinderarzt wollte sie uns nicht geben ohne Geld. Oder als Studentin, da habe ich immer viel gelernt, aber ohne Geld konnte man in manchen Fächern keine Prüfungen bestehen.“ Muss eine Schule renoviert werden, müssten das auch die Eltern zahlen, ebenso, wenn in der Kita beispielsweise ein Teppich, Seife oder Geschirr angeschafft werden müssen. In diesem System sieht die junge Familie deshalb keine Zukunft mehr.

Als Diana Ailoai ein Jahr nach ihrem Mann nach Mannheim kommt, ist der Alltag für sie dennoch nicht einfach: „Es ist ein anderes Land, eine andere Sprache, aber mit Englisch bin ich gut klargekommen.“ Die meisten Menschen seien nett, auch wenn manche ausgenutzt hätten, am längeren Hebel zu sitzen: „Auf manchen Ämtern haben Mitarbeiter auf Deutsch geantwortet, wenn ich Englisch gesprochen habe.“ Erst nach sechs Monaten findet sie einen Platz für einen Deutschkurs: „Vorher habe ich allein mit einem Buch gelernt und auf unsere Tochter aufgepasst, die ja noch keinen Kindergartenplatz hatte“, sagt sie. Obwohl sie sehr begabt ist, fünf Sprachen spricht, ist Deutsch eine Herausforderung. „Es ist wirklich eine schwere Sprache, ich habe mir Sorgen gemacht, dass ich meiner Tochter alles falsch beibringe. Doch von den Lehrern hat es viel Unterstützung gegeben, im Diktat hatte sie sogar keinen Fehler.“

Kurse selbst bezahlen

In der Migrationsstadt Mannheim stellt Diana Ailoai schnell fest, dass hier „nicht alle gleich behandelt werden“. Für manche gebe es Unterstützung von der Stadt, für andere nicht, manche hätten seit Jahren keine Arbeit. Auch die Kosten für Integrationskurse seien schwer zu stemmen: „Mein Mann hat am Anfang 1800 Euro verdient - und wir waren zu dritt“, sagt sie. Ein Integrationskurs koste aber über 1603 Euro: „Und Menschen aus Moldawien müssen diese Kurse selbst bezahlen.“

Über die Abendakademie findet sie schließlich einen Job und kümmert sich als Teilzeitkraft um das kommunale Förderprogramm MAUS - Mannheimer Unterstützungssystem Schule, das Zusatzangebote an Mannheimer allgemeinbildenden Schulen ermöglicht, und das Projekt „Lernen mit Rückenwind“, das Defizite aufholen will, die während der Corona-Pandemie entstanden sind.

Einstieg erleichtern

Durch die Brückenkurse an der Abendakademie werde Menschen wie ihr der Einstieg ins Berufsleben erleichtert: „Dafür sind Brückenkurse ja da, dass man schaut, was passt.“ Und für Ailoai hat sich sogar eine Tätigkeit gefunden, die zum Thema Schulen passt. „Mein Traum ist in Erfüllung gegangen.“ Weil an den Mannheimer Grundschulen viele ukrainische Kinder sind, kann Ailoai gut mit ihnen arbeiten, denn sie spricht auch fließend russisch: „Diese Arbeit ist großartig, aber auch nicht einfach. Anfangs wollten alle ukrainischen Kinder zurück, jetzt sind sie mehr motiviert, zu lernen.“

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Die Deutschen bezeichnet Ailoai als höfliche Menschen: „Auch die Sauberkeit hier gefällt mir gut.“ Auf der Vogelstang wohnt sie in einem Hochhaus, in dem viele Menschen leben. Trotzdem vermisst sie ihre Eltern, ihre Familie. Ihre Mutter war zweimal zu Besuch in Deutschland: „Sie hat gesagt, dass das Leben hier wirklich besser ist, wir würden sie gerne in unserer Nähe haben. So viele Menschen gehen aus Moldawien weg, lassen ihre Kinder sogar dort bei den Großeltern zurück.“

Für ihren Mann ist der Job als Lkw-Fahrer zunehmend schwerer, ihn zieht es deshalb zwischenzeitlich schon wieder nach Hause. Dann startet er eine Weiterbildung, findet jedoch auch damit keine neue Stelle: „Er ist Bauingenieur und will auch als solcher arbeiten, überall hat er sich als Anfänger beworben, sogar als Polierer, aber er bekommt nur Angebote als Lkw-Fahrer“, sagt Ailoai. Das sei sehr zermürbend: „In den Absagen steht auch nie, warum, dabei wäre es wichtig, Tipps zu bekommen, was er besser machen soll.“

Gerade bei der Arbeitssuche habe auch sie Enttäuschungen erlebt, oft gar keine Antworten erhalten: „Und ich wusste nicht, warum, ich wollte mich ja verbessern.“ Ihren Mann baut sie deshalb derzeit auf, wenn er Zuhause sitzt und Deutsch lernt. Denn die Sprache sei der Schlüssel: „Man darf nie aufhören, mutig zu sein, gleich Deutsch zu sprechen, dann fühlt man sich wohler. Ich habe mich hier eingewöhnt, hier ist mein Leben, mein Zuhause.“

Redaktion Eva Baumgartner gehört zur Lokalredaktion Mannheim.

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