Mannheim. „Ihr macht uns glücklich“ - mit diesen Worten verabschiedete eine strahlende Erika Schmaltz mit ihrem Awo-Ballett nach einer Stunde „Zeitreise“ und „Weltreise auf einem Traumschiff“ am Mittwoch kurz nach 16 Uhr ein Publikum von der Buga-Hauptbühne auf dem Spinelli-Areal, das an die 600 Köpfe zählte - eine ganze Reihe davon mit Sombreros bedeckt.
Der Auftritt der Seniorinnen-Tanzgruppe folgte nach einem Streit um kulturelle Aneignung, nachdem die Buga-Gesellschaft zunächst sechs Kostüme der Tanzgruppe abgelehnt und dann in einem Kompromiss bei drei Kostümen Abstriche verlangt hatte.
Neben Änderungen beim ägyptischen und japanischen Tanz hatte die Veranstaltungsleitung der Buga darauf bestanden, dass keine Sombreros auf der Bühne gezeigt werden dürfen - eine Vorgabe, die deutschlandweit und im Ausland Schlagzeilen gemacht und weithin Unverständnis ausgelöst hatte.
Eine von Buga-Programmleiter Fabian Burstein vorgeschlagene Diskussionsveranstaltung über kulturelle Aneignung, die am Mittwoch im Anschluss an den Auftritt des Awo-Balletts geplant war, wurde kurzfristig abgesagt. So feierten die - durchweg älteren - Zuschauerinnen und Zuschauer die Playback-Show der Awo-Frauen ausgelassen und mit viel Applaus.
Beifall für Hüte im Publikum
Geklatscht wurde bereits gut 20 Minuten vor Beginn, als eine Gruppe von acht Sombrero-Trägerinnen unter dem Zeltdach erschien. „Wir sind ein Freundinnenkreis vom SV Dannstadt-Schauernheim“, erklärten die Frauen. „Wir kommen heute auf die Buga, um das Awo-Ballett zu unterstützen.“
Das meinte auch Manfred Riemer, der sich gut sichtbar in der Mitte des Zuschauer-Bereichs mit seiner mexikanischen Kopfbedeckung postiert hatte. „Ich möchte, dass die Frauen sehen, dass sie unterstützt werden“, sagte er - und fügte hinzu: „Dieses Sombrero-Verbot, das ist einfach Unsinn!“
Gekommen waren auch Buga-Abteilungsleiterin Kirsten Batzler und der Vorsitzende des Freundeskreisesder Mannheimer Bundesgartenschau, Gerhard Mandel. Batzler schätzte die Zuschauerzahl auf rund 600, zur Debatte um den Sombrero wollte sie sich ebenso wenig äußern wie Mandel.
Der Vorsitzende des Freundeskreises betonte die strikte Neutralität des Fördervereins. Es sei aber klar, dass die Debatte um Klischees, Stereotypen und kulturelle Aneignung geführt werde, so Mandel. „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Debatte. Ob man sie allerdings unbedingt auf der Buga austragen muss, halte ich für fraglich“, sagte er.
Auf der Bühne legte inzwischen Erika Schmaltz, die Leiterin der im allerbesten Sinne rüstigen Seniorinnen-Truppe, los: „Wir sind wahnsinnig froh, dass so viele heute gekommen sind“, und schon war das Awo-Ballett mitten in seiner ersten Nummer: „Tango in Paris“.
Das Konzept der Tanztrainerin und routinierten Entertainerin mit vielen Jahren Bühnenerfahrung in der Fasnacht ist dabei, mit bekannten, generations-typischen Melodien, liebevoll und mit viel Fantasie gestalteten Kostümen sowie altersgerechten Choreografien für allerbeste Laune beim Publikum und bei den Tänzerinnen selbst zu sorgen.
Großer Beitrag gegen Einsamkeit
„Ich bin sehr angenehm überrascht, wie viel Publikum da ist und wie toll die Stimmung ist“, freute sich die Vorsitzende der Awo Neckarau-Rheinau, SPD-Altstadträtin und Co-Vorsitzende des Mannheimer Seniorenrats, Marianne Bade, die „ihre“ Frauen beim großen Auftritt begleitete.
Den Streit und den riesigen Medienrummel wertete sie „im Nachhinein als Glücksfall“. Und betonte den großen Wert der langjährigen „Arbeit von Senioren für Senioren“, die von der Tanzgruppe geleistet werde: „Das ist ein wichtiger Beitrag gegen Einsamkeit und Depression im Alter und für Fitness und Beweglichkeit“, so Bade.
„Wir finden es super, was diese Frauen leisten“, meinten Tina Thoma und Astrid Röseler aus Mannheim“, die - wie etwa 50 andere Zuschauer - eigens mit mexikanischen Hüten zur Bundesgartenschau gekommen waren. „Ich habe meinen extra im Internet bestellt“, fügt Katrin Matz an, die ebenfalls mit breitkrempiger Kopfbedeckung erschienen war.
„Kann sich aufs Alter freuen“
„Wenn ich sehe, was diese Gruppe auf die Beine stellt, dann kann ich nur sagen, dass man sich aufs Alter freuen kann“, kommentierte Sportwissenschaftler Professor Robin Kähler den Auftritt des Awo-Balletts. „Der Spaß an der Bewegung, die Fantasie, das gemeinsame Tun und Erleben sind für Menschen im fortgeschrittenen Alter unglaublich wichtig.“ Kähler, der lange Jahre das Institut für Sport an der Universität Mannheim geleitet hatte und später an der Kieler Christian-Albrechts-Universität lehrte, gehörte zu den ersten Unterstützern der Bundesgartenschau-Pläne in Mannheim.
Zur Debatte um den Sombrero und andere kulturelle Stereotypen sagte er im Bezug auf das Awo-Ballett: „Natürlich respektiere ich andere Meinungen, aber ich sehe an den Kostümen des Awo-Balletts einfach nicht das Problem.“ Den gesamten Auftritt wertete er als „positiv und respektvoll gegenüber anderen Kulturen.“
Nach der „Zeitreise“ mit Steinzeit-Kostüm, mittelalterlichen Mägden und Burgfräulein bis hin zu Rock’n’Rollern und Hippies folgte auf der Bühne nach einer von Michael Kußmann mit Gesang gestalteten Umzieh-Pause dann die wegen der Kostüme so umstrittene „Weltreise“.
Irische Stepperinnen, Holländerinnen und Spanierinnen wechselten sich mit Griechinnen, Inderinnen und Brasilianerinnen ab - bis endlich zur Melodie der Les Humphries Singers „Mexiko“ erklang: ohne Sombreros auf der Bühne, aber mit zahlreichen Sombreros im Publikum - das es nicht mehr auf den Stühlen hielt. „Eine Stunde Freude“, so fasste Edith Euler-Früh, selbst ehemaliges Mitglied der Tanzgruppe, den Auftritt zusammen. „Ich war mit 64 damals der Jungspund“, lachte sie. Das Awo-Ballett genoss derweil seinen Applaus und gab bereitwillig eine Zugabe.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Awo-Ballet auf der Buga: Den blanken Nerv getroffen