Kommentar Aufnahme von Geflüchteten in der Region: Gesellschaft vor der Zerreißprobe

In Mannheim war es die Lilli-Gräber-Halle, in Ludwigshafen wird es die Walzmühle - die Städte kommen mit der Unterbringung von Geflüchteten an ihre Grenzen. Die Gemengelage birgt viel Zündstoff

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Julian Eistetter
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Ludwigshafen. Die aktuelle Lage nähert sich immer mehr der aus den Jahren 2015 und 2016 an. Damals waren innerhalb von zwei Jahren mehr als eine Million Geflüchtete nach Deutschland gekommen – mit Folgen, die heute unter dem Begriff Flüchtlingskrise bekannt sind. Nicht nur in der Stadt Ludwigshafen steigen die Zahlen der unterzubringenden Asylsuchenden derzeit wieder nahezu auf das Niveau von damals an, viele Kommunen sind kurz vor der Belastungsgrenze oder schon darüber hinaus. Und diesmal ist einiges anders als vor sieben, acht Jahren. Die Gesellschaft steht vor einer Zerreißprobe.

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Julian Eistetter
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Auch 2015/16 gab es viel Skepsis in der Bevölkerung, rechte Kräfte machten sich die Situation zunutze. Doch damals gab es auch einen starken Gegenpol, eine breite Willkommenskultur. Die ist heute längst nicht mehr so ausgeprägt. Sicherlich gibt es nach wie vor viele Menschen, die wertvolle Arbeit in der Flüchtlingshilfe und für die Integration der Neuankömmlinge leisten. In der breiten Gesellschaft schwindet aber die Akzeptanz.

Das ist durchaus verständlich. Die Menschen sind der Krisen und Kriege überdrüssig, haben ihre eigenen Probleme, kämpfen mit steigenden Kosten, finden keine Wohnung. Dass da nicht alle laut „Juhu“ schreien, wenn immer mehr Menschen ins Land kommen, die den Staat in erster Linie Geld kosten, ist schon nachvollziehbar. Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck stellt also zurecht fest, dass diese Gemengelage jede Menge Zündstoff birgt.

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Insofern ist das Vorgehen, keine Sporthallen oder Veranstaltungsorte als Unterkunft für Geflüchtete bereitzustellen, durchaus sinnvoll. Wird das gesellschaftliche Leben eingeschränkt, könnte der Zündstoff schnell hochgehen. Mannheim ist da mit der zwischenzeitlichen Belegung der Lilli-Gräber-Halle einen anderen Weg gegangen – mit leichtem Rumoren als Reaktion, aber auch Verständnis.

Verständnis wird auch jetzt wieder gefragt sein. Für die Kommunen, die verpflichtet sind, die zugewiesenen Geflüchteten aufzunehmen. Und für die Schicksale der Menschen, die da zu uns kommen und teilweise Schreckliches erlebt haben. Das Verständnis hört aber dann auf, wenn auch Menschen über lange Zeiträume hier unterkommen, die kein Anrecht auf Asyl und keine Chance auf Anerkennung haben. Diese Personen müssen schneller abgeschoben werden. Acht Jahre waren Zeit, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Passiert ist nichts. Die Folgen der Versäumnisse müssen abermals die Kommunen ausbaden.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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