Mannheim. Der Wechsel der Mannheimer Abgeordneten Melis Sekmen im vergangenen Sommer von den Grünen zur CDU hat in Mannheim stark polarisiert. Jetzt hat die 31-Jährige zwar für die CDU im Wahlkreis gewonnen – im neuen Bundestag wird sie aber trotzdem nicht sitzen. Ein Gespräch.
Frau Sekmen, Sie haben die meisten Erststimmen im Wahlkreis geholt, kommen wegen des neuen Wahlrechts aber jetzt trotzdem nicht in den Bundestag. Irgendwie bitter, oder?
Melis Sekmen: Also erstmal freue ich mich sehr, dass wir als CDU auf Platz eins gelandet sind in Mannheim. Wir haben unsere Erst- und Zweitstimmen deutlich erhöht. Das ist ein großer Erfolg, und es ist einfach auch wichtig, dass ein klares Zeichen aus Mannheim nach Berlin gesendet wurde für den Politikwechsel und für Friedrich Merz als Bundeskanzler. Aber ich muss ganz ehrlich sagen: Es ist schon ein bisschen ein komisches Gefühl, jetzt nicht im Bundestag zu sein.
Sie haben damals, als Sie noch bei den Grünen waren, für die Änderung des Wahlrechts gestimmt. Bereuen Sie das im Nachhinein?
Sekmen: Das war damals ein Projekt der Ampel, und wir standen da natürlich politisch unter einem gewissen Druck, den eigenen Leuten in der Regierung loyal zu sein. Ich habe aber intern und öffentlich immer kritisiert, dass es nicht sinnvoll ist, wenn der Wahlkreissieger nicht ins Parlament kommt. Damit müssen wir jetzt halt umgehen. Wir brauchen ja auch ein arbeitsfähiges Parlament. Es gab ja eine Reihe an Entscheidungen, mit denen ich gehadert hatte. Deshalb habe ich den Entschluss gefasst zu wechseln.
Bereuen Sie mit der jetzigen Entwicklung Ihren Wechsel von den Grünen zur CDU?
Sekmen: Nein, im Gegenteil. Ich bin froh, dass ich meine neue politische Heimat bei der CDU gefunden habe. Gerade auch nachdem ich gesehen habe, wie sich die Grünen in der Migrationsfrage und bei wirtschaftspolitischen Themen positioniert haben. Die Partei ist immer weiter nach links gerückt, sie hat sich radikalisiert. In meinen Augen geht sie in die falsche Richtung. Das sieht man auch an den Stimmenverlusten insbesondere in Mannheim. Ich habe den Schritt zur CDU nicht allein dafür getan, um wieder in den Bundestag zu kommen. Mir ging es um die Sache. Ich kann Positionen, hinter denen ich nicht stehe, auch nicht glaubwürdig vertreten. Das Ergebnis ist eine Bestätigung dafür.

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Lassen Sie uns nochmal auf Ihr Ergebnis schauen. Sie haben gesagt, Sie seien zufrieden damit. Aber die 24,7 Prozent der Erststimmen sind ja selbst für Mannheim eher ein durchschnittliches CDU-Ergebnis. Nikolas Löbel hatte 2017 29,3 Prozent geholt, Egon Jüttner 2013 sogar fast 40 Prozent.
Sekmen: Das Ergebnis ist für uns sehr gut. Wir haben im Vergleich zur letzten Bundestagswahl deutlich zugelegt, bei den Erststimmen um fast fünf Prozent. Außerdem habe ich mehr Erst- als Zweitstimmen. Das zeigt auch, dass es da einen persönlichen Vertrauensvorschuss gab. Die Zeiten, in denen in einer Stadt wie Mannheim ein Kandidat fast 40 Prozent holen konnte, sind längst vorbei. Das Parteiensystem ist heute vielfältiger; die Stimmenanteile der einzelnen Parteien und Kandidaten sind deshalb durch die Bank kleiner als früher.
Die Bundestagswahl 2021 ist für die Mannheimer CDU vielleicht nicht der beste Vergleichsrahmen. Kurz zuvor war Nikolas Löbel wegen der Masken-Affäre zurückgetreten, die CDU in Mannheim war da nicht gerade auf der Überholspur. . .
Sekmen: Wir haben deutlich zugelegt bei Erst- und Zweitstimmen. Wir sind Wahlkreissieger. Das ist ein Erfolg. Und ich finde, da gibt es nichts dran schlechtzureden.
Erst muss ich mich die nächsten Tage ein wenig sortieren, dann werde ich meinen Bachelor abschließen und mir danach einen Job suchen.
Trotzdem wird der Politikwechsel, von dem Sie vorhin sprachen, jetzt ohne Sie stattfinden. Wie geht es mit Ihnen weiter, politisch und beruflich?
Sekmen: Ich werde meine politische Arbeit fortsetzen, weiterhin im Bereich Gründungen und Start-ups aktiv sein. Erst muss ich mich die nächsten Tage ein wenig sortieren, dann werde ich meinen Bachelor abschließen und mir danach einen Job suchen.
Könnte dieser Job auch bei der Bundes-CDU in Berlin sein? Friedrich Merz ist ja begeistert von Ihnen...
Sekmen: Fakt ist, dass ich weiterhin für die CDU Politik machen werde. Wir haben uns eingesetzt für die Wirtschaftswende. Mir ist es wichtig, dass wir ein attraktiver Investitionsstandort bleiben, für Talente, für kreative Gründungsideen. Und ich werde natürlich meinen Beitrag dazu leisten, dass wir das sowohl hier in der Region als auch auf Bundesebene umsetzen. In welcher Rolle - das kann ich jetzt noch nicht sagen.
Ihren Lebensmittelpunkt sehen Sie also weiterhin hier in Mannheim?
Sekmen: Ich bin Mannheimerin und bleib‘ in Mannem.
Und werden Sie sich auch weiterhin im Mannheimer CDU-Kreisverband einbringen?
Sekmen: Ja klar. Mit dem Wahlkampf ist die Arbeit nicht getan, sie fängt jetzt erst an. Es ist mir ein Anliegen, dass wir die Wirtschaftswende hinkriegen, dass die Rhein-Neckar-Region auch Gehör findet in der Landes-CDU, in der Bundes-CDU. Und da werde ich weiterhin die Schnittstelle bleiben und werde dafür sorgen, dass wir ordentliche Rahmenbedingungen haben für unsere Wirtschaft und für unsere Region. Außerdem haben wir auch einen Landtagswahlkampf vor uns. Da gibt es auch noch ordentlich was zu tun.
Kommt für Sie eine Landtagskandidatur infrage?
Sekmen: Nein.
Im Bundestag wird es wohl auf eine Koalition mit der SPD hinauslaufen. Wo muss sich die SPD auf die Union zubewegen, wenn es klappen soll? Und wo müsste die Union der SPD entgegenkommen?
Sekmen: Es gibt eben zwei Themen, die die Menschen bewegen. Das sind Migration und Wirtschaft. Da muss sich die SPD definitiv bewegen. Und alles andere gehen wir pragmatisch an. Wenn die SPD sinnvolle Vorschläge hat, dann werden wir uns natürlich auch darauf einlassen.
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