Haushalt 2023

Warum sich die Finanznot in Ludwigshafen "dramatisch" zuspitzt

Ludwigshafen ist finanziell ohnehin gebeutelt. Jetzt verschärft ein "Sondereffekt" die Situation nochmals drastisch. Was dahinter steckt und weshalb einige Stadträte schon von Resignation sprechen

Von 
Julian Eistetter
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Die Verschuldung der Stadt Ludwigshafen wird bis Jahresende auf rund 1,5 Milliarden Euro ansteigen. © Bernhard Zinke

Ludwigshafen. Viel Frust, ein Anflug von Resignation und jede Menge düsterer Szenarien: So in etwa lässt sich die Stimmung bei den Stadtratsfraktionen in der Hauptausschusssitzung am Montag in Ludwigshafen zusammenfassen. Auslöser dafür war ein Bericht des Kämmerers Andreas Schwarz (SPD), der den ersten Nachtragshaushalt für das Jahr 2023 vorstellte. Und der ist selbst für die Verhältnisse der Chemiestadt alarmierend.

Denn im Ergebnishaushalt ist eine Verschlechterung von mehr als 45 Millionen Euro zu verzeichnen. Der Jahresfehlbetrag erhöht sich gegenüber dem von der Aufsichtsbehörde erst vor wenigen Wochen genehmigten Etat also von knapp 31 auf mehr als 76 Millionen Euro. „Die Schulden werden bis Jahresende auf rund 1,5 Milliarden Euro ansteigen“, erläuterte Schwarz.

Rückzahlungen von Gewerbesteuern aus der Vergangenheit belasten nun den Ludwigshafener Etat

Der wesentliche Grund für diese drastische Entwicklung sind wegfallende Erträge bei der Gewerbesteuer, wie der Kämmerer erklärte. „Dabei handelt es sich nicht um aktuelle Gewerbesteuereinnahmen. Es geht vielmehr um Rückzahlungen aus längst vergangenen Jahren.“ 45 Millionen Euro brechen der Stadt dadurch weg, hinzu kommen weitere wegfallende Einnahmen etwa bei der Grundsteuer B sowie Mehraufwendungen unter anderem im Personalbereich. Das könne durch die gegenübergestellten Mehrerträge (beispielsweise Gewinnausschüttung WBL oder Dividende GAG) und weggefallene Ausgaben nicht ansatzweise kompensiert werden.

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„Die Haushaltssituation hat sich noch einmal dramatisch verschlechtert“, fasste Schwarz die Lage zusammen. Mit den bestehenden Mitteln habe es keinerlei Möglichkeit gegeben, die fehlenden Erträge auszugleichen. „Bei der Dimension ist es klar, dass uns jegliches Werkzeug zum Gegensteuern fehlt“, sagte Schwarz. „Wir sind schon eine ausgedrückte Zitrone.“

Der Kämmerer sieht harte Zeiten auf Ludwigshafen zukommen. „Wir wollen den Haushaltsausgleich schaffen“, betonte er. Dazu hatte sich der Stadtrat in diesem Jahr per Zehnjahresplan verpflichtet. „Es wird schwierig. Die Aufstellung des Haushalts für 2024 wird noch herausfordernder als 2023 werden“, kündigte Schwarz an.

Schon in diesem Jahr hatte es ein zähes Ringen um einen genehmigungsfähigen Haushalt gegeben. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) hatte den Entwurf schon vor dessen Einbringung wegen eines Defizits von knapp 100 Millionen Euro gerügt. Es folgten hitzige Diskussionen um Einsparungen und schließlich eine Einigung auf einen Vorschlag von CDU und SPD, mit dem der Fehlbetrag für 2023 auf rund 31 Millionen Euro gesenkt werden konnte.

So reagieren die Fraktionen des Ludwigshafener Stadtrats auf den Rückschlag

Angesichts dieser Bemühungen saß die Enttäuschung bei den Fraktionen am Montag umso tiefer. „Wir haben unsere Hausaufgaben 2023 gemacht und das Defizit von 98 Millionen auf 31 Millionen gesenkt“, sagte David Guthier (SPD). Damals seien „rote Linien“ definiert worden, an denen auch weiter festgehalten werden müsse. Er nannte etwa die Zuschüsse für Vereine und Initiativen.

Guthier wies auch darauf hin, dass ohne die „außerperiodischen Rückzahlungen“ im Ergebnis keine Verschlechterung zu verzeichnen gewesen wäre. „Die Situation bleibt aber angespannt. Ich kann mich nur wiederholen: Wir brauchen eine bedarfsgerechte Finanzausstattung.“

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Peter Uebel (CDU) zeigte sich „frustriert“ angesichts der großen Anstrengungen, mit denen man auf ein vertretbares Defizit heruntergekommen sei. Man habe viele schmerzhafte Entscheidungen mitgetragen, nur um jetzt „wieder in einem Bereich zu sein, wo wir schon waren“. Uebel ist überzeugt, dass die Stadt nun sämtliche Mittel ausgeschöpft habe, um zu sparen. „Wir müssen die Lebensqualität für die Bürger erhalten und attraktiv bleiben.“

Kann Ludwigshafen die Haushaltskonsolidierung unter diesen Voraussetzungen schaffen?

Hans-Uwe Daumann (Grüne im Rat) sprach von einem der schlimmsten Jahre für Ludwigshafen - „schon vor dem heutigen Tag“. Durch den lange nicht genehmigten Haushalt sei viel liegengeblieben, nun verschärfe sich die „Leidensgeschichte“ noch. Eine Haushaltskonsolidierung in zehn Jahren sei so utopisch. „Wir brauchen Hilfe, denn allein wird es Ludwigshafen nicht schaffen“, sagte er.

Auch Thomas Schell (FDP) war überzeugt, dass der Haushaltsausgleich nicht gelingen werde. „Man fragt sich, wie es weitergehen soll“, sagte er und warnte vor einem „Freisbach 2.0“, also einem Szenario, in dem der Stadtrat wegen mangelnden Gestaltungsspielraums am Ende hinschmeißt. Rainer Metz (FWG) sprach von einer „großen Katastrophe“. Es müsse eine grundlegende Neustrukturierung der Finanzen im Land geben.

Liborio Ciccarello (Die Linke) forderte einen radikalen Schuldenschnitt, während Heinz Zell (Forum und Piraten) befürchtete, das alle Appelle in Richtung Land nichts nützen werden. „Die Regeln sind gemacht“, sagte er. Eine Erhöhung der Steuern ist aus seiner Sicht unvermeidbar. Kämmerer Schwarz bezeichnete dieses Vorgehen als „letztes Mittel der Wahl“.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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