Asyl

Walzmühle in Ludwigshafen soll Notunterkunft für Geflüchtete werden

In Ludwigshafen spitzt sich die Lage bei der Aufnahme von Geflüchteten zu. Da Sporthallen frei bleiben sollen, wird nun die Walzmühle genutzt. Was geplant ist und was das für die Sanierung bedeutet

Von 
Julian Eistetter
Lesedauer: 
Sollte eigentlich bald schließen und umgebaut werden, wird nun aber für die Unterbringung von Geflüchteten hergerichtet: die Walzmühle in Ludwigshafen. © Christoph Blüthner

Ludwigshafen. Dass die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (parteilos) kein angenehmes Thema zu verkünden hat, merkt man an ihren einleitenden Worten. Da ist von schlaflosen Nächten die Rede und davon, dass man es sich nicht leicht gemacht habe. Als Kommune sei man am Ende der Kette, müsse Pflichtaufgaben umsetzen. Sie spricht über die schwierige Finanzierungslage in der Stadt, die fehlenden Grundstücke und somit kaum zu lösende Aufgaben.

„Ludwigshafen ist am Limit“, sagt sie schließlich - und meint damit die Situation bei der Aufnahme, Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Die Kapazitäten in den Unterkünften seien nahezu erschöpft. Und deshalb soll nun die Walzmühle in der Innenstadt zu einer Notunterkunft für Asylsuchende umfunktioniert werden.

Die Pläne verschieben sich nun ein bisschen nach hinten.
Beate Steeg (SPD) Sozialdezernentin

Es ist eine Nachricht, die aufhorchen lässt. Hatte doch die Pro Concept AG aus Mannheim als Eigentümerin der Immobilie vor einigen Wochen erst die umfassenden Modernisierungspläne für das Einkaufscenter vorgestellt, das in den kommenden Monaten zu einem Nahversorgungszentrum umgebaut werden sollte. „Die Pläne verschieben sich nun ein bisschen nach hinten“, sagt Sozialdezernentin Beate Steeg (SPD) bei dem Pressegespräch am Montag. Nach der Zustimmung des Stadtrates in nichtöffentlicher Sitzung am späten Abend soll es direkt an diesem Dienstag losgehen mit den Aufbauarbeiten für die Notunterkunft.

Walzmühle-Eigentümer Pro Concept hilft erneut aus

Bis zu 400 Menschen können laut Steinruck und Steeg in den Räumen des ehemaligen Real-Marktes in der Walzmühle unterkommen. Nicht alle auf einen Schlag, sondern schrittweise, betonen sie. Die Fläche sei sofort verfügbar und könne in kürzester Zeit für die Anforderungen einer Notunterkunft hergerichtet werden, nennen sie den großen Pluspunkt. Bereits in der Corona-Pandemie wurden die Flächen für die Einrichtung eines Impfzentrums genutzt. Die Pro Concept AG stellt den ehemaligen Supermarkt also zum zweiten Mal in einer Notlage zur Verfügung. „Die Eigentümer stellen sich in den Dienst der Stadt“, zeigt sich Steinruck dankbar.

Wir können den Vereinen nicht ihre Wirkensorte entziehen, das würde viel Sprengstoff bergen. Gerade in dieser Zeit brauchen wir den Zusammenhalt mehr denn je.
Jutta Steinruck (parteilos) Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen

Vor dieser Lösung habe man sich immer wieder im Kreis gedreht. „Wir sind immer wieder bei der Eberthalle als einzige Alternative gelandet“, so Steinruck. Doch der Stadtvorstand habe sich geschlossen darauf verständigt, keinerlei Vereins-, Schulsport- oder Turnhallen für die Unterbringung geflüchteter Menschen zu nutzen. „Kinder und Jugendliche wurden schon in der Pandemie über Gebühr belastet“, sagt die Rathauschefin zur Begründung. Sie sollen nicht erneut Leidtragende einer Notsituation sein.

Genauso wenig soll das bürgerschaftliche Engagement generell beeinträchtigt werden, also auch nicht der Breitensport oder Veranstaltungshäuser in den Stadtteilen. „Wir können den Vereinen nicht ihre Wirkensorte entziehen, das würde viel Sprengstoff bergen. Gerade in dieser Zeit brauchen wir den Zusammenhalt mehr denn je“, so Steinruck.

  • In den städtischen Asylunterkünften sind derzeit 1603 Menschen untergebracht, davon rund 1000 Ukrainer.
  • Rund 1000 Geflüchtete haben eine Aufenthaltserlaubnis, finden jedoch keine Wohnung auf dem freien Markt.
  • Bis Mitte November liegt die Zahl der Ludwigshafen zugewiesenen Asylsuchenden bei 765 (mehr als doppelt so viel wie im gesamten Jahr 2021).
  • Vergangenes Jahr wurden der Stadt 325 Menschen zugewiesen. Hinzu kamen 800 Geflüchtete aus der Ukraine.
  • Die Stadt geht nicht davon aus, dass die Zahl 2024 zurückgehen wird.

Etwas mehr als 1600 Geflüchtete sind derzeit in städtischen Quartieren in Ludwigshafen untergebracht, erläutert Beate Steeg. Die Zahl der Zuweisungen steige derzeit wieder stark, die Belastung nähere sich wieder der aus den Jahren 2015 und 2016, als eine immense Flüchtlingsbewegung eine Krise auslöste. „Wir kommen nun also im Dezember in eine Situation, in der wir zu einer Notlösung gezwungen werden.“ Denn auch die drei eigens geöffneten Hallen in der Wattstraße und der Wollstraße seien inzwischen so gut wie voll belegt.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Um der Lage Herr zu werden, hat die Stadt nun ein dreistufiges Konzept erarbeitet. Als kurzfristige Notlösung soll eben die Walzmühle ab Mitte Dezember für die Belegung geöffnet werden. Sie soll nach Vorstellung der Stadtspitze nur für einige Monate in Beschlag genommen werden. „Bis spätestens Sommer wollen wir sie wieder leerziehen“, sagt Steinruck.

Bis April sollen dann zwei bis drei weitere Hallen in Leichtbauweise auf städtischen Grundstücken errichtet werden. Welche dies sind, darüber macht die Stadt noch keine Angaben. „Es sind derzeit noch fünf bis sechs im Gespräch“, sagt Steinruck. Die Bestellungen für die Leichtbau-Hallen seien jedoch schon aufgegeben. Für die langfristige Unterbringung der Menschen („Die Menschen sind da und bleiben da“) sollen parallel Unterkünfte in Modulbauweise geplant und errichtet werden. Diese können laut Stadt aber erst ab Ende 2024 bezogen werden.

Integrations- und Sprachangebote in der Walzmühle geplant

Steeg und Steinruck wissen gut, welche Diskussionen und Debatten nun wieder auf sie zukommen werden. „Wir nehmen die Sorgen der Anwohner ernst und werden transparent informieren“, sagt Steinruck. Mit Menschen, die im Umfeld der Walzmühle wohnen, soll es Anfang Dezember einen Termin geben. Die Stadtspitze versichert, dass ein Sicherheitsdienst, die Polizei und die Verwaltung für Sicherheit im Center und dessen Umfeld sorgen werden. In den Leerständen der Walzmühle sollen zudem direkt Integrations- und Sprachangebote gemacht werden. Ähnlich wie beim Abriss des Rathaus-Centers soll es vor Ort auch eine feste Ansprechperson geben, die für Geflüchtete und Bürger gleichermaßen erreichbar ist.

Stadt Ludwigshafen stellt Forderungen an Bund und Land

Im Angesicht der akuten Notlage (Steeg: „Wir stehen mit dem Rücken an der Wand“) richtet die Stadt deutliche Forderungen an Bund und vor allem Land. „Was wir hier machen, kostet deutlich mehr als das, was wir pro Asylbewerber bekommen“, so Steinruck. Auch die 1,2 Milliarden Euro, die vor dem Gipfel der Ministerpräsidenten am Montag als Zuschuss für die Länder im Gespräch waren, würden nicht ausreichen, so die OB.

„Es geht ja nicht nur darum, ein Bett und Essen zu besorgen. Es geht um die Integration“, betont sie. Und da stehe Ludwigshafen mit seinem ohnehin schon hohen Anteil von Migranten an der Bevölkerung eben vor besonderen Herausforderungen, sagt sie mit Verweis auf die Gräfenauschule, wo ein Großteil der Erstklässler vor dem neuen Schuljahr nicht versetzt wurde.

Mehr zum Thema

Kommentar Aufnahme von Geflüchteten in der Region: Gesellschaft vor der Zerreißprobe

Veröffentlicht
Kommentar von
Julian Eistetter
Mehr erfahren
Soziales

Ludwigshafen muss weitere Notunterkunft für Asylbewerber in Betrieb nehmen

Veröffentlicht
Von
Julian Eistetter
Mehr erfahren
Geflüchtete

Ludwigshafen: Asylbewerber ziehen in Notunterkunft in der Wattstraße ein

Veröffentlicht
Mehr erfahren

„Wir fordern eine entsprechende Vergütung der entstehenden Kosten“, sagt Steinruck. Die Haushaltskrise dürfe nicht weiter verschärft werden. Gleichzeitig müsse nach vielen Diskussionen nun endlich eine Lösung her, die es ermögliche, Menschen schneller abzuschieben, die keine Chance auf eine Anerkennung in Deutschland haben. „Da wurden jahrelang Hausaufgaben nicht gemacht und wir zahlen dafür jetzt die Zeche“, kritisiert Steinruck, die zudem betont, dass die Stadt Ludwigshafen und andere Kommunen in der Vorderpfalz schon seit Monaten auf den drohenden Kollaps hingewiesen hätten - ohne befriedigende Reaktion.

Dafür stehen wir mit unseren Werten.
Jutta Steinruck (parteilos) Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen

Gleichwohl betonen Steinruck und Steeg, dass es eine Frage der Menschlichkeit sei, den Menschen zu helfen, die vor Krieg und Hunger flüchten. „Dafür stehen wir mit unseren Werten“, sagen sie. Bei all den Herausforderungen dürfe man jedoch die Menschen vor Ort nicht vergessen. „Wir können nicht nur Asylunterkünfte bauen und sonst nichts mehr“, sagt Steinruck. Die Zahl der Wohnungssuchenden sei ohnehin gewaltig, auch an diese Menschen müsse man denken. Aus diesem Grund müsse auch ein mögliches Neubaugebiet in Rheingönheim wieder auf die Tagesordnung gebracht werden, kündigt sie an. Auch dagegen wird sich Widerstand formieren. Der Stadtspitze stehen Wochen voller Diskussionen bevor.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke