Natur

Skurriler Anblick: Was es mit dem grünen Gebäude in Ludwigshafen auf sich hat

Steht in Ludwigshafen das grünste Gebäude der Region? Ein Blickfang ist das Pflanzenkleid in Mundenheim allemal. Was sich darunter verbirgt und warum Naturschützer begeistert sind

Von 
Julian Eistetter
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Sieht skurril aus, dient aber als Brutstätte und Pollenspender für Vögel und Insekten: der „Hofbunker“ in Ludwigshafen-Mundenheim. © Christoph Blüthner

Ludwigshafen. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es handelt sich um eine überdimensionierte Hecke. Wären da nicht die beiden großen Antennen, die diagonal versetzt an den oberen Ecken des grünen Quaders in die Höhe ragen. Auch an ihnen schlängeln sich schon Kletterpflanzen empor und verdecken zu weiten Teilen das Metall. Hier im Ludwigshafener Stadtteil Mundenheim zeigt sich eindrücklich, zu was die Natur in der Lage ist. Den Luftschutzbunker an der Ecke der Rheingönheimer- zur Hofstraße hat sie sich im Laufe der Jahre zumindest äußerlich zurückerobert.

"Hofbunker" in Mundenheim wurde 1941 zum Schutz der Bevölkerung errichtet

Von der Bunkerfassade aus Beton ist zumindest aus Blickrichtung Nord/Nordosten nichts mehr zu sehen. Kletterpflanzen, insbesondere Efeu, haben ein dichtes Kleid gebildet. Nur eine kleine Ecke auf der Südseite ist noch nicht ganz verschlossen. Hier blitzt noch etwas von dem grauen Betonklotz durch, der im Jahr 1941 zum Schutz der Mundenheimer Bevölkerung vor Luftangriffen errichtet wurde. Fassadenbegrünung wird hier auf ein ganz neues Level gehoben.

Hat etwas Märchenhaftes: Von vorne ist der Bunker in Mundenheim komplett zugewuchert, nur die Eingangstür ist freigeschnitten. © Christoph Blüthner

Doch zunächst zum Bauwerk selbst: Nach Angaben von Bunker-Experte Klaus-Jürgen Becker hat der „Hofbunker“ genannte Schutzbau in Mundenheim fünf Stockwerke, auf die sich je sechs Räume verteilen. Dazu gibt es einen Keller. Über zwei Ein- und Ausgänge konnte die Bevölkerung bei Angriffen Zuflucht in dem Betonklotz suchen. „Es handelt sich um einen gängigen Bautyp, wie er etwa auch in der Valentin-Bauer-Siedlung zu finden ist“, erläutert Becker, Mitbegründer des Arbeitskreises Bunkermuseum Ludwigshafen.

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Steht vor dem grünen Bunker bald ein Kiosk oder eine Dönerbud?

Ein Architekt habe den Bunker als einen von mehreren vor Jahren erworben. „Er hatte viele Ideen, die letztlich aber alle am Brandschutz scheiterten“, berichtet Becker. Nun stoße der Eigentümer die Bunker nach und nach wieder ab. Ob der „Hofbunker“ bereits verkauft sei oder nicht, wisse er nicht. Mit der Installation von Telekommunikationsantennen auf dem Dach sollte zumindest etwas Geld eingenommen werden. Auch das kennt man von anderen Bunkern in der Stadt.

  • Insgesamt 47 Bunker sind im Ludwigshafener Stadtgebiet noch erhalten. Darunter sind 17 Hochbunker, zehn Bahnhofsbunker, sechs Werkschutzbunker und fünf Tiefbunker.
  • 13 Bunker befinden sich im Eigentum der Stadt Ludwigshafen. Der Großteil gehört inzwischen nach dem Verkauf der Bahnbunker aber Privatpersonen. Die ehemaligen Werksbunker gehören noch den Firmen wie BASF, Giulini oder Raschig.
  • Für den Ernstfall einsatzbereit ist keiner der Schutzbauten in Ludwigshafen mehr. „Die im städtischen Besitz befindlichen Bunkeranlagen sind unseres Erachtens für eine entsprechende Umrüstung nicht mehr geeignet“, heißt es von der Verwaltung. 

Aktuell wird auf dem Internetportal „Kleinanzeigen“ zudem die Fläche unmittelbar vor dem Bunker zur Miete angeboten. Dort soll nach Vorstellung des unbekannten Eigentümers ein Kiosk, Hähnchengrill oder Dönerstand aufgebaut werden. 499 Euro soll der Stellplatz unmittelbar an der Straßenbahnhaltestelle Schillerschule kosten. Auch ein Snack-Automat ist dort auf dem Gelände bereits aufgestellt. Auf eine Anfrage dieser Redaktion reagierte der Verfasser des Inserats nicht.

Was ein Ludwigshafener Vogelexperte über die begrünte Bunkerfassade sagt

Der Wildwuchs auf dem Bunker kommt unterdessen insbesondere bei Naturschützern gut an. „Wir haben hier ein natürliches Habitat für Vögel und Insekten mitten in der Stadt“, sagt Klaus Eisele, Leiter der Ornithologischen Beobachtungsstation Altrhein (Orbea) und seit 2022 Naturschutzbeauftragter der Stadt Ludwigshafen. In der Efeu-begrünten Fassade würden Vögel ihre Nester bauen. Zudem sei Efeu eine der sogenannten Trachtpflanzen, die besonders reichhaltig an Nektar und Pollen sind und daher von Bienen oft angeflogen werden.

Der Erhalt dieses und vergleichbarer innerstädtischer Biotope sei für die Naturschützer in Ludwigshafen sehr erstrebenswert. „Wir wollten das Thema auch auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Naturschutzbeirats setzen“, kündigt Eisele an.

Die einzige "kahle" Stelle hat der Ludwigshafener Bunker an seiner Rückseite zum Süden hin. © Christoph Blüthner

Wenn es nach ihm geht, könnten künftig also deutlich mehr der noch vielen erhaltenen Bunker im Ludwigshafener Stadtgebiet so aussehen wie der „Hofbunker“. „Es gibt einige andere, die auch gut bewachsen sind“, sagt Eisele und verweist auf den Schutzbau in der Valentin-Bauer-Siedlung. Auch in Oppau und Friesenheim gibt es noch teilweise überwucherte Weltkriegsbunker. Der in Oppau steht zum Verkauf. Im Niederfeld dagegen sei ein Luftschutzbunker wegen erforderlicher Sanierungsarbeiten vollständig vom Wildwuchs befreit worden. So etwas gelte es künftig nach Möglichkeit zu verhindern, so Eisele.

Warum Ludwigshafen Projekte dieser Art gut gebrauchen kann

Denn vollständig begrünte Gebäude seien nicht nur sehr hilfreich für Tiere und Insekten, sondern auch für das Stadtklima. „Wir erleben hier kostenlosen Klimaschutz“, betont Eisele. Und auch optisch mache Grün mehr her als Grau.

An solchen Projekten dürften die Verantwortlichen in Ludwigshafen gerade nach dem jüngsten Hitze-Check der Umwelthilfe gesteigertes Interesse haben. Dieser führte Ludwigshafen nämlich auf Platz eins der am meisten versiegelten Städte über 50 000 Einwohner in Deutschland. Zwar verweist die Verwaltung auf die speziellen Gegebenheiten als großer Industriestandort, dennoch ist jeder Beitrag für ein besseres Stadtklima willkommen.

Die vielen Bunker in der Stadt Ludwigshafen bieten noch ausreichend Potenzial

Potenzial gibt es diesbezüglich in Ludwigshafen genug. Insgesamt 47 Bunker sind im Stadtgebiet noch erhalten. Auch wenn einige davon unter der Erde liegen, gibt es also noch reichliche graue Betonflächen, auf denen sich Kletterpflanzen ausbreiten könnten. Ganz nach dem Vorbild des Klotzes im Herzen Mundenheims - des womöglich grünsten Gebäudes der Region.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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