Umwelt

Versiegeltes Ludwigshafen: Was Naturschützer und Stadt zum Hitze-Check sagen

Mehr Versiegelung geht im bundesweiten Vergleich nicht: Beim Hitze-Check der Umwelthilfe fällt Ludwigshafen durch. Was Naturschützer jetzt fordern und auf welchen Punkt die Stadt hinweist

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Julian Eistetter
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Das BASF-Stammwerk in Ludwigshafen. Grünflächen gibt es dort aus guten Gründen nur wenige. © Bernhard Zinke

Ludwigshafen. Im Sammeln von Titeln erweist sich die Stadt Ludwigshafen in den vergangenen Jahren als relativ fleißig. Dumm nur, dass es sich mit „hässlichste Stadt Deutschlands“ und „am meisten versiegelte Stadt Deutschlands“ um Kategorien handelt, in denen man als Kommune nicht unbedingt ganz oben stehen will. Während die Sache mit der Hässlichkeit aber einer Satiresendung entstammt und auch in Ludwigshafen selbst - zumindest teilweise - mit einem Schmunzeln zur Kenntnis genommen wird, sollte die Sache mit der Versiegelung und der damit einhergehenden Hitze durchaus ernst genommen werden. Bereits zum zweiten Mal wurde Mannheims Nachbarstadt nun nämlich in Studien bereits auf den unerwünschten Spitzenplatz gesetzt - ganz aktuell von der Deutschen Umwelthilfe.

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Umwelthilfe zeigt Ludwigshafen und Mannheim die Rote Karte

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Bernhard Zinke
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Für die Naturschutzverbände in der Chemiestadt ist die abermalige „Auszeichnung“ ein gefundenes Fressen. Sie haben als erste Reaktion auf die neuerlich negativen Untersuchungsergebnisse eine ganze Liste mit Forderungen an die Stadtverwaltung veröffentlicht, mit deren Umsetzung aus ihrer Sicht die Situation in Ludwigshafen verbessert werden könnte.

Verbände bemängeln: „Es passiert leider viel zu wenig“

„Wieder einmal nimmt die Stadt Ludwigshafen einen unrühmlichen Spitzenplatz bei einem bundesweiten Vergleich hinsichtlich des Grades der Versiegelung ihres Stadtgebietes ein“, bedauern die Verbände in einer gemeinsamen Mitteilung. Das Thema tangiere inzwischen längst nicht mehr nur Umweltschützer, sondern weite Teile der Gesellschaft. Denn immer mehr Studien würden belegen, „dass die klimatischen Belastungen in verdichteten, bebauten und überhitzten Stadtbereichen nicht nur mit körperlichem Unwohlsein, sondern auch mit einer erhöhten Sterblichkeit bei bestimmten Personengruppen einhergehen kann.“

Der Hitze-Check der Deutschen Umwelthilfe

  • Die Deutsche Umwelthilfe hat in ihrem ersten Hitze-Check 190 deutsche Städte mit mehr als 50 000 Einwohnern bezüglich ihres Versiegelungsgrades unter die Lupe genommen.
  • Eine Rote Karte erhielten die Städte, die mit mehr als 50 Prozent einen deutlich überdurchschnittlich hohen Anteil versiegelter Fläche haben.
  • Mit 57,8 Prozent steht Ludwigshafen auf dem ersten Platz des Rankings. Mannheim erhielt mit 56,3 Prozent ebenfalls eine Rote Karte (Platz 9).
  • Vor einer noch schlechteren Platzierung bewahrt Mannheim sein Grünvolumen von 2,06. Die Quote gibt die Kubikmeter Grün pro Quadratmeter Fläche an. Worms schneidet hier mit 1,35 besonders schlecht ab, LU liegt bei 1,63.

Ludwigshafen als eine der heißesten Städte habe die Zeichen der Zeit längst noch nicht erkannt, kritisieren die Verbände BUND, Nabu, Orbea und Pollichia: „Es passiert leider viel zu wenig!“ Große und auch kleinere Grünflächen würden weiterhin zu viele bebaut oder zur Bebauung ausgewiesen - „als ob es keinen Klimawandel oder innerstädtischen Hitzestress geben würde“, heißt es in der Mitteilung. Als Beispiel wird etwa die „Entwicklungsachse West“ genannt, die von der Heinrich-Pesch-Siedlung über den Mittelstandspark bis zum Neubaugebiet Paracelsusstraße-Süd über zwei Kilometer Länge fast durchgehend bebaut werden soll.

„Versiegelungsgrad in Wohnbereichen nicht höher“

Die Umweltverbände fordern daher einen Ausweisungsstopp für Neubaugebiete, bis das in Arbeit befindliche Klimagutachten der Stadt vorliegt. Kleinere Grünflächen sollten durch die Verwaltung nicht mehr „verschachert“ werden, ohne dass danach eine nachhaltige Nutzung durch die städtische Immobilienverwaltung stattfinde. Vor der Rodung oder Vernichtung von Grün-, Gehölz- und Freiflächen solle es ein mehrstufiges ökologisches Prüfverfahren geben. Auch eine städtische Baumschutzverordnung fordern die Naturschützer - neben noch einigen weiteren Punkten.

Kommentar Versiegelung in Industriestädten wie Ludwigshafen: Kompromisse sind gefragt

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Julian Eistetter
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Die Stadt Ludwigshafen verweist auf Anfrage in ihrer Stellungnahme auf die vielen Industrieflächen. „Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass im Stadtgebiet Ludwigshafen der Versiegelungsgrad in den Wohnsiedlungsbereichen nicht wesentlich anders ist als in anderen Städten“, sagt Rathaussprecher Christophe Klimmer. „Ein wesentlicher Faktor ist der Anteil an Industrie und verarbeitendem Gewerbe in unserem Siedlungsgebiet, der sehr hohe Versiegelungsgrade aufweist.“ Das sei auch notwendig, um eine Belastung des Grundwassers durch Schadstoffe bei Produktion, Lagerung oder Transport zu vermeiden. Das sei eine klare Vorgabe aus dem Wasserrecht.

Klimmer weist darauf hin, dass durch eine Richtlinienänderung bei Neubebauungen im Innenbereich durch den Bauherrn eine Reduzierung der an die Kanalisation angeschlossenen befestigten Fläche um mindestens 20 Prozent durch Dachbegrünung, Versickerungsflächen oder ähnliche Maßnahmen sicherzustellen sei. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass Versiegelungen grundsätzlich auch aus Bodenschutzgründen notwendig sein können, etwa bei der Sanierung von Altlastenstandorten.

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In der Stadt laufen laut Klimmer auch gezielte Entsiegelungsprojekte, beispielsweise im Sanierungsgebiet Hemshof. „Dort konnten in großem Umfang Hinterhöfe entkernt und begrünt werden. In diesem Zuge entstand auch der sogenannte Hemshofpark mit rund einem Hektar“, erläutert er. Daneben sei auch der Friedenspark zu erwähnen, der auf einer Industriefläche mit rund neun Hektar entstanden sei und als Grünverbindung in die Innenstadt eine wichtige Funktion erfülle.

Rückbau der Hochstraße Nord bietet laut Stadt Chancen

Großflächige Entsiegelungen sind Klimmer zufolge nur in größeren Sanierungsbereichen gut möglich, wie etwa am Rheinufer Süd. „Dort wurden eine ehemalige Gießerei und der Hafenbereich zum Wohnstandort entwickelt und die Versiegelung um rund 50 Prozent, insgesamt etwa elf Hektar, reduziert“, berichtet er.

Auch der Rückbau der Hochstraße Nord mit dem Neubau der Helmut-Kohl-Allee bringe weitere Entsiegelungschancen mit sich, die bei der Entwicklung der City West ergriffen werden sollen - ein Projekt, das Naturschutzverbände in Ludwigshafen aber ebenfalls äußerst kritisch sehen.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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