Mannheim. Wer es knallig mag: Nach der Wahl Christians Spechts zum neuen Oberbürgermeister geht es an der Stadtspitze Schlag auf Schlag. Am Dienstagnachmittag hat der Gemeinderat die beiden bisherigen Ämter des Christdemokraten neu besetzt. Nachfolger als Dezernent für Finanzen und Ordnung wird Spechts Parteifreund Volker Proffen, neue Erste Bürgermeisterin die für Umwelt zuständige Grünen-Kollegin Diana Pretzell. Beide zwar mit klaren, aber nicht mit guten Wahlergebnissen. Er erhält 71,1 Prozent, sie 66,7.
Das ist für Pretzell ein besonders schwerer Dämpfer, sie war die einzige Bewerberin. Von 45 anwesenden Gemeinderatsmitgliedern wählen sie nur 30. Zwölf enthalten sich, drei geben leere Stimmzettel ab. Schon in der Grünen-Fraktion, die als größte traditionell das Vorschlagsrecht für den nach Spechts Aufstieg freien Posten hatte, war die Kür der 52-Jährigen sehr umstritten. Dem Vernehmen nach setzte sie sich intern mit nur einer Stimme Vorsprung gegen Bildungsdezernent Dirk Grunert durch. Der ist in der Lokalpolitik tiefer verankert als Pretzell, die erst 2020 nach Mannheim kam.
Zweite Frau nach Fürst-Diery
Schwer wog bei den Grünen offenbar der Wunsch, auf die zweithöchste Position der Stadt eine Frau zu setzen. Zum zweiten Mal nach Mechthild Fürst-Diery, die Christdemokratin war von 2003 bis 2005 Erste Bürgermeisterin. Künftig ist es Pretzell, die den Oberbürgermeister – sollte er verreist, erkrankt oder anderweitig verhindert sein – vertreten wird. Sowohl als oberste Verwaltungschefin als auch als Vorsitzende und Sitzungsleiterin im Gemeinderat.
Für Proffen stimmen 32 von 45 Gemeinderatsmitgliedern. Zwölf votieren für die frühere Heidelberger Stadtdirektorin Nicole Huber, ebenfalls in der CDU. Zwei weitere Bewerber gehen leer aus, ein Stimmzettel ist ungültig. Wegen der Konkurrenz sind Proffens 71,1 Prozent ein viel besseres Ergebnis als die 66,7 für Pretzell. Aber kein gutes, gemessen daran, dass sich die Spitzen der drei größten Fraktionen – Grüne, SPD und CDU – für ihn aussprachen und Unterstützung von Mannheimer Liste und FDP naheliegend ist, so geschlossen wie das bürgerliche Lager im Wahlkampf auftrat. Offensichtlich haben da manche in geheimer Abstimmung anders votiert als von ihren Oberen gewünscht.
In seiner Bewerbungsrede verwies Proffen – alle Vier durften sich, falls sie wollten, fünf Minuten in der Sitzung vorstellen – auf seine vielen unterschiedlichen Unternehmenserfahrungen. Bei Südzucker sei er aktuell noch „Leiter Politik“. Unter anderem stellte er sich auch als Präsident des „wunderbaren“ TSV Neckarau vor. Der 44-Jährige spielte als Sprecher des CDU-Kreisverbands in Spechts Wahlkampf eine tragende Rolle, vor wie hinter den Kulissen. Auf „MM“-Anfrage kündigt er an, sich mit Antrittsamt aus dem Parteivorstand zurückziehen.
Welche Vorbehalte es gegen ihn vor allem gibt, wird bei einer Frage von LI.PAR.Tie-Fraktionschef Dennis Ulas deutlich: In der Dezernatsausschreibung stehe als zwingende Voraussetzung umfassende Erfahrung in kommunaler Verwaltung. Proffen erwidert, auch als Manager könne er mithelfen, die Leistung der Stadt für ihre Bürger zu verbessern.
Weitere Personalie steht an
Noch eine weitere Personalie steht an. Im Februar 2024 endet die Amtszeit von Wirtschaftsbürgermeister Michael Grötsch. Kurzzeitig wurde ja über einen Wechsel des Christdemokraten auf Spechts bisherigen Posten spekuliert. Aber den hat nun ja Proffen. Und das Vorschlagsrecht für Grötschs Dezernat liegt, so haben das die größten Fraktionen nach der Kommunalwahl 2019 verabredet, bei der SPD. Als aussichtsreichster Kandidat galt lange der Kreisvorsitzende Stefan Fulst-Blei. Doch jetzt steht Fraktionschef Thorsten Riehle beruflich mit leeren Händen da, weil er sich nach der OB-Wahl wie angekündigt von der Capitolsspitze zurückzog. Da Grötsch auch für Kultur zuständig ist, wäre Riehle – als Unternehmer und Vize der Mannheimer Runde auch mit Wirtschaftskompetenz – für seine Nachfolge fachlich ideal. Im nichtöffentlichen Teil des Hauptausschusses wurde bereits abgeschafft, dass für dieses Amt ein abgeschlossenes Studium Pflicht ist. Das muss aber noch keine Entscheidung pro Riehle sein. Die wäre Sache der SPD.
Doch im Mittelpunkt steht derzeit natürlich ein anderer Sozialdemokrat, der nach 16 Jahren als Oberbürgermeister freiwillig aufhört. Etwaigen Wehmut lässt sich Peter Kurz, anfangs jedenfalls, nicht anmerken. „Was kann man sich Schöneres wünschen als eine Gemeinderatssitzung zum Geburtstag?“, spottet er bei der Gratulation an CDU-Stadträtin Martina Herrdegen. Aber womöglich macht er ihr am Abend den einen oder anderen Partygast streitig: Zum Abschied hat er den gesamten Gemeinderat noch in ein griechisches Restaurant gegenüber vom Stadthaus eingeladen.
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