Mannheim. Das politische Halbjahr für die Grünen endet, wie es begonnen hat: mit Personalquerelen. Hatte es zu Beginn des Jahres Diskussionen um die Suche nach einem Oberbürgermeisterkandidaten gegeben, muss die Partei nun den Austritt eines vergleichsweise prominenten Mitglieds verkraften. Stadtrat Markus Sprengler hat am Donnerstag angekündigt, Partei und Fraktion zu verlassen - und greift beide teilweise scharf an.
Ausschlaggebend für meinen Entschluss waren die Wochen und Monate vor der Oberbürgermeisterwahl.
„Ausschlaggebend für meinen Entschluss waren die Wochen und Monate vor der Oberbürgermeisterwahl: die schlechte Kommunikation und unklare Linie im Wahlkampf der Grünen, das Vermeiden einer Wahlempfehlung zugunsten des SPD-Kandidaten Thorsten Riehle für die Neuwahl sowie die damit verbundene Mitverantwortung an der verlorenen Oberbürgermeisterwahl der progressiven Mitte“, begründet er in einem Schreiben, und kündigt an, sein Mandat als Stadtrat weiter auszuüben.
Stadtrat Markus Sprengler will sich parteipolitisch neuorientieren
Auf Nachfrage erklärt er, sich „parteipolitisch neu orientieren“ zu wollen. „Klar ist, dass ich mich weiterhin politisch in der progressiven Mitte orientieren werde.“ Ob er bis zum Ende der Wahlperiode kommendes Jahr fraktionslos bleibt oder sich einer anderen anschließt - etwa der SPD um Fraktionschef Riehle, für den er viel Wahlkampf betrieben hat -, wolle er nun klären.
Sprengler äußert in dem Schreiben an den Vorsitzenden des Gemeinderats, Oberbürgermeister Peter Kurz, das auch an die Partei- und Fraktionsspitze gegangen ist, Unmut. Die „Zerrissenheit“ seiner Partei, der Fraktion und des „zaudernden Oberbürgermeisterkandidaten Raymond Fojkar“ habe dazu beigetragen, dass die SPD das Rathaus an CDU-Mann Christian Specht verloren habe. „Das Verweigern einer ehrlichen Aufarbeitung des Wahlfiaskos und das Hadern bei der Unterstützung der progressiven Mitte durch Teile der grünen Fraktion und Partei haben bei mir den Eindruck der Zerrissenheit weiter verstärkt.“
Grünen-Kandidat Fojkar hatte sich zurückgezogen - ohne Wahlempfehlung
Fojkar hatte im ersten Wahlgang 13,8 Prozent geholt und sich daraufhin zurückgezogen. Eine Empfehlung für den zweiten Wahlgang gab er nicht. Wenige Tage später erklärte die Partei wiederum, Riehle zu unterstützen. Sprengler hatte bereits zu dessen Wahl aufgerufen, bevor sich seine Partei hinter Riehle stellte.
Fojkar zeigt sich „hochirritiert“. Von der namentlichen Kritik an ihm habe er nicht von Sprengler, sondern erst vom Fraktionsvorstand und durch die Anfrage dieser Redaktion erfahren. Gezaudert, sagt er, habe Sprengler. „Er hat noch vor mir die Arbeit der Findungskommission zurecht kritisiert und eine Kandidatur angekündigt, die er dann fallengelassen hat.“
Er ist auch später nicht dadurch aufgefallen, meiner Kandidatur zu mehr Durchschlagskraft zu verhelfen
Hinter vorgehaltener Hand war immer wieder über Ambitionen Sprenglers spekuliert worden. „Er ist auch später nicht dadurch aufgefallen, meiner Kandidatur zu mehr Durchschlagskraft zu verhelfen“, sagt Fojkar. Dass er das Ergebnis derart kommentiere, sei deshalb „bemerkenswert“. Sprengler zeichne aus, sagt Fojkar, „dass er für sich sorgt und schaut, welche Dinge er vor allem in seinem Sinne bewegen kann“.
Sprengler polarisierte
Mit Sprengler verliert die Fraktion ein Mitglied, das aneckte. Der extrovertierte Künstler zählte innerhalb der Fraktion zu einer fünfköpfigen Gruppe, die selten Einigkeit in der Fraktion vermittelte. Zuletzt hatte sich die Gruppe dem Vernehmen nach bei Fragen zur im Wahlkampf überworfen.
„Sicherlich habe auch ich Fehler gemacht, mitunter polarisiert und an der einen oder anderen Stelle eine andere Meinung als Fraktion und Partei vertreten“, erklärt Sprengler. Diese habe er „immer mit offenem Visier kommuniziert“ und sein Handeln an einer „sozialen, ökologischen und kulturfördernden Politik“ ausgerichtet.
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Die Bereitschaft der Partei und Fraktion zum Diskurs sei „in Teilen abhanden gekommen“. Er habe sich von den Grünen entfremdet. „Zu einer guten sozialen und ökologischen Politik gehört der ständige Austausch innerhalb von Fraktion und Partei, die Kompromisse ermöglicht und dabei Eskalationen vermeidet. All das finde ich aktuell bei den Grünen nicht.“
Grüne Fraktion in Mannheim: „Folgerichtiger Schritt“
Wie zerrissen das Tischtuch ist, zeigt auch das knappe, aber deutliche Statement, das die Fraktionsführerinnen Nina Wellenreuther und Stefanie Heß auf Anfrage geben. „Nicht erst in den vergangenen Monaten zeigte sich mehr und mehr, dass es zwischen Markus Sprengler und großen Teilen der Fraktion große Differenzen gab, die nur schwer überbrückbar waren.“ Dies sei auch durch dessen Kommunikation während und nach der Wahl deutlich geworden. „So ist für uns Markus Sprenglers Austritt aus Fraktion und Partei ein folgerichtiger Schritt.“ Für die Zukunft wünsche man ihm „selbstverständlich alles Gute“.
Ähnlich knapp fällt das Statement der Partei aus. Man „respektiere“ den Schritt, teilt der erst neu gewählte Vorstand mit. Der würdigt Sprenglers „langjährige Arbeit und sein Engagement, insbesondere in den Politikfeldern Kultur, Integration und Wirtschaft“.
Sprengler selbst wünscht Partei und Fraktion „Mut zur Aufarbeitung der vergangenen Wochen und Monate“, erklärt er. „Die Grünen werden auch künftig mit ihrer sozialen und ökologischen Ausrichtung dringend gebraucht.“
Die Grünen bleiben die stärkste Fraktion. Nach Sprenglers Rückzug zählt sie nun noch zwölf Mitglieder.
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