Ludwigshafen. Die Ludwigshafener Stadtverwaltung stellt die umstrittenen Führungen durch die vermeintlich hässlichste Kommune Deutschlands, die „Germany’s Ugliest City Tours“, auf den Prüfstand. Das geht aus einer am Donnerstag zum nichtöffentlichen Teil der Kulturausschuss-Sitzung vorgelegten Stellungnahme der Verwaltung hervor, die damit auf eine Anfrage der Fraktion Grünes Forum und Piraten reagierte. Die Kulturverwaltung kläre derzeit, „ob der mögliche Imageschaden durch die mediale Berichterstattung“ über die Touren „die Inkaufnahme eines zu erwartenden Schadens durch eine Cancel-Culture-Debatte rechtfertigt“, heißt es darin. Unter „Cancel-Culture“ versteht man Bestrebungen zum sozialen Ausschluss von Personen oder Organisationen, worunter hier vermutlich ein Ende der städtischen Unterstützung für das über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Projekt zu verstehen wäre.
Auslöser für die Touren war die 2018 getroffene Entscheidung des Satiremagazins Extra 3, Ludwigshafen den fragwürdigen Titel der hässlichsten Stadt Deutschlands zu verleihen. Als selbstironische Reaktion darauf rief die Stadt mit dem Architekten und Künstler Helmut van der Buchholz die launigen Ausflüge zu den angeblich schlimmsten Ecken der Chemiestadt ins Leben. Die Touren, die nun in der fünften Saison laufen, sind inzwischen aber zum Politikum geworden. Es wird diskutiert, ob sie dem Image der Stadt schaden.
Die Touren erlebten in den ersten beiden Jahren einen richtigen Publikumsansturm.
Vor diesem Hintergrund hatte die Fraktion Grünes Forum und Piraten die Anfrage gestellt, mit wie viel Geld die Kommune die Touren unterstützt. Weitere Themen im Ausschuss waren Ausblicke des Theaters im Pfalzbau und des Wilhelm-Hack-Museums auf neue Projekte, zudem stellte die Leiterin der Musikschule, Angela Bauer, Ideen für ein „Haus der Musik“ vor.
Aus der Stellungnahme der Verwaltung geht hervor, dass es pro Jahr fünf „Ugliest City Tours“ gibt, davon je drei mit neuen Konzepten. Van der Buchholz erhalte dafür ein Honorar von 900 Euro. Im Jahr 2021 habe das Kulturbüro zudem mit van der Buchholz, Oliver Augst und Erwin Ditzner einen Audiowalk zu den Touren entwickelt, der 3600 Euro gekostet habe. „Über die Nutzerfrequenz erteilt die App leider keine Informationen“, so die Verwaltung. Nach ihren Angaben erlebten die Touren in den ersten beiden Jahren einen „Publikumsansturm“ von 200 Menschen und mehr pro Tour, inzwischen würden im Schnitt pro öffentlichem Ausflug 40 Leute gezählt. Darüber hinaus gebe es private Touren, die für 200 Euro beim Kulturbüro gebucht werden könnten, „meist im Rahmen von Betriebsausflügen“. Van der Buchholz erhalte dafür 150 Euro. In der Regel gebe es jährlich fünf private Touren, die mit Einnahmen von 1000 Euro und Ausgaben von 750 Euro zu Buche schlügen.
Mit Spannung erwartet wird eine Ausstellung von Michael Beutler im Hack-Museum.
Zur Erläuterung wies die Verwaltung darauf hin, dass van der Buchholz, der seit 1960 in Ludwigshafen lebt, „im Bereich der Aktionskunst“ tätig sei. „Aktionskunst ist ein Oberbegriff für Kunstgattungen wie Happening und Performance, die ungefähr 1960 als Gegenbewegung gegen die museale Abschirmung der Kunst von der Realität entstanden sind.“ Van der Buchholz selbst hatte im Interview mit dem „MM“ erklärt, er wolle mit den Touren „in erster Linie unterhalten, informieren und aufklären“.
„Diese Touren schaden der Stadt“, sagte hingegen Raik Dreher, Fraktionschef Grünes Forum und Piraten, nach der Ausschusssitzung – und berief sich unter anderem auf verschiedene Gespräche mit Vertretern der Wirtschaft. Zwar seien die Touren anfangs möglicherweise augenzwinkernd gemeint gewesen, aber diese Ironie erschließe sich „dem unbeleckten Dritten“ aus Hamburg oder Dortmund „nach so vielen Jahren“ nicht mehr. Er gehe davon aus, dass bei der nächsten Sitzung des Stadtrats „irgendeine Fraktion“ einen Antrag zu dem Thema stellen werde.
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Der Intendant des Theaters im Pfalzbau, Tilman Gersch, hofft nach den von Corona geprägten Vorjahren auf eine Normalisierung. „Wir haben eine gute Lüftung“, sagte er beim Ausblick auf die Spielzeit 2022/23, die Auftritte des Wiener Staatsballetts (17. November) und des Stuttgarter Balletts (29. April 2023) umfasst. Er habe ein „tolles Programm“ zusammengestellt, lobte Kulturdezernentin Cornelia Reifenberg (CDU).
Der Direktor des Wilhelm-Hack-Museums, René Zechlin, kündigte eine Fortführung des Wandgemälde-Projekts „Muralu“ in der Saarlandstraße und am Bunker gegenüber von Tor 3 der BASF im Juli an. Mit Spannung erwartet werde auch eine Ausstellung von Michael Beutler (16. Juli bis 25. September), der eine „raumgreifende Installation aus selbstgeschöpftem Papier“ plant.
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