Zeigte sich Buga-Chef Michael Schnellbach beim Thema Sombrero-Streit anfangs gereizt und kritisierte die Medienberichterstattung über den Eklat, den sein Veranstaltungsleiter Fabian Burstein mit dem unglückseligen Sombrero-Verbot ausgelöst hatte, so übt sich die Buga-Gesellschaft seither in eiserner Deeskalationsdisziplin. Nur nicht mehr drüber reden, lautet die Devise, um ja keinen Anlass für neuerliche Berichterstattung zu geben.
Sogar über die von Burstein selbst angeregte Diskussionsveranstaltung zum Thema kulturelle Klischees und kulturelle Aneignung, die ebenfalls am Mittwoch hätte stattfinden sollen, wurde im Vorfeld überhaupt nicht mehr geredet. So blieb völlig unklar, wer da über was genau diskutieren sollte. Auf mehrfache Nachfrage kam dann die Mitteilung, die Diskussionsrunde sei auf unbestimmte Zeit verschoben worden, weil das Thema emotional zu stark aufgeladen sei. Zweifel, ob die Diskussion dann überhaupt noch stattfindet, dürfen angemeldet werden.
Wenn man aber schon nicht mehr über den Sombrero und die Folgen reden möchte, wäre die Aufarbeitung der Frage, wie eine Buga eigentlich mit betagten Ehrenamtlichen umgeht, gut gewesen. Vom brüsken E-Mail-Vierzeiler mit unbegründeten Anweisungen, welche Kostüme nicht gezeigt werden dürfen, über „unschöne“ Telefonate bis zur wochenlangen Hängepartie rund um die Zugangs- und Parkmöglichkeiten für die Frauen und ihre Requisiten ist da im Vorfeld des Auftritts auf der Hauptbühne offenbar einiges schiefgelaufen.
Eigene Richtlinien zum Thema kulturelle Klischees hat die Buga übrigens nicht, sie beruft sich auf das Leitbild der Stadt Mannheim, das zum Thema überraschend allgemein gehaltene Stichpunkte wie „solidarische Stadtgesellschaft“, „Gleichstellung der Geschlechter“ und „Anerkennung vielfältiger Lebensentwürfe“ anzubieten hat. So erscheinen die von Fabian Burstein abgelehnten Kostümierungen der Seniorinnen geschmäcklerisch ausgewählt: Mexikaner mit Sombrero nein, Holländer mit Holzgaloschen ja – das ist völlig unverständlich und wegen seines Willkür-Charakters die eigentliche Ursache des Shitstorms, der auf die Buga-Macher niederging.
Wo so vieles vage und unausgesprochen bleibt, ist eines aber völlig klar: Das Sombrero-Debakel der Mannheimer Buga hat in der Debatte über Emanzipation und Inklusion, Rassismus und Dekolonialisierung, Toleranz und Wertschätzung, Gleichberechtigung und Teilhabe einen Nerv getroffen, der völlig blank liegt. Die Chance, in einer Diskussion auf Augenhöhe mit allen Beteiligten hier für Heilung zu sorgen, sollte die Buga nicht verstreichen lassen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Awo-Ballet auf der Buga: Den blanken Nerv getroffen
Thorsten Langscheid über das Sombrero-Debakel